The Wave - Die Todeswelle [2015]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 5. Juni 2016
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: Bølgen
Laufzeit: 105 min.
Produktionsland: Norwegen
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Roar Uthaug
Musik: Magnus Beite
Darsteller: Kristoffer Joner, Ane Dahl Torp, Jonas Hoff Oftebro, Edith Haagenrud-Sande, Fridtjov Såheim, Laila Goody, Arthur Berning, Herman Bernhoft, Eili Harboe, Silje Breivik, Håkon Moe, Tyra Holmen, Thomas Bo Larsen, Mette Agnete Horn


Kurzinhalt:

Seit Jahren arbeitet der Geologe Kristian Eikjord (Kristoffer Joner) in der Forschungsstation, die Veränderungen des angrenzenden Felsmassivs beobachtet. Während er einer Ahnung nachgeht, wieso das Grundwasser im Gebirge des Fjords abgesunken sein könnte, legt die letzte Fähre ab, so dass er trotz der geplanten Abreise eine weitere Nacht im norwegischen Ort Geiranger verbringen muss. Sein Sohn Sondre (Jonas Hoff Oftebro) bleibt bei seiner Frau Idun (Ane Dahl Torp), die im Hotel arbeitet. Er selbst kehrt mit der Tochter Julia (Edith Haagenrud-Sande) in das Haus der Familie zurück. Noch in der Nacht zeichnet sich ab, dass ein katastrophaler Felssturz kurz bevorsteht, der einen verheerenden Tsunamie verursachen wird ...


Kritik:
Mit The Wave - Die Todeswelle präsentiert Regisseur Roar Uthaug den ersten skandinavischen Katastrophenfilm. Er folgt dabei dem grundsätzlichen Aufbau der in Hollywood mit einem Vielfachen des Budgets produzierten Filme, konzentriert sich jedoch darauf, neben dem erschreckend realistischen Szenario Figuren vorzustellen, deren Schicksale berühren. Nicht nur, dass er dabei weit weniger Klischees als viele andere Produktionen bedient, er zeigt auch, dass eine solche Katastrophe keine Grundlage für einen Spaßfilm ist.

Dabei ist es – seien wir doch mal ehrlich – doch genau das, was die großen, aufwändigen Hollywood-Produktionen zu solchen Publikumsmagneten machen. Die Erde wird durch Asteroiden verwüstet, Vulkane brachen mitten in Großstädten aus, Jahrhundertstürme reißen Schiffsfahrer dahin und Erdbeben ebnen ganze Kontinente ein. Währenddessen kauen die Zuschauer munter ihr Popcorn und erfreuen sich an etwas, das selbst Drehbuchautoren und Produzenten inzwischen als "Zerstörungsporno" bezeichnen. Das Leid der unzähligen Opfer, die am Bildschirmrand unter den einstürzenden Gebäuden begraben werden, interessiert nur wenig, selbst wenn bekannte Darsteller die Rollen verkörpern. Man ergötzt sich an dem Inferno, als wenn es keine Auswirkungen hätte.

The Wave - Die Todeswelle zeigt die zerstörerische Kraft der Naturgewalt, doch das unbeschwert erhebende Gefühl von Filmen wie San Andreas [2015] oder Armageddon - Das jüngste Gericht [1998] bleibt hier aus. Dabei könnte die Situation anfangs nicht idyllischer sein: Der Geologe Kristian Eikjord feiert seinen Abschied in der Forschungsstation nahe des Geirangerfjords, den er mit seiner Frau und den beiden Kindern verlassen wird, um für eine große Ölfirma zu arbeiten. Felsen sind sein Leben und die ständige Messung der Bewegungen des instabilen Åkerneset-Gebirges ebenso eine Lebensaufgabe. Sollte es zu einem Felsrutsch kommen, würden die in den Fjord stürzenden Gesteinsmassen eine 80 Meter hohe Welle hervorrufen, die in 10 Minuten den kleinen Ort Geiranger erreichen würde.

Regisseur Road Uthaug nimmt sich die Hälfte seiner Erzählung Zeit, um die Familie Eikjord vorzustellen und die traumhafte Landschaft des Geirangerfjords in Szene zu setzen. Die Naturaufnahmen sind dabei schlicht atemberaubend. Die Eikjords dagegen eine ganz normale Familie, die kurz vor dem Umzug steht. Die junge Julia kann sich damit besser abfinden als der jugendliche Sondre und abgesehen von einigen Meinungsverschiedenheiten sind Kristian und seine Frau Idun ein ganz normales Paar. Es ist nicht, wie Hollywood es immer wieder versucht, eine entzweite Familie, die durch das Drama wieder zueinander findet. Kurz vor seiner Abreise entdeckt Kristian Hinweise, dass der Berg sich bewegt und ehe sich der kleine Ort versieht, ist die Naturkatastrophe bereits über ihn hereingebrochen.

Auch wenn die Filmemacher nicht die finanziellen Möglichkeiten eines Hollywood-Sommerfilms hatten, The Wave - Die Todeswelle ist hervorragend gemacht. Auf die Blickwinkel der Hauptfiguren konzentriert, wird das Geschehen umso greifbarer und auch die Tatsache, dass der Film auf Klischees wie den obligatorischen Bösewicht, der um den Tourismus zu retten Menschenleben aufs Spiel setzt, verzichtet, tut ihm merklich gut. Handwerklich tadellos umgesetzt, wird die zerstörerische Kraft der Natur ebenso spürbar wie was die Familie durchmachen muss, die im Lauf der Erzählung getrennt wird. Das mitanzusehen ist packend, aber nicht spaßig. Wer eine Zerstörungsorgie erwartet, die ohne Konsequenzen bleibt, ist hier falsch.


Fazit:
Ein Klischee kurz vor Ende kann sich The Wave - Die Todeswelle bedauerlicherweise nicht verkneifen. Dabei ist es vollkommen unnötig. Wenn Regisseur Roar Uthaug diesen Weg gehen möchte, hätte er ihn auch konsequent zu Ende gehen sollen. Davon abgesehen ist sein skandinavisches Katastrophendrama handwerklich mühelos auf einer Stufe mit denen, die in Hollywood derzeit produziert werden. Da er sich auf die toll gespielten Figuren konzentriert, mit denen man mitfiebert, ist er ihnen diesbezüglich sogar voraus.
Zu sehen, wie sie ums Überleben kämpfen ist ebenso packend, wie der stete Aufbau der unausweichlichen Katastrophe in der ersten Filmhälfte. Die grandiosen Landschaftsaufnahmen verdeutlichen angesichts der Auswirkungen des Tsunami nur, wie wenig Kontrolle die Menschen über die Natur wirklich besitzen. Für ein Publikum, das sich mit der ernsten Situation auseinandersetzen möchte, ist das uneingeschränkt empfehlenswert.