The Gorge [2025]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 2. März 2025
Genre: Science Fiction
Originaltitel: The Gorge
Laufzeit: 127 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Scott Derrickson
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Besetzung: Miles Teller, Anya Taylor-Joy, Sigourney Weaver, Sope Dirisu, William Houston, Kobna Holdbrook-Smith, James Marlowe, Julianna Kurokawa, Ruta Gedmintas, Oliver Trevena
Kurzinhalt:
Seit seinem Ausscheiden aus dem Militär arbeitet Scharfschütze Levi Kane (Miles Teller) freiberuflich für die U.S. Army. Als er von Bartholomew (Sigourney Weaver) angeheuert wird, eine streng geheime Mission zu übernehmen, ahnt er nicht, was ihn erwartet. An seinem Ziel angekommen, steht er vor einer riesigen Schlucht, in die man auf Grund eines dicken Nebels jedoch nicht hineinblicken kann. Seine Aufgabe ist es, den westlichen Wachturm zu besetzen. Dort verrichtet er seine Arbeit ganz allein und soll dafür sorgen, dass nichts aus der Schlucht nach oben kommt. Die ist mit Zäunen, Minen und Verteidigungsanlagen ausgestattet. Jenseits der hunderte Meter breiten Schlucht hat die Scharfschützin Drasa (Anya Taylor-Joy) ebenfalls ihren Posten übernommen. Der Kontakt mit der anderen Seite ist zwar strengstens untersagt, doch beginnen Drasa und Levi, sich Zeichen zu geben. Bis sich eines Tages seltsame Wesen ihren Weg aus der Schlucht bahnen …
Kritik:
Scott Derricksons Science Fiction-Film The Gorge weiß nie wirklich, was für eine Art Geschichte er eigentlich erzählen will. Was beginnt als ein Mystery-Thriller um eine Kluft, die es zu bewachen gilt, wandelt sich in eine Liebesgeschichte, ehe ein fantasylastiges Überlebensthriller-Finale folgt. Ständig vorangetrieben von neuen Ideen, die doch keinen wirklichen Sinn ergeben, bedeutet dies zwei Stunden Ablenkung, die aber doch nicht gut genug funktioniert, dass man die Absurdität nicht währenddessen schon erkennt.
Dabei klingt die Grundidee bereits durchaus interessant. Zwei der besten Scharfschützen der Welt werden für ein Jahr zu einer streng geheimen Mission abkommandiert. Auf der westlichen Seite soll Levi Kane Wache an einer riesigen Schlucht halten. Auf der gegenüberliegenden Seite ist die litauische Drasa postiert. Was sich genau in der Schlucht befindet, über der ein dicker Nebel liegt, wissen sie nicht. Nur, dass sie dafür sorgen müssen, dass nichts herauskommt. Dafür ist die Schlucht mit Zäunen und Minen, Selbstschussanlagen und Bewegungsmeldern versehen. Der Kontakt zwischen den beiden Wachhabenden ist strengstens untersagt. Doch nach Monaten des Wartens beginnen Drasa und Kane, sich Nachrichten zukommen zu lassen und schließlich kommt es auch zu einem Treffen. Über allem schwebt das Geheimnis der Schlucht, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bewacht wird und in der – so munkeln die Wachen seit Jahren – das Tor zur Hölle liegt.
Es wäre zumindest etwas, das man in Verbindung mit der lange aufgebauten Liebesgeschichte nicht erwarten würde. Bis diejenige überhaupt erst relevant wird, erzeugt The Gorge eine durchaus unheimliche Atmosphäre. Abgeschirmt an einem unbekannten Ort, sieht sich Levi einer einsamen Mission gegenüber, ausgestattet mit veralteter Technik, ohne Kontakt zur Außenwelt oder genauen Informationen, mit was er es überhaupt zu tun hat. Dass die Schlucht mit allerlei automatisierten Verteidigungsanlagen versehen ist, unterstreicht noch die bedrohliche Stimmung, die sich jedoch schnell in Luft auflöst, wenn Levi, Drasa und das Publikum einen ersten Blick darauf erhaschen, womit sie es zu tun haben. Denn wenn sich die Verteidigungsanlagen mit dem ausgelegten Minenfeld bei Feindkontakt selbst zerstören, der Zaun buchstäblich in die Luft gesprengt wird und noch viel mehr Kreaturen aus der Schlucht zu kommen drohen, muss man sich doch fragen, wer sich eine solche Anlage überhaupt ausdenkt. Gleichermaßen sieht es mit der gesamten Ausgangslage aus: wenn man unter allen Umständen verhindern muss, dass Wesen aus der Schlucht in die Welt gelangen, wieso postiert man dann auf hunderten Metern, die die Schlucht lang ist, nur jeweils eine Wache pro Seite?
Nun denn, dass eine Geschichte keinen großen Sinn ergibt, muss dem Unterhaltungswert nicht grundsätzlich schaden. Unglücklich ist allerdings, dass sobald sich The Gorge dem Mystery-Aspekt widmet, die erzählerischen Schwächen nur größer werden. Selbst wenn Miles Teller und Anya Taylor-Joy genug Chemie entwickeln, dass die wenig ausgearbeitete Liebesgeschichte durchaus unterhält, irgendwann kommt er Punkt, an dem Regisseur Derrickson die Figuren (erwartungsgemäß) in die Schlucht begleitet. Was sie dort vorfinden, sei an der Stelle nicht verraten, außer dass es wirkt wie ein Mix aus Silent Hill [2006], Fluch der Karibik [2003] und der Mystery-Serie Lost [2004-2010], ohne deren Stärken wirklich verbinden zu können. Garniert wird dies mit einer klischeehaften Aussage um den privaten Militärsektor, dass man das Gefühl nicht los wird, Drehbuchautor Zach Dean (The Tomorrow War [2021], Fast & Furious 10 [2023]) hätte sich, gelinde gesagt, von allen möglichen anderen Geschichten inspirieren lassen, anstatt sich etwas Neues auszudenken.
Dass The Gorge zuvor bereits in den wenigsten Momenten so aussieht, als wäre das Geschehen tatsächlich irgendwo vor Ort gedreht worden, ehe sich Levi und Drasa in der Schlucht vor computergenerierten Hintergründen gegen computergenerierte Wesen zur Wehr setzen müssen, macht es nicht einfacher, mit ihnen mitzufiebern. Das Design mag dabei nicht schlecht sein, doch mit ständig wechselnden Farben, in die die Umgebung der Kluft getaucht wird (was man oberhalb im Nebel nicht gespiegelt sah), erscheint das derart künstlich, dass weitere Klischees oder hanebüchene Ideen schon keine Rolle mehr spielen. Sei es, dass bis zum Ende nicht deutlich wird, was die Wesen in der Schlucht überhaupt wollen, wenn sie Levi oder Drasa mit sich schleppen, oder dass den beiden Helden dankenswerter Weise sämtliche Informationen über diesen Ort zu genau im richtigen Zeitpunkt in die Hände fallen auf eine Art und Weise, wie man es bereits unzählige Male gesehen hat.
Hinzu kommt eine Nebenhandlung um einen Schurken bzw. eine Schurkin der Geschichte, die so aufgesetzt erscheint, wie sie am Ende unnötig ist und zur Geschichte nichts beiträgt. Gleichermaßen spielt Levis eingangs im Film erwähntes Trauma keine Rolle und dass Drasas Familienhintergrund vorgestellt wird, hat ebenfalls keine Auswirkungen. The Gorge gibt sich keine wirkliche Mühe, Figuren oder eine Geschichte aufzubauen, bei der zuvor eingestreute Informationen oder gezeigte Orte später nochmals eine Bedeutung entfalten. Aspekte wie der Zaun, die Minen oder sonst etwas, werden genau ein Mal wichtig und sind dann vergessen. Es ist ein Drehbuch, das schon beim ersten darüber nachdenken keinen großen Sinn ergibt und dessen Ideen im Verlauf nur hanebüchener ausfallen. Wäre es nicht um die grundsätzlich sympathische, kaum geforderte Besetzung oder die routinierte wenn auch künstliche Umsetzung, wäre dies nicht einmal mehr unterhaltsam. Enttäuschend ist es trotzdem.
Fazit:
So frisch sich die Idee auf den ersten Blick anhören mag, sämtliche Versatzstücke, die hier mitunter auch nur notdürftig neu zusammengestellt sind, hat man bereits gesehen. Meist sogar besser umgesetzt. Das Mystery-Element, das das erste Drittel der Geschichte prägt, kann nur so lange überzeugen, bis es tatsächlich erklärt wird. Dann kann es durchaus sein, dass Augenbrauen skeptisch angehoben werden, ungläubig in Anbetracht der Tatsache, dass die Verantwortlichen dies offenbar ernst meinen. Auch dies kann man als Stärke oder Schwäche sehen, denn Regisseur Scott Derrickson behandelt die absurde Story mit einer Ernsthaftigkeit, dass man über die vielen Klischees nur umso stärker stolpert. Die Liebesgeschichte ist zwar oberflächlich, aber zumindest von einer sympathischen Besetzung zum Leben erweckt. Nachdem The Gorge jedoch in die Schlucht abtaucht und man die ersten, durchaus interessanten Einfälle gesehen hat, weicht die anfängliche Neugier vor dieser unbekannten Welt der Ernüchterung, dass es auch hier wenig Neues zu entdecken gibt und das weder packend, noch überzeugend präsentiert ist. Als belang- und anspruchslose Unterhaltung eignet sich dies dank vieler routinierter Aspekte durchaus. Doch in Anbetracht der Beteiligten ist das letztlich zu wenig.