Twisters [2024]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 16. Juli 2024
Genre: Unterhaltung / Action

Originaltitel: Twisters
Laufzeit: 122 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Lee Isaac Chung
Musik: Benjamin Wallfisch
Besetzung: Daisy Edgar-Jones, Glen Powell, Anthony Ramos, Brandon Perea, Maura Tierney, Sasha Lane, Harry Hadden-Paton, David Corenswet, Daryl McCormack, Tunde Adebimpe, Katy O’Brian, Nik Dodani, Kiernan Shipka


Kurzinhalt:

Fünf Jahre, nachdem Kate (Daisy Edgar-Jones) und Javi (Anthony Ramos) bei Kates damaligem Studienexperiment zusammengearbeitet haben, mit dem Kate eine Möglichkeit finden wollte, einen Tornado aufzulösen, sucht Javi, inzwischen Firmengründer, Kate in New York auf. Sie arbeitet zwischenzeitlich beim Nationalen Wetterdienst und Javi benötigt ihre Hilfe, denn er hat über Kontakte Zugriff auf fortschrittliche, tragbare Radarsysteme erhalten, mit denen er einen Tornado kartografieren und untersuchen könnte. Dafür jedoch muss er wissen, wo sich ein Tornado entwickelt und welche Bahn er ziehen wird. Kate besitzt seit jeher ein besonderes Gespür dafür und willigt schließlich ein, Javis „Storm Par“-Firma zu unterstützen. In Oklahoma angekommen, treffen sie auf den selbsternannten Tornado-Wrangler Tyler Owens (Glen Powell), der mit seinem Team von Sturmjägern waghalsige Aufnahmen von Tornados anfertigt und im Internet veröffentlicht. Merchandising, Autogrammkarten und dergleichen inklusive. Doch je öfter sich Kate mit Tyler unterhält, umso mehr entdeckt sie sich in seinen Überzeugungen selbst – und umso mehr Zweifel kommen ihr bei Javis Motivation, die Tornados zu studieren …


Kritik:
In vielerlei Hinsicht erscheint die späte Fortsetzung zu Jan de Bonts Tornado-Jäger-Film Twister [1996], als stamme sie aus einer anderen Zeit. Anstatt Figuren ins Zentrum zu rücken, die mit der Welt hadern, ein Trauma aufarbeiten oder eine Botschaft transportieren sollen, steht bei Twisters einfach nur der Spaß im Vordergrund. So hanebüchen und absurd manche Ideen oder Zufälle auch sein mögen. Es ist ein Konzept, das man heutzutage nur selten sieht. Zwar präsentiert Regisseur Lee Isaac Chung auch eine Figur, die ein Erlebnis und eine Entscheidung nicht losgelassen haben, doch ist das nicht dasjenige Element, das die Geschichte vorantreibt. Dafür ist vielmehr die toll gemachte und inszenierte Action verantwortlich.

Dabei kann man Twisters sowohl als Fortsetzung sehen als auch als eigenständige Geschichte. Die Verbindung zu den Ereignissen in Twister findet sich gleich im Prolog, in dem Meteorologiestudentin Kate mit Javi und drei weiteren Kommilitonen versucht, einen Tornado aufzulösen. Dafür wird auch eine weiterentwickelte Form der „Dorothy“ genannten Sensoren verwendet, die Fans des ersten Films kennen dürften. Doch das Projekt endet in einem Fiasko. Fünf Jahre später arbeitet Kate beim Nationalen Wetterdienst in New York, wo Javi sie aufsucht. Er hat eine Firma gegründet und Zugriff auf Prototypen fortschrittlicher, tragbarer Radarsysteme, mit deren Hilfe er einen Tornado in nie dagewesener Art kartografieren und studieren könnte. Doch er braucht Kates Expertise, die Tornados zu finden, besitzt sie doch seit jeher ein geradezu übernatürliches Gespür für diese zerstörerischen Naturgewalten. Als sie sich in Oklahoma auf die Jagd nach den Stürmen machen, kreuzen sie den Weg des selbsternannten Tornado-Wranglers Tyler Owens, der mit seiner Crew tollkühne Manöver um die Tornados filmt und im Internet veröffentlicht. Obwohl Owen seine Erlebnisse bestmöglich vermarktet, muss sich Kate doch fragen, ob Javis Geschäftsmodell nicht mindestens ebenso verwerflich ist.

So sympathisch die drei tragenden Figuren von Beginn an sind, die von Daisy Edgar-Jones zudem toll angeführt werden, Twisters verschiebt diese Sympathien im Laufe der Geschichte, mit Kate im Zentrum. Scheint Tyler eingangs auch dank Glen Powells unbändigem Charme charismatisch, aber verantwortungslos, wenn er sich selbst inszeniert und das Spektakel sucht, an das sich Schaulustige hängen, die die Gefahr nicht einschätzen können, besitzt seine zusammengewürfelte Crew zudem einen Underdog-Bonus, der Javis hochtechnisiertem Team mit dessen scheinbar unendlichen finanziellen Mitteln fehlt. Regisseur Chung gibt diesen Figuren Raum, eine Chemie miteinander zu entwickeln, ohne sie jedoch über die Maßen zu vertiefen. Deshalb und da erst spät die Auswirkungen der verheerenden Tornados auf die menschliche Bevölkerung gezeigt werden, bewahrt sich die Erzählung eine Leichtigkeit, die es auch leichter macht, den inhaltlich teils absurden Szenen folgen zu wollen. Wem huscht nicht ein ungläubiges Lächeln übers Gesicht, wenn Tyler Owens als „Cowboy-Wissenschaftler“ vorgestellt wird, oder Kate zu Beginn ihr „Tornado-Zähmer-Prokjekt“ vorstellt?

Twisters hat sichtlich Spaß an der Materie und ist sich durchweg bewusst, was für eine Art Geschichte erzählt wird. Vielleicht sind deshalb die Landstriche, die von den Naturgewalten so eindrucksvoll zerstört werden, überwiegend menschenleer und selbst, wenn später die verwüsteten Gebiete gezeigt werden, wo Menschen alles genommen wurde, was sie im Leben hatten, konzentriert sich die Story weniger auf die Opfer als diejenigen, die mit Landaufkäufen und dergleichen noch Profit aus der Situation herausschlagen wollen. Hier besitzt Lee Isaac Chungs Film das Potential, einen ebenso aktuellen wie wichtigen Punkt ins Zentrum zu rücken, doch beschwert sich die Erzählung damit bewusst nicht. Man könnte es auch verschenktes Potential nennen, was ebenso kritisierenswert ist, wie die mitunter unnötigerweise in den Actionszenen eingespielte Musik, die von den Bildern beinahe ablenkt und nie die Unbeschwertheit von Mark Mancinas Themen aus dem ersten Teil erreicht. Immerhin versucht das Drehbuch nicht, eine merklich böse menschliche Figur zu etablieren, sondern stellt den Sturmjägern vielmehr die Unberechenbarkeit und Kraft der Natur gegenüber, wie auch die Unvernunft derjenigen, die sich im Angesicht eines Tornados nicht an Anweisungen halten, die sie von Expertinnen und Experten genannt bekommen.

Es ist jedoch kaum zu übersehen, dass das Drehbuch nicht einmal darum bemüht ist, die Figuren nach dem Prolog erneut in persönliche Gefahr zu bringen. Mit ihnen mitzufiebern fällt daher schwer, zumal es schlicht sehr unwahrscheinlich ist, dass den drei Protagonisten selbst etwas geschehen wird. Verstärkt wird dies dadurch, dass Twisters spürbar der erzählerischen Struktur von Twister folgt, bis hin zum Tornado in der Nacht und dem anschließenden Finale. Fans des beinahe 30 Jahre alten Unterhaltungsfilms werden somit viele Déjà-vus erleben und kaum überrascht sein. Doch das bedeutet nicht, dass man dabei keine tolle Zeit haben könnte. Die Stimmung ist einnehmend und die Besetzung verleiht alledem eine leichtfüßige Zugänglichkeit, dass es Spaß macht, ihnen zuzusehen. Vor allem jedoch ist das Spektakel erstklassig in Szene gesetzt und verwendet im Zusammenspiel mit den Schauspielerinnen und Schauspielern praktische Effekte. Der Dank ist ein audiovisuelles Feuerwerk im Tornado Alley, das man seit Jan de Bonts Film so nicht auf der großen Leinwand gesehen hat.


Fazit:
Obwohl die Geschichte nicht auf eine ausgesprochene Lovestory setzt, das Knistern zwischen den beiden Stars ist selbst über das Grollen der Stürme hinweg zu hören. Die sind unbestritten das Highlight von Lee Isaac Chungs tadellos und in Anbetracht der merklich handgemachten Schlechtwettereffekte überraschend inszeniertem, leichtfüßigem Katastrophenfilm. Die Story mag nicht mehr als das Mindestmaß abdecken, um das Publikum an die Figuren zu binden und diese von einer Actionszene zur nächsten zu schicken. Aber gerade die sind erstklassig und mit entsprechend einnehmender Klangkulisse zum Leben erweckt. Dies als „sinnlosen Spaß“ zu bezeichnen, geht an sich zu weit, denn die Idee klingt interessant, wenn auch leider nach Science Fiction. Es ist eine Geschichte, die nicht belastet und zusätzlich zu den tollen Bildern von einer sympathischen Besetzung lebt. All das sorgt dafür, dass Twisters vermutlich trotz der erzählerischen Schwächen einer der unterhaltsamsten Filme ist, die man diesen Sommer im Kino zu sehen bekommt und die Wertung wird dem kaum gerecht. Je größer die Leinwand und je lauter das Soundsystem, umso mehr Spaß kann man dabei haben.