Spider-Man: Across the Spider-Verse [2023]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 31. Mai 2023
Genre: Animation / ActionOriginaltitel: Spider-Man: Across the Spider-Verse
Laufzeit: 140 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Joaquim Dos Santos, Kemp Powers, Justin K. Thompson
Musik: Daniel Pemberton
Stimmen: Shameik Moore, Hailee Steinfeld, Brian Tyree Henry, Luna Lauren Vélez, Jake Johnson, Jason Schwartzman, Issa Rae, Karan Soni, Daniel Kaluuya, Oscar Isaac, Greta Lee, Rachel Dratch, Jorma Taccone, Shea Whigham, Andy Samberg
Kurzinhalt:
Seit etwas mehr als einem Jahr schwingt der 15jährige Miles Morales (Shameik Moore) inzwischen als Spider-Man durch die Straßenschluchten seines Universums, um Schurken das Handwerk zu legen. Sein Vater (Brian Tyree Henry) und seine Mutter (Luna Lauren Vélez) wissen von Miles’ zweiter Identität nichts. An die Zeit mit Gwen Stacy (Hailee Steinfeld) und den übrigen Spider-Men aus verschiedenen Universen, mit denen er damals den Riss im Multiversum behob, denkt er oft, hat es aber derzeit mit einem neuen Bösewicht zu tun. Spot (Jason Schwartzman) kann durch das Multiversum reisen und behauptet, Miles habe ihn erschaffen. Dann steht plötzlich Gwen vor ihm. Sie ist inzwischen Teil einer Gesellschaft aus Spider-Man-Inkarnationen unterschiedlicher Universen, die Miguel O’Hara (Oscar Isaac) versammelt hat, um Schurken zu fassen, die in Universen auftauchen, in die sie nicht gehören. Als Miles Gwen folgt, ahnt er nicht, dass alle Fäden bei ihm selbst zusammenlaufen – und er dem Schicksal eines jeden Spider-Man nicht entkommen kann …
Kritik:
Auch unterhalb der kaum vorstellbar kreativ detailreichen Oberfläche ist Spider-Man: Across the Spider-Verse der interessanteste Superheldenfilm seit langem. Das nicht nur, weil er sich auch eben so anfühlt, wie ein zu filmischem Leben erwecktes Comic, sondern weil die Story bedeutend mehr Ebenen offenbart, als auf den ersten Blick ersichtlich. Diese zu entdecken, ist in Anbetracht der geradezu überwältigenden Präsentation jedoch nicht ganz einfach, da die Actionszenen so viel Raum einnehmen, dass die restliche Story beinahe dazwischen untergeht.
Die Geschichte setzt ein Jahr und vier Monate nach den Geschehnissen in Spider-Man: A New Universe [2018] an. Miles Morales hat seine Aufgabe als Spider-Man seines Universums angenommen und es gelingt ihm inzwischen, der Verantwortung gerecht zu werden. Aber nicht nur, dass er seine Eltern nicht in sein Geheimnis einweihen kann, er vermisst Gwen Stacy, die nach ihrem gemeinsam Kampf mit den übrigen Spider-Men in ihr Universum zurückgekehrt ist, aus dem sie gekommen war. Sie ist es auch, die die Geschichte in Across the Spider-Verse erzählt und ihr Prolog allein ist nicht nur eine tolle, eigenständige Geschichte, sondern hinsichtlich der verwendeten Stilmittel ein Kunstwerk für sich. Wie Miles, muss sie ihre geheime Identität vor ihrem Vater verbergen, der der Überzeugung ist, Gwen sei für den Tod Spider-Mans in ihrem Universum verantwortlich. Als der Superschurke Vulture eines wieder anderen Universums in ihres einfällt, trifft Gwen auf Miguel O’Hara, der ein Team gegründet hat, das Schurken aufspürt, die im Multiversum ihr Unwesen treiben, um sie in ihr eigenes Universum zurück zu bringen. Das zunehmend ausufernde Chaos, das im Multiversum angerichtet wird, führt zurück zu Miles Morales, der bei den Geschehnissen des ersten Films zur falschen Zeit am falschen Ort war und damit eine Lawine lostrat, die das gesamte Multiversum bedroht.
Das klingt alles kryptisch und ist doch mehr Erklärung, als Spider-Man: Across the Spider-Verse selbst in der ersten Stunde präsentiert. Die Verantwortlichen nehmen sich darin viel Zeit, zuerst Gwen und anschließend Miles vorzustellen, die an vollkommen unterschiedlichen und doch sehr vergleichbaren Punkten in ihren Leben angekommen sind. Miles bekommt es mit einem Schurken zu tun, den er selbst ins Leben gerufen hat, und der lediglich Spot genannt wird. Er besitzt die Fähigkeit, durch Dimensionen zu reisen und sieht Miles als seinen Erzfeind. Doch so interessant seine Figur und so eng verwoben sie mit Miles ist, das Drehbuch verliert sie für weit mehr als die Hälfte des Films vollständig aus den Augen. Sie wird vermutlich ein zentraler Antagonist des dritten Teils der Reihe werden, denn Across the Spider-Verse erzählt nur die erste Hälfte der Geschichte und endet gleich auf mehreren Erzählebenen mit Cliffhangern. Ob die Story selbst unbedingt auf zwei Filme aufgeteilt werden muss, gilt es, abzuwarten. Hier hat es jedenfalls den Eindruck, als würde sich der Film für einen Aspekt mehr Zeit nehmen, als notwendig wäre – oder als ihm guttut.
Denn während die verschiedenen Erden der unterschiedlichen Universen, die vorgestellt werden, bereits für sich genommen für Kopfschmerzen bei demjenigen Teil des Publikums sorgen werden, das versucht, nicht nur den Sinn hinter all dem zu erkennen, sondern die Wege der Figuren gar nachzuvollziehen, geraten die Actionszenen teilweise derart lange und umfangreich, dass einem buchstäblich schwindelig werden könnte. Da nicht nur ein Spider-Man, sondern gleich mehrere Teil der Story sind, spielt sich beinahe jeder Spannungshöhepunkt im Flug ab, denn Spider-Man hangelt sich bekanntlich zwischen den Wolkenkratzern ans Ziel. In der Regel beobachtet man somit die Figuren in Across the Spider-Verse, wie sie minutenlang durch teils abstrakt gezeichnete Szenerien fliegen und sich dabei bekämpfen. Das ist beim ersten Mal eindrucksvoll, nach einer gewissen Zeit aber vor allem eine Wiederholung bereits gezeigter Action und langgezogen obendrein.
Bedauerlich ist das auch deshalb, da die Story selbst mit Miles nicht nur überraschende Wege geht, sondern erstaunlich hintergründig ist. Sowohl in Bezug auf die Verknüpfungen, die Across the Spider-Verse zu anderen Inkarnationen der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft herstellt, wie auch in Bezug auf die zahlreichen Figuren an sich. Diese überaus gelungenen Momente, zu denen auch eine Ansprache von Miles’ Mutter Rio zählt, die erkennt, dass ihr Sohn erwachsen wird, werden durch die vielen Actionszenen lange unterbrochen, was einen episodenhaften Charakter zur Folge hat. Nimmt man die einzelnen Abschnitte für sich, gibt es darin eine kaum vorstellbare Fülle an Details zu erkennen, auch jenseits der kleinen Einblendungen an den Bildrändern, die manche Orte, Figuren oder Begriffe wie ein Glossar erläutern. Sie wirklich aufzunehmen, gelingt dabei kaum, da sie zu schnell wieder verschwinden und die optische Reizüberflutung kaum ein Ende nimmt. Für Fans der Figur wie auch des Comic-Ursprungs ist das sicher ein Fest. Allen anderen sei empfohlen, sich auf die Achterbahnfahrt schlichtweg einzulassen, ohne groß darüber nachzudenken. Es ist ein Abenteuer, das letztlich emotionaler gerät, als man vermuten würde und dessen Präsentation nicht nur nachwirkt, sondern das Animationsgenre mehr noch als nach dem ersten Film prägen wird.
Fazit:
So gelungen die englischsprachige Besetzung und so fantastisch die musikalische Untermalung, es ist die Optik, die sich kaum beschreiben lässt. Die Verantwortlichen stoßen in ihrer in vielen Universen erzählten Story die Tür zum Titel gebenden Spider-Verse auf. Was sich dahinter verbirgt, ist ein Kaleidoskop an Eindrücken, das gefühlt eine kaum zählbare Anzahl von Stilrichtungen umfasst, die allesamt überragend zum Leben erweckt sind. Jede einzelne Szenerie, seien es die stark farblich geprägten Momente zwischen Gwen und ihrem Vater, oder einzelne Figuren, die stilistisch vollkommen aus dem Bild gefallen scheinen, sprüht über vor Kreativität und Detailreichtum. Die Farbpalette allein scheint umfangreicher, als alles, was man sonst auf der großen Leinwand präsentiert bekommt. So überwältigend dies ist und so mitreißend die Actionmomente umgesetzt sind, sie sind nicht nur langgezogen, sondern wenig abwechslungsreich, ungeachtet der inhaltlichen Anleihen innerhalb der Spider-Man-Filme. Die Story hingegen wird auf mehreren Ebenen erzählt und trifft nicht nur tolle Aussagen zu der Bürde, die Spider-Man als Heldenfigur abverlangt wird, sondern spricht nicht nur jungen Menschen, die aus ihrem scheinbar vorgegebenen Pfad ausbrechen wollen, aus der Seele. Das ist nicht nur inspirierend. Spider-Man: Across the Spider-Verse ist der Superheldenfilm, der seiner Figur vielleicht am treusten bleibt und sie doch vielschichtiger porträtiert, als augenscheinlich der Fall. Herausragend umgesetzt, bleibt die Auflösung abzuwarten, ob die Story dem auch gerecht wird. Auch deshalb eignet sich das nicht unbedingt für ein großes Publikum.