We Live in Time [2024]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 9. Dezember 2024
Genre: Drama / LiebesfilmOriginaltitel: We Live in Time
Laufzeit: 108 min.
Produktionsland: Frankreich / Großbritannien
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: John Crowley
Musik: Bryce Dessner
Besetzung: Andrew Garfield, Florence Pugh, Grace Delaney, Lee Braithwaite, Aoife Hinds, Adam James, Douglas Hodge, Amy Morgan, Niamh Cusack, Lucy Briers, Robert Boulter, Nikhil Parmar, Kerry Godliman, Heather Craney, Marama Corlett
Kurzinhalt:
Ein unglücklicher, glücklicher Zufall brachte Tobias Durand (Andrew Garfield) und Almut Brühl (Florence Pugh) zusammen, doch erst, als Tobias den Mut aufbrachte, die Restaurantbesitzerin und Chefköchin danach wieder aufzusuchen, wurden sie schließlich ein Paar. Als solches durchleben sie Höhen und Tiefen, die auf Grund ihrer unterschiedlichen Zukunftspläne beinahe dafür sorgen, dass sie sich trennen. Auch hier geht Tobias einen Schritt auf Almut zu und einmal mehr scheint ihrem Glück nichts im Wege zu stehen. Bis Almut eine erschütternde Diagnose erhält, die sie auch hinterfragen lässt, ob die Zukunft, die sie für sich ausgemalt hat, die einzige ist, die sie verfolgen möchte. Es wird nicht der letzte Rückschlag dieses Paares sein, das versucht, das Glück festzuhalten, im Hier und Jetzt …
Kritik:
Ob John Crowleys sehenswert gespieltes Drama We Live in Time für das Publikum funktioniert, steht und fällt damit, ob dieses die Art und Weise annimmt, wie die Geschichte erzählt wird. Dabei gibt es keine richtige oder falsche Antwort und eine jede bzw. ein jeder mag dies anders wahrnehmen. Unbestritten bringt der Filmemacher hier zwei bekannte Talente vor der Kamera zusammen, die gerade aufgrund der unterschiedlichen Persönlichkeiten ihrer Figuren so gut zusammen harmonieren, dass es unvermittelt berührt, welche Höhen und Tiefen sie erleben.
Man kann dabei nicht über We Live in Time sprechen, ohne diesen Aspekt des Films vorweg zu nehmen, der bereits nach den ersten Minuten offensichtlich wird. Der ist, dass die Geschichte nicht in chronologischer Reihenfolge erzählt wird, sondern zwischen mehreren Zeitebenen springt. Filmemacher Crowley stellt seine zwei Figuren beispielsweise in einer Zeit vor, als sie in einem Haus auf dem Land in England leben, springt später vor zu einem Moment, da ihre Familie mit der dreijährigen Ella komplett ist, ehe er an den Punkt zurückkehrt, an dem sich Tobias und Almut zum ersten Mal begegnet sind. Für diese Sprünge gibt es keinen inhaltlichen Auslöser, das Drama folgt keiner Erzählung von Almut oder Tobias, die sich an bestimmte Punkte in ihrer Beziehung erinnern. Doch wie die Story präsentiert wird, ermöglicht es dem Filmemacher, die größten Glücksmomente der Charaktere ihren finstersten Zeiten gegenüber zu stellen. Dem zu folgen, ist nicht immer ganz einfach, aber ungemein lohnenswert, wenn man sich darauf einlässt. Die Art der Präsentation ist auch ein gelungener Spiegel dafür, wie Trauer manche Menschen auf das Erlebte zurückblicken lässt.
Die Geschichte selbst handelt von Tobias und Almut, die sich auf eher unkonventionelle Art und Weise kennenlernen und sich ineinander verlieben. Doch Almut, die als gefeierte Küchenchefin ihr eigenes, erfolgreiches Restaurant eröffnet, erkrankt schwer. Wenige Jahre später, nachdem ihre Tochter Ella geboren ist, kehrt die Krebserkrankung zurück und stellt die junge Familie vor eine schier unlösbare Entscheidung: die restliche Zeit aktiv genießen, die sie in Anbetracht des aggressiven Krebsgeschwürs haben, oder alles einer anstrengenden Therapie unterordnen, deren Erfolgschancen ungewiss sind, um dadurch das vermeintlich Unweigerliche nur hinauszuzögern. Umso schwerer ist für Almut, dass sie die Chance erhält, an dem prestigeträchtigen Kochwettbewerb Bocuse d’Or teilzunehmen, was eine zusätzliche körperliche Belastung darstellt. Doch sollte sie mit ihrer Commis de Cuisine gewinnen, könnte sie sich für alle Zeit verewigen.
Hört man Tobias und Almut sich zu Beginn über die verschiedenen Möglichkeiten unterhalten, nachdem sie die Nachricht über die zurückgekehrte Erkrankung erhalten, klingt dies auf eine Art und Weise nüchtern, beinahe objektiv, dass die Worte nicht mit dem sichtbaren Ringen um Fassung in Tobias’ Augen zusammen zu passen scheinen. Weshalb sich das Paar auf diese Weise über eine lebensverändernde und lebensbedrohende Situation unterhalten kann, versteht man erst, wenn man mitangesehen hat, was sie in der Zeit, in der sie zusammen sind, miteinander erlebt haben bzw. erleben mussten. Angefangen davon, dass ihre Beziehung zu Beginn, trotz der Tatsache, dass sie sichtbar ineinander verliebt sind, beinahe zerbrochen wäre, da sich Tobias sehnlichst Kinder wünschte, während Almut dies für sich in diesem Leben ausgeschlossen hatte. Dabei war seine vorige Ehe bereits unter anderem an diesem Ungleichgewicht gescheitert. Entscheiden sie sich jedoch gemeinsam doch noch, ein Kind zu bekommen, ist dies mit so vielen Rückschlägen und Enttäuschungen verbunden, dass ihr Familienglück geradezu erkämpft scheint. All das ist schließlich in Gefahr, zusammen mit Almuts Wünschen, auch beruflich ein Vermächtnis zu hinterlassen. Doch die Nebenwirkungen ihrer Erkrankung drohen dabei, ihre Teilnahme an dem Wettbewerb zunichte zu machen.
We Live in Time rückt bei alledem diese zwei Figuren ins Zentrum, die unterschiedlicher kaum sein könnten und sich gerade deshalb so gelungen ergänzen. In der Rolle des Tobias scheint Andrew Garfield stets um die richtigen Worte bemüht, zurückhaltend und zu Beginn der Beziehung, als glaubte er selbst nicht, dieses Glück verdient zu haben. Seine Figur ordnet selbst dann seine persönlichen Träume und Wünsche Almuts Glück unter, stellt sich selbst hinten an und droht beinahe, daran zu zerbrechen, da er vermutlich ahnt, dass dies ihre letzte Chance sein könnte. Es ist eine preiswürdige Darbietung, die unter die Haut geht und so viele Schattierungen offenbart, dass man gar nicht anders kann, als sich in seine Rolle hinein zu versetzen. Florence Pugh bringt die Facetten ihrer Figur einmal mehr erstklassig und nicht minder beeindruckend zur Geltung. Doch es ist das Zusammenspiel der beiden, das am meisten überrascht. Sie wirken auf eine einnehmende Art natürlich und vertraut miteinander, dass ihnen zuzusehen, selbst wenn die Heiterkeit in manchen Momenten nur vorgeschoben ist, um nicht zu verzweifeln, einem ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Die Sympathie ihrer Figuren bietet einen emotionalen Anker, der die Geschichte selbst dann trägt, wenn die unterschiedlichen Wegstationen ihrer gemeinsamen Reise, so tadellos und berührend sie vorgebracht sind, doch bekannt klingen. Das macht We Live in Time letztlich nicht zugänglicher, aber für das Publikum, das sich darauf einlässt, lohnt das Drama ungemein.
Fazit:
Wie vielen anderen Erzählungen, könnte man auch John Crowleys Film vorwerfen, dass die nichtlineare Präsentation nicht mehr ist, als Kniff, eine bekannt klingende Story frisch und neu erscheinen zu lassen. Das mag auf den ersten Blick auch stimmen, doch erlaubt ihm die Erzählweise auch, den Kontrast, von Momenten größter Leichtigkeit zwischen den beiden Protagonisten einerseits sowie ihren dunkelsten Augenblicken andererseits herauszuarbeiten, ohne auf Rückblicke oder sonstige, meist klischeehafte Elemente zurückgreifen zu müssen. Auf die Art versteht das Publikum auch, weshalb dieses Paar auf diese Weise um sein Familienglück kämpft, was nur schwerer macht, was vor ihnen liegt. Erstklassig und packend gespielt von einer Besetzung, die vom ersten Moment eine greifbare Chemie besitzt, ist We Live in Time kein Drama, das sein Publikum unbeschwert entlässt. Doch vielleicht ist es gerade dieser Wechsel zwischen heiteren und schwierigen Augenblicken, wie sie sich in der eigenen Erinnerung schwerer Lebensphasen häufig ebenfalls abwechseln, der dafür sorgt, dass man allein bei dem Gedanken an diese Familie, die es nicht leicht hat, ein warmes Gefühl verspürt. Für das richtige Publikum ist das berührend und bewegend.