Voll verzuckert - That Sugar Film [2014]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 19. Juli 2016
Genre: Dokumentation

Originaltitel: That Sugar Film
Laufzeit: 90 min.
Produktionsland: Australien
Produktionsjahr: 2014
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Damon Gameau
Musik: Jojo Petrina
Personen: Damon Gameau, Hugh Jackman, Stephen Fry, Brenton Thwaites, Milla Bakaitis, Richard Davies


Hintergrund:

Während der Schwangerschaft seiner Freundin lotet Regisseur Damon Gameau aus, welchen Einfluss Zucker auf den menschlichen Körper hat. Im Rahmen eines Selbstversuchs nimmt er dabei so viel Zucker zu sich wie der Durchschnittsbürger und beleuchtet anhand von Spezialisten sowohl die Auswirkung auf seinen Körper, aber auch, was Zucker mit der Gesellschaft an sich anrichtet ...


Kritik:
Es hat eine gewisse Ironie, dass Damon Gameaus Voll verzuckert - That Sugar Film den Eindruck von Fast Food im Bereich der Dokumentationen hinterlässt. Er ist schnell, bunt und bietet dank des Filmemachers, der sich und sein Privatleben hier gleichermaßen inszeniert, genug Vertrautes, um zu gefallen. Aber ist er erst einmal vorbei, stellt sich ein seltsames Gefühl ein und so wirklich sicher, was die Zutaten waren, ist man auch nicht.

Zucker, das ist die erste und wichtigste Erkenntnis, die man aus Voll verzuckert mitnimmt, ist nicht gleich Zucker. Es gibt verschiedene Arten wie Traubenzucker oder Fruchtzucker, die vom Körper auf unterschiedliche Weise aufgenommen und verarbeitet werden. Angesichts der nahenden Geburt seines ersten Kindes schickt sich Gameau an, einen Selbstversuch zu unternehmen. Die vergangenen drei Jahre hat er auf Zucker in Nahrungsmitteln verzichtet und er möchte herausfinden, was geschieht, wenn er sich 60 Tage mit vermeintlich gesunden Lebensmitteln aus dem Supermarkt ernährt.
Das an sich wirkliche Tragische daran ist, dass jeder Vernunft begabte Mensch die Antwort bereits im Vorfeld kennt, selbst man sich nicht so gesund ernährt, wie es der Filmemacher vor seinem Experiment getan hat.

Gameaus Ziel ist es, 40 Teelöffel Zucker, der sich in gewöhnlichen Fertigprodukten versteckt, täglich zu sich zu nehmen, was der Durchschnittsmenge der australischen Bevölkerung entspricht. Schokolade und Süßigkeiten lässt er dabei bewusst außen vor. Begleitet wird er von Ernährungsexperten und Medizinern, die seinen Zustand regelmäßig kontrollieren.
So unterhaltsam es ist, dem Filmemacher auf seinem Weg des "normalen" Zuckerkonsums zuzusehen, so plakativ ist es zum Teil auch. Wiederholt er zum dritten Mal, dass er nach dem Hoch in seinem Blutzuckerspiegel vollkommen lethargisch wird, oder sich sein Heißhunger auf zuckerhaltige Lebensmittel steigert, und wird diese Aussage kurz danach nochmals von einem Experten bestätigt, dann ist das einfach zu oft. Umso mehr, da immer wieder Standpunkte von eben solchen Experten vorgetragen werden, die aber nur als Ausschnitt in das Bild hineinkopiert sind, so dass man nicht einmal ihre Namen einfach erkennen kann. Es ist, als wollte Voll verzuckert nicht, dass sie bekannt werden.

Die interessantesten Aspekte der Dokumentation sind, wenn Gameau das Kalorienzählen entlarvt oder den versteckten Zucker in Lebensmitteln enttarnt, den man sich kaum vorstellen kann. Nur sind diese Momente äußerst rar und werden schnell durch Einstellungen unterbrochen, in denen der Filmemacher seine Erkenntnisse seiner schwangeren Frau über Videotelefonie mitteilt, auch wenn er dasselbe dem Publikum kurz zuvor bereits gesagt hat.
Das zieht am Ende die Dokumentation auf über eineinhalb Stunden Länge, inklusive einem Musikvideo, in dem sich Damon Gameau selbst inszeniert. Dasselbe tut er leider zu oft, anstatt den Zucker in den Mittelpunkt zu rücken.


Fazit:
Die Aussagen von Voll verzuckert - That Sugar Film sind alle nachvollziehbar und gerade angesichts der Methoden, mit denen Lebensmittelkonzerne Zuckerangaben verschleiern oder wahre Zuckerbomben als angeblich gesunde Lebensmittel bewerben, überaus wichtig. Vielleicht ist Damon Gameaus Herangehensweise an die Thematik als bunte, mitunter grelle und von Gaststars wie Hugh Jackman und Stephen Fry vorgetragene Dokumentation auch die einzige, wie sie ein breites Publikum "konsumieren" kann.
Nur beraubt er sich damit gewissermaßen einer Seriösität, deren Fehlen er gleichzeitig bei den Argumenten der Zuckerindustrie bemängelt. Statt aufzulisten, was er an einem ganz normalen Tag zu sich genommen hat, sieht man ihn mit Jumbogrößen von Getränken und mit dem Blick auf Süßigkeiten, die er aber während des Experiments nicht zu sich nimmt. Widmet er sich der Forschung, in die die Industrie offensichtlich zum Zweck der idealen Zuckermenge in Lebensmitteln investiert, dann ist das erschreckend, aber nicht ausgeleuchtet. So richtig und wichtig die Aussagen der Dokumentation, so streitbar ist der Weg dahin. Langweilig ist er aber nicht. Und erschreckend mitunter auch.