Strange World [2022]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 22. November 2022
Genre: Animation / Komödie / Fantasy

Originaltitel: Strange World
Laufzeit: 102 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Don Hall, Qui Nguyen
Musik: Henry Jackman
Stimmen: Jake Gyllenhaal, Dennis Quaid, Jaboukie Young-White, Gabrielle Union (Dennenesch Zoudé), Lucy Liu


Kurzinhalt:

25 Jahre ist es her, dass Searcher Clade (Jake Gyllenhaal) mit seinem Vater, dem Entdecker Jaeger Clade (Dennis Quaid), einen Weg aus dem von Bergen umgebenen Tal von Avalonia suchte. Als Searcher die elektrisierende Pflanze Pando entdeckte, brach er die Expedition ab. Er sah die Zukunft Avalonias in Pandos Potential. Jaeger ging auf sich allein gestellt weiter und kehrte nicht zurück. Dank Pando hat sich Avalonia seither schnell entwickelt, doch nun scheint die Pflanze, deren Wurzeln sich alle aus einer großen speisen, erkrankt zu sein. Darum startet Callisto Mal (Lucy Liu), die Präsidentin von Avalonia, eine Expedition, die Searcher als Pando-Experte begleiten soll. Die Forschungsmission führt sie tief unter die Oberfläche von Avalonia, mit Searchers Teenagersohn Ethan (Jaboukie Young-White) als blindem Passagier, und seiner Frau Meridian (Gabrielle Union / Dennenesch Zoudé) als unfreiwillige Begleitung. Unter der Oberfläche erwartet sie eine Welt ungeahnten Ausmaßes – und Searcher eine Reise in die Vergangenheit …


Kritik:
Der Animationsfilm Strange World der Walt Disney Studios (nicht Pixar) ist darum bemüht, ein großer Spaß zu sein, während er gleichzeitig eine wichtige Botschaft unterstreicht. So löblich beide Ansätze sind, wenn sie zusammen kommen, kann sich dies etwas zu bemüht anfühlen. Doch das ändert nichts daran, dass die Verantwortlichen hier ein ebenso fantasievolles wie treffendes und damit spaßiges Abenteuer für die ganze Familie präsentieren, das einem beinahe durchgehend ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Dabei nehmen die Regisseure Don Hall und Qui Nguyen ihre Inspiration der Art von Geschichte an und rahmen die Erzählung wie ein Abenteuercomic einer längst vergangenen Zeit ein. Selbst Schnitte und Szenenübergänge erinnern daran. Im Zentrum der Erzählung steht die Familie Clade, angeführt von Entdecker Jaeger, der es als seine Berufung sieht, die Berge, die seine Heimat Avalonia umgeben, und die nie jemand überwunden hat, zu durchqueren. Bei einer lange vorbereiteten Expedition begleitet ihn auch sein Sohn Searcher, doch sie trennen sich und während Jaeger seither verschollen ist, konnte Searcher mithilfe einer Elektrizität abgebenden Pflanze, die er Pando nennt, das Leben in Avalonia revolutionieren. 25 Jahre später hat es den Anschein, als wäre Pando von einer Krankheit befallen, die Grundlage für den Fortschritt und Wohlstand in Avalonia ist in Gefahr. Deshalb begibt sich Searcher widerwillig auf eine Mission, die Ursache für Pandos mysteriöse Krankheit zu finden. Dafür reist ein Trupp in eine abgelegene Höhle, in der sie eine Welt unter Avalonia vorfinden, von der nie jemand etwas gesehen oder nur geahnt hat.

Viel mehr über den Inhalt zu verraten würde an sich bedeuten, die Überraschungen bei Strange World vorweg zu nehmen, wobei selbst die Vorschau und das Plakat zum Film wenigstens verraten, dass Searcher bei der Mission auf seinen Vater trifft und ihn seine Familie, Frau Meridian nebst Teeanger-Sohn Ethan, bei der Mission begleitet. Beides mögen Klischees sein, doch sie unterstreichen den Familiencharakter des Abenteuers. Das erinnert von der Aufbruchstimmung her ein wenig an Pixars Oben [2009], was die Anleihen und die Inspiration des gesamten Looks anbelangt, durchaus auch an Sky Captain and the World of Tomorrow [2004]. Die Entdeckungsreise in die Welt unter Avalonia beschwört dagegen Vergleiche mit Jules Vernes Genreklassiker Reise zum Mittelpunkt der Erde [1864] herauf. Und doch gelingt es den Verantwortlichen, all dies zu etwas Frischem und Neuem zu verbinden. Die Unterwelt ist bunt, immens fantasievoll mit seltsamen, pflanzen- und tierähnlichen Wesen in sonderbaren Formen und Farben. Dies wirkt sonderbar, aber gleichermaßen vertraut organisch, auch dank der Umgebung, die buchstäblich mit weichen Oberflächen präsentiert wird. Das zu beobachten, darin einzutauchen, ist so erfrischend wie die Familie Clade, die vollkommen unaufgeregt die Lebenswirklichkeit widerspiegelt.

Sie erweckt mehrere Themen zum Leben. Sei es Entdeckervater Jaeger, der der Welt etwas hinterlassen möchte, etwas in der Ferne erreichen, das noch niemandem gelungen ist, und der dieses Ziel in Gefahr sieht, als sein Sohn, sein eigentliches Vermächtnis, nicht in seine Fußstapfen tritt. Oder Searcher, der stattdessen etwas erschaffen, aufbauen und forschen möchte, und der befürchtet, dass sein eigener Sohn seinem Vater nacheifern wird. Die Familienmomente zwischen Jaeger und Searcher sind ebenso gelungen wie die Unterhaltungen zwischen Ethan und seiner Mutter. Strange World beweist hier viel Feingefühl, ohne zu rührselig zu sein. Auch, dass Ethan etwas zugetraut wird, er nicht der Heranwachsende ist, der ständig ignoriert wird, nur damit er letztlich Recht behält, findet durchaus Gefallen.

Nichtsdestotrotz wird es vor allem ein älteres Publikum kaum überraschen, in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt, wobei die Auflösung direkter anspricht, worum es den Filmemachern inhaltlich geht, als man vermuten würde. Dass der Verlauf absehbar ist, ändert aber weder etwas daran, dass die Aussagen den Nagel auf den Kopf treffen, noch schmälern sie den Unterhaltungswert. Mag sein, dass die Figuren nicht in dem Maße ans Herz wachsen, wie dies bei anderen Animationsfilmen der Fall ist, doch ihr Abenteuer nimmt mit und vermag auch dank der ideenreich bunten Umsetzung zu überzeugen. Das ist bestes Familienkino – mit einem ermunternden Appell am Ende.


Fazit:
Gekleidet in das Gewand eines zum Leben erweckten Pulpromans, mit einer Geschichte im Stile von Fantasyklassikern, die seit über 100 Jahren immer noch begeistern können, erzählt Strange World vom Stolz, der Generationen prägt, und den es manchmal ebenso zu überwinden gilt, wie mitunter in Bezug auf die eigenen Ziele zu unterstreichen. Gleichzeitig finden die Filmemacher Don Hall und Qui Nguyen ein erstklassiges Bild für das Dilemma, in das wir Menschen unsere Existenz nicht auf, sondern mit dem Planeten Erde gebracht haben. Dass sie dem Publikum eine hoffnungsvolle Botschaft, wenn auch keine ganz unbeschwerte, mit auf den Weg geben, rundet das tolle Filmerlebnis nur ab. So neuartig die visuelle Ausrichtung und so augenzwinkernd manch humorvoller Moment, die Story selbst ist weniger überraschend und die Dialoge oft nicht so geschliffen, wie erhofft. Doch das fällt kaum ins Gewicht, wenn das Abenteuer insgesamt so unterhaltsam und unbeschwert präsentiert wird, wie hier. Für alle Altersklassen. Toll!