The Road [2009]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. März 2011
Genre: Drama

Originaltitel: The Road
Laufzeit: 107 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2009
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: John Hillcoat
Musik: Nick Cave, Warren Ellis
Darsteller: Viggo Mortensen, Kodi Smit-McPhee, Charlize Theron, Robert Duvall, Guy Pearce, Molly Parker, Michael K. Williams, Garret Dillahunt


Kurzinhalt:
Jahre sind vergangen, seit eine Katastrophe die Erde verwüstet hat. Wolken halten die Sonne permanent ab, alle Pflanzen sind abgestorben und kein Tier hat überlebt. Die kleine Zahl der überlebenden Menschen schrumpft täglich. Krankheiten, Hungertod, oder ein selbst gewähltes Lebensende dezimieren die übriggebliebenen. Gruppen haben sich zusammen geschlossen, die bewaffnet auf Kannibalismus zurückgreifen, um sich zu ernähren. Dass sich der Planet erholt, sich die Situation ändert, ist nicht zu erwarten.
Die immer schlimmer werdenden Winter zwingen einen Mann (Viggo Mortensen) dazu, mit seinem Sohn (Kodi Smit-McPhee) Richtung Süden zu gehen. Es war das letzte Versprechen, das er seiner Frau (Charlize Theron) gegeben hat. Auf ihrem Weg begegnen sie Zerstörung, gefährlichen Banden und auch einem alten Mann (Robert Duvall). Ihr Ziel ist vage, was sie dort erwartet ungewiss. Und auch vor Krankheiten und anderen Überlebenden, die mit allen Mitteln durchzuhalten versuchen, sind sie nicht sicher ...


Kritik:
Auf viele Dinge, die man aus anderen Erzählungen gewohnt wäre, wird in The Road verzichtet. In einer Welt, in der die Wochentage ebenso wenig eine Rolle spielen wie religiöse Feste oder die Gezeiten, scheinen Namen unnötig. Wenn zwei Menschen nur einander vertrauen können, während ihnen alle übrigen nach dem Leben oder ihren Vorräten trachten, wie wichtig wäre es dann, sich mit Namen anzusprechen? Nur eine Person stellt sich dem Jungen und dem Mann mit Namen vor. Der Mann glaubt dem Alten ohnehin nicht, die Wahrheit zu sagen. Auch interessiert nicht, was die weltweite Katastrophe verursacht hat, auf Grund derer die gesamte Tier- und Pflanzenwelt zugrunde gegangen ist. Würde es eine Rolle spielen? Auch wie viel Zeit tatsächlich vergangen ist, oder welches Jahr geschrieben wird, ist nicht wichtig. Jede Erinnerung an das Leben, das er einst hatte, an die Welt wie sie war, scheint dem Mann den nächsten Schritt nur noch schwerer zu machen. Ein Blick zurück ist, als hätte man schon aufgegeben.
Regisseur John Hillcoat erzählt von einer Welt nach einem apokalyptischen Ereignis auf eine so endgültige Weise, dass die Geräusche wie Vogelzwitschern und Kinderlachen, die im Abspann erklingen, wie Geister aus einer vergessenen Zeit erscheinen. Dass solch eine Unbeschwertheit in der Zukunft des Jungen liegen könnte und darauf angespielt werden soll, kann man sich kaum vorstellen.

Man würde den Jungen auf acht bis höchstens zwölf Jahre schätzen und wenn man die Ereignisse in The Road richtig deutet, wurde er geboren, kurz nachdem die Katastrophe begann. Im Gegensatz zu seinem Vater kennt er die Welt nur als einen grau-braunen, verwaschenen und lebensarmen Planeten. Für seine Mutter muss es zu schwer gewesen sein, auf das Leben, die Farben und die Fröhlichkeit zu verzichten, die früher geherrscht haben müssen. Was mit ihr geschah wird nur angedeutet. Sie gehört wie eine Luft, die sauber genug zum atmen ist, den Erinnerungen ihres Mannes an, der es auf sich nimmt, mit dem Jungen nach Süden zu gehen. Die Winter werden immer härter und kälter, selbst die Bäume, die wohl seit Jahren kein Sonnenlicht und keine Nährstoffe mehr bekommen, zerbersten unter ihrem eigenen Gewicht. Süden ist nur eine Richtung, was sich der Mann dort erhofft, oder welche Hoffnungen er in seinem Jungen darin weckt, erfährt man nicht. An ein blaues Meer wie auf der Landkarte, glaubt er wohl selbst nicht. Wie muss es in den Regenwäldern nach der Katastrophe aussehen? Riesige Areale voller toter Bäume? The Road vermittelt das Gefühl, es handle sich um eine globale Katastrophe, auch wenn sie nur aus der Sicht der beiden Figuren geschildert wird. Wie es woanders auf der Welt aussieht, mag man sich vorstellen, oder lieber nicht, denn die Vorstellung dass einen nirgendwo etwas anderes erwarten könnte, würde einen vollends verzweifeln lassen.
In einer Welt, in der keine Ernten mehr möglich sind und keine Tiere überleben, in der Benzin ebenso rar ist wie Trinkwasser oder Vorräte, was würden Menschen tun, um zu überleben? Die Vorstellung von Kannibalismus ist schlimm genug, doch dies organisiert zu sehen, wenn bewaffnete Gruppen ausgezehrte Menschen wie Vieh halten, ist in der Tat schockierend. Wie lange kann der Mann mit seinen Prinzipien, seiner Vorbildfunktion für den Jungen angesichts solch unmenschlicher Grausamkeiten durchhalten? Wenn man gezwungen wird, nicht nur zu hungern, sondern das eigene Kind beim Verhungern beobachtet, wie lange kann man stark bleiben?

Die Antworten, die The Road hier gibt, machen nur bedingt Hoffnung. Da er die Welt nur als solche kennen gelernt hat, wie sie ist, fällt es dem Jungen vielleicht leichter, sich damit zu arrangieren. Er versucht dem treu zu bleiben, was ihm als menschlich beigebracht wurde. Welche Zukunft ihn dabei erwartet, möchte man sich nicht ausmalen. Vielleicht aber auch nur, weil wir die Vergangenheit als Maßstab nehmen. Nicht alles Leben scheint vernichtet. Und statt diejenigen Dinge für wichtig zu nehmen, die wir als solches sehen, gibt es in jener Welt nichts, das wichtiger ist, als die Menschlichkeit.
Regisseur Hillcoat zeigt jene Welt durch die Augen von Kodi Smit-McPhee, der seiner Filmmutter Charlize Theron sehr ähnlich sieht, nur dass das Leben in seinen Augen noch nicht erloschen ist. Viggo Mortensen als ausgemergelter Vater, dessen größte Hoffnung das Leben seines Sohnes ist, beängstigt durch die Selbstaufgabe, mit der er die Rolle ausfüllt. Robert Duvall und Guy Pearce haben nur kleine Rollen, ergänzen jedoch eine Besetzung, die jene hoffnungslose Schreckensvision so glaubhaft verkörpert, dass man jeden Sonnenaufgang wie ein Geschenk empfindet.


Fazit:
Es sind nicht allein die ausgewaschenen Farben, oder die überall abgestorbenen Pflanzen, die jene postapokalyptische Welt so trostlos erscheinen lassen. Noch bevor man die verlassenen, zerstörten Häuser sieht oder die liegen gelassenen Fahrzeuge, sind es die fehlenden Naturgeräusche. Die Erde wie man sie kennt, liegt im Sterben, oder ist bereits tot. Dabei erzählt The Road weniger vom Ende der Welt, als vom Ende der Menschlichkeit.
An den namenlosen Figuren zeigt Regisseur Hillcoat nach einem Roman von Cormac McCarthy auf, wie schwierig und wie wichtig es ist, uns diese Eigenschaft zu bewahren, auch wenn es keine Hoffnung mehr gibt. Die Bilder sind grausam und erschreckend, die Endgültigkeit des Szenarios zermürbend, und das Ende so abrupt wie offen. Doch welches Versprechen auf eine bessere Zukunft könnte diese Trostlosigkeit aufwiegen? Für ein anspruchsvolles Publikum ist The Road eine vermutlich sehr realistische Schreckensvision einer Zeit nach dem Ende. Herausragend gespielt und ebenso treffend gefilmt. Aber nur schwer zu verarbeiten.