Wish [2023]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 22. November 2023
Genre: Animation / Fantasy

Originaltitel: Wish
Laufzeit: 92 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Chris Buck, Fawn Veerasunthorn
Musik: Dave Metzger
Stimmen: Ariana DeBose (Patricia Meeden), Chris Pine (Alexander Doering), Alan Tudyk, Angelique Cabral (Jana Werner), Victor Garber, Natasha Rothwell, Jennifer Kumiyama (Hazel Brugger), Evan Peters, Harvey Guillén, Ramy Youssef, Niko Vargas, Della Saba (Julia Willecke), Jon Rudnitsky


Kurzinhalt:

Im Königreich Rosas von König Magnifico (Chris Pine / Alexander Doering) und Königin Amaya (Angelique Cabral / Jana Werner) ist jeder willkommen. Das Königspaar selbst musste einst aus der Heimat fliehen und mit Hilfe von Magie hat Magnifico Rosas zu einem sicheren Hafen gemacht. Alle volljährigen Bewohnerinnen und Bewohner schenken dem König ihren größten Herzenswunsch, den der König verwahrt und einmal im Monat erfüllt er einen von ihnen, an den sich die Menschen aber nicht mehr erinnern können, wenn sie ihn gegeben haben. Da Ashas (Ariana DeBose / Patricia Meeden) Großvater Sabino (Victor Garber), der in Kürze seinen 100. Geburtstag feiert, nach wie vor auf die Erfüllung seines Wunsches wartet, bewirbt sich Asha als Lehrling des Königs. In dem Auswahlprozess erfährt sie jedoch, dass der König bei weitem nicht alle Wünsche erfüllt, oder je erfüllen will. Nicht nur, dass die Herzenswünsche das sind, was das Wesen der Menschen ausmacht, nur wenn man seine Wünsche kennt, hat man die Möglichkeit, sie zu verfolgen und wahr werden zu lassen. Darum will Asha dem Volk Rosas helfen, doch dem mächtigen Magnifico ist sie hoffnungslos unterlegen. Bis der Wunschstern vom Himmel kommt und Ashas Leben auf den Kopf stellt. Mit seiner magischen Hilfe könnte es ihr gelingen, Rosas zu befreien …


Kritik:
Man hat beinahe das Gefühl, beim Abspann die treibende Kraft hinter Walt Disneys jüngstem Animationsfilm Wish unverblümt zu erkennen. Wenn neben den Namen der Beteiligten in Sternbildsilhouetten die Figuren bisheriger Trickfilme aus der 100jährigen Geschichte des Studios eingeblendet werden, scheint das gleichermaßen klassische wie moderne Märchen wie ein Liebesbrief an das eigene Portfolio. Der Weg dorthin ist mit einer durchaus charmanten Geschichte erzählt, die aber für sich genommen erstaunlich wenig Charakter besitzt.

Im Zentrum steht die 17jährige Asha, aufgewachsen im auf einer Insel gelegenen Königreich Rosas. Gegründet von König Magnifico und Königin Amaya, die aus ihrer Heimat geflohen waren, weil es dort für die Menschen nicht mehr sicher war, war es Magnificos Ziel, mit Hilfe von Magie einen Ort zu schaffen, an dem die Menschen in Frieden leben können. Über die Zeit ist das Königreich gewachsen und um aufgenommen zu werden, müssen die Bewohnerinnen und Bewohner, wenn sie 18 Jahre alt werden, ihren größten Herzenswunsch dem König übergeben. Sobald er übergeben ist, vergisst man diesen Wunsch ohne Reue oder Groll. Der König verwahrt die Wünsche und erfüllt einmal im Monat einen, den er ausgesucht hat, in einer großen Zeremonie. Asha möchte Lehrling des Königs werden, da ihr das Wohl Aller stets am Herzen liegt. Und sie hofft, den König dazu bewegen zu können, dass er den Wunsch ihres Großvaters Sabino erfüllt, der seinen 100. Geburtstag feiert und immer noch auf die Erfüllung seines Wunsches wartet. Das Bewerbungsgespräch läuft anfangs gut, Asha darf sogar die Halle der in schimmernden Kugeln schwebenden Wünsche betreten, die ansonsten nur dem König vorbehalten ist. Doch dann erhält sie einen Blick hinter seine Fassade. Korrumpiert von der Macht, die ihm die Magie und sein Status verleihen, will der eitle wie arrogante König die meisten Wünsche gar nie erfüllen, um seine Macht nicht zu gefährden. Nur, was Rosas’ Zukunft nicht schadet, wird erfüllt, doch welche Wünsche dafür geeignet sind, bestimmt er selbst. Dabei haben die Menschen ihm das anvertraut, was ihnen am wichtigsten ist, was sie ausmacht. Desillusioniert und traurig wünscht sich Asha von ganzem Herzen nichts mehr, als dass sie ihrem Großvater und allen anderen Bewohnerinnen und Bewohnern von Rosas helfen kann, ihre Wünsche zu erfüllen. Ihr Wunsch wird insofern erfüllt, dass tatsächlich der Wunschstern vom Himmel zu ihr auf die Erde kommt und Magie Ashas Leben auf den Kopf stellt.

Das klingt durchaus nach einem Märchen für alle Altersklassen und man kann Wish nicht vorwerfen, dass die Geschichte keine Botschaft für Jung und Alt mitbringen würde. Sie lässt sich durchaus dergestalt interpretieren, dass wenn man sein Glück, seinen Herzenswunsch, von einem Impuls von außen abhängig macht, hofft, dass er von jemand anderem erfüllt wird, anstatt sich selbst darum zu bemühen, man sich selbst von der Erfüllung der eigenen Träume abhält. Ganz denjenigen, die behaupten, sich ihren größten Wunsch zu erfüllen, wenn sie beim Glücksspiel gewonnen haben, und dabei ihr Leben verpassen. Sieht man diese Aussage jedoch in dem Kontext, dass die Verantwortlichen Chris Buck und Fawn Veerasunthorn hier derart offensiv auf andere Disney-Inhalte verweisen, darunter sogar Gastauftritte aus Peter Pan [1953] und Bambi [1942], um nur zwei zu nennen, dann klingt die Botschaft beinahe so an, als sollte man seine Wünsche in Disney-Werke kanalisieren. Als würde es sich kaum lohnen, selbst zu träumen, da der Himmel von Träumen voriger Disney-Filme bereits erfüllt ist.

Verstärkt wird dieses Gefühl dadurch, dass Vieles an Wish bis in den letzten Winkel auf die künftige Vermarktung ausgelegt erscheint. Der Wunschstern ist immens goldig und süß, erinnert aber bis zur Textur an ein symmetrisch animiertes Plüschkissen, das es sicher in Kürze zu kaufen geben wird. Die Geschichte selbst ist einmal mehr als Musical angelegt, wobei die durchaus eingängigen Songs nicht in Erinnerung bleiben. Aber gerade in Anbetracht der Tatsache, dass die Liedeinlagen keinen wirklichen Mehrwert bringen und die Erzählung nur unnötigerweise länger machen, wird man das Gefühl nicht los, dass hier das nächste Bühnenmusical vorbereitet wird. So scheinen zahlreiche Aspekte, als wären sie keine kreativen Entscheidungen des Entstehungsprozesses gewesen, sondern Businessentscheidungen, um die Geschichte im Nachgang bestmöglich vermarkten zu können. Kein Wunder also, dass bis auf Asha und den König keine einzige Figur in irgendeiner Art und Weise ausgearbeitet ist und selbst Sidekick Valentino, eine kleine Ziege, die dank des Wunschsterns sprechen kann, überhaupt rein gar nichts zu tun bekommt, außer ein paar humorvolle Momente beizusteuern. Was nicht heißt, dass es mit ihm keine Animationsserie oder Kurzfilme geben kann – oder wird.

Das klingt alles überaus negativ und auch negativer, als man Wish beim Ansehen wahrnimmt. Immerhin ist die märchenhafte Story handwerklich so einfallsreich wie bildgewaltig zum Leben erweckt. Fernab der sonstigen, computergenerierten 3D-Animationsabenteuer entscheiden sich die Verantwortlichen für einen Stil, der auf den ersten Blick wie vor 30 Jahren gezeichnet erscheint. Dabei sind die Hintergründe kaum plastisch, wenig ausgeleuchtet und es bewegt sich darin auch kaum etwas. Die Bewegungen der Figuren hingegen sind geschmeidig und flüssig, wie es in klassischen Zeichentrickfilmen nur schwer möglich war. Der Look ist farbenfroh und auf eine nostalgische Art und Weise warmherzig. Umso mehr stehen zumindest für ein Publikum, das sich mit den Trickfilmen der letzten großen Ära des Studios auskennt, die modernisierten Figuren der klassischen Filme hervor. Ein junges Publikum wird das aber nicht stören und vielleicht gefällt ihnen das andere, reduzierte Aussehen sogar besser, als die realistischen, geradezu überfordernd animierten Aufnahmen anderer Filme. Doch ob sie von der Story tatsächlich mitgerissen werden, steht auf einem anderen Blatt. Einige Humoreinlagen sind überaus amüsant, Nebencharaktere wie Valentino und der Wunschstern sorgen auch regelmäßig für Auflockerung. Doch die Geschichte selbst wirkt in der ersten Hälfte geradezu verkopft fokussiert und regelrecht um Songeinlagen bemüht. So fehlt es dem Gezeigten vor allem an dem, was Disney-Filme lange Zeit von anderen des Genres abhob: Herzlichkeit.


Fazit:
Eingerahmt wie eine klassische Märchenbuchgeschichte, Songs, die inspirieren sollen und doch altbekannte Themen und Motive, inhaltlich wie musikalisch, bedienen, Nebenfiguren, die für witzige Momente sorgen sollen, an deren Namen man sich aber schon zu Beginn des Abspanns nicht mehr erinnern kann. Chris Buck und Fawn Veerasunthorn präsentieren einen Animationsfilm, der sämtliche Zutaten des Disney-Spielfilmhandbuchs beinhaltet. Umso fader und auch enttäuschender ist das Ergebnis. Zugegeben, Magnifico ist einer der besten Disney-Schurken seit langem, doch außer ihm und Asha – und dem wortlosen Wunschstern – gibt es keine einzige erinnernswerte Figur, die auch etwas zu tun bekommt. Die Songs bleiben ebenfalls nicht haften und wirken so aufgesetzt, dass sie mitunter förmlich das Tempo aus der Erzählung nehmen. Das ändert nichts daran, dass Wish toll bebildert und geradezu putzig animiert ist. Stilistisch einfallsreich und eingängig zugleich, bleibt die Geschichte trotz einiger unerwarteter Momente durchweg absehbar, ist manchmal berührend, geht aber doch nie tatsächlich nahe. Auf den ersten Blick richtet sich die Geschichte mit ihrer Aussage als magischer Familienfilm inspirierend an Groß und Klein, doch mit dem wiederholten Bezug auf den eigenen Disney-Kosmos bekommt dies einen bitteren Beigeschmack. Der ist es auch, der zumindest einem älteren Publikum in Erinnerung bleibt. Die Jüngsten werden sich kaum daran stören, ob sie die Magie aber so mitreißen wird, wie Die Schöne und das Biest [1991] oder Arielle, die Meerjungfrau [1989] ihre Eltern einst, darf bezweifelt werden.