Spotlight [2015]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 28. Februar 2016
Genre: Drama / KrimiOriginaltitel: Spotlight
Laufzeit: 128 min.
Produktionsland: USA / Kanada
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: Tom McCarthy
Musik: Howard Shore
Darsteller: Mark Ruffalo, Michael Keaton, Rachel McAdams, Liev Schreiber, John Slattery, Brian d'Arcy James, Stanley Tucci, Doug Murray, Jamey Sheridan, Neal Huff, Billy Crudup
Kurzinhalt:
Als Marty Baron (Liev Schreiber) im Jahr 2001 zur renommierten Zeitung Boston Globe stößt, fällt ihm ein Artikel auf, der nicht weiterverfolgt wurde. Darin ging es um Kindesmissbrauch durch einen Priester. Er setzt das investigative Journalistenteam des Globe, "Spotlight", unter Walter Robinson (Michael Keaton) darauf an. Robinson, Sacha Pfeiffer (Rachel McAdams), Mike Rezendes (Mark Ruffalo) und Matt Carroll (Brian d'Arcy James) gehen der Spur nach und finden durch den Anwalt der Opfer, Mitchell Garabedian (Stanley Tucci) heraus, dass zumindest die Mitwisserschaft viel weitere Kreise, bis in die höchsten Instanzen der katholischen Kirche zieht. Doch je tiefer sie graben, umso mehr wird die Kirche auf die Nachforschungen aufmerksam – und umso unüberwindbarer werden die Hürden, die ihnen in den Weg gestellt werden ...
Kritik:
Auch wenn man die Berichte gelesen hat, die Untersuchungen verfolgt und die Opfer gehört hat, deren Geschichten sich überall auf der Welt gleichen und deren Martyrium vor Jahrzehnten ebenso grauenvoll war, wie heute, sieht man in Tom McCarthys Spotlight, welche Ausmaße der Kindesmissbrauch durch Geistliche hatte und immer noch hat, dann lässt einen das fassungslos und unvorstellbar wütend zurück. Dabei konzentriert sich das Drama mehr auf den Kampf der Journalisten, die Zustände öffentlich zu machen. Auch angesichts der Systematik der Vertuschung wird man sprachlos.
Der auf wahren Tatsachen basierende Film erzählt vom gleichnamigen Investigationsteam der Tageszeitung Boston Globe, das auf Anleitung ihres neuen Herausgebers Marty Baron die Kindesmissbrauchsvorwürfe gegen den Priester John Geoghan und die Mitwisserschaft des Erzbischofs von Boston, Kardinal Law, untersucht.
Fernab von vielen Filmen dieser Art, wird die Story von Spotlight nicht durch Treffen der Journalisten in finsteren Gassen zur Nachtzeit vorangetrieben, durch waghalsige Einbrüche oder Stunts des Teams. McCarthy schildert den wahren Fall mit einem Gespür für Szenen, die ihre Sogwirkung aus den Dialogen ziehen und daraus, was nicht ausgesprochen wird. Die komplexen Zusammenhänge mit mehr als einem Dutzend Beteiligten, werden verständlich aufgeschlüsselt, aber nicht unendlich wiederholt, so dass das Publikum aufmerksam bleiben muss.
Die Ermittlungen beginnen im Sommer 2001 und ziehen schnell Kreise, die selbst die schlimmsten Befürchtungen sprengen. Statt von einem pädophilen Priester erfahren die Journalisten mindestens von einem Dutzend weiteren und von mehr als 40 Fällen, in denen Anwälte außergerichtliche Vergleiche der Opfer mit der Diözese geschlossen und sich damit selbst die Taschen gefüllt haben. Keiner der Fälle wurde vor Gericht verhandelt oder ist aktenkundig. Spotlight porträtiert stellvertretend für die unzähligen Opfer einige wenige und lässt die Zuseher wie die Reporter durch ihre Worte miterleben, was sie durchlitten haben. Das ist schockierend, doch behält der Film seinen Schwerpunkt auf der journalistischen Arbeit, die im Vorfeld der Veröffentlichung stattfand.
Zu sehen, mit welchen Mitteln kirchliche und weltliche Instanzen zu verhindern suchten, dass die Wahrheit aufgedeckt wird, scheint wie der Stoff, aus dem Krimis sind. Die enge Verzahnung der westlichen Welt mit den geistlichen Strukturen schafft hier ein Klima, in dem die Täter nicht nur vor der Strafverfolgung geschützt, sondern auch die Opfern als isolierte Einzelfälle dargestellt werden.
Wir leben heute in einer Zeit, in der Nachrichten durch diejenigen gemacht werden, die die ersten sind. Die Schlagzeile von heute ist morgen uninteressant, der Wahrheitsgehalt muss nicht gegeben sein, wenn es die Auflage steigert. Die Qualität des investigativen Journalismus liegt darin, dass die Fakten geprüft und wieder geprüft werden. Dass für jede Behauptung zwei Belege vorliegen müssen und man eine Story nicht veröffentlichen kann, ehe nicht das ganze Ausmaß niet- und nagelfest abgebildet wird.
Spotlight zeigt, warum diese Art des Journalismus – die in diesem Fall mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde – so wichtig ist und dass ohne diese Reporter viele der Verantwortlichen heute noch nicht ausgemacht wären. Ihre Arbeit hier hautnah miterleben zu dürfen, ist zermürbend, aber wichtig. 15 Jahre später scheint es, als bräuchten wir jetzt erst recht viele mehr wie sie.
Fazit:
Es spielt keine Rolle, ob man sich Mark Ruffalo, Michael Keaton, Rachel McAdams, Liev Schreiber, John Slattery, Brian d'Arcy James oder Stanley Tucci aus dem fantastischen Cast ansieht, es ist spürbar, wie sehr sie hinter dem Projekt stehen. Ruffalos Gestik und Mimik gehören zum Besten, was der Darsteller bislang gezeigt hat und Liev Schreibers besonnenes, ruhiges Auftreten ist schlicht großartig. Sieht man ihre Gesichter, ihre Betroffenheit, dann sieht man nicht die Schauspieler, sondern die Figur dahinter.
Regisseur Tom McCarthy fordert seinen Darstellern viel ab und angesichts der akribischen Offenlegung des Umfangs der Missbrauchsfälle auch seinem Publikum. Er tut dies, ohne emotionale Abkürzungen zu nehmen, es gelingt ihm vielmehr auf Grund der bloßen Schilderungen und den exzellenten Szenenaufbau. Spotlight ist ein wichtiger, sehenswerter Film. Ein ruhiges, inhaltlich aufwühlendes Drama. Eines der besten des Kinojahres und eine Aufforderung, diese offene Ungerechtigkeit nicht weiter hinzunehmen, sondern zu handeln. Das geschieht auch heute noch viel zu selten. Jedes einzelne Opfer ist eines zu viel.