Sisu [2022]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. April 2023
Genre: Action / Kriegsfilm

Originaltitel: Sisu
Laufzeit: 91 min.
Produktionsland: Finnland
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 18 Jahren

Regie: Jalmari Helander
Musik: Juri Seppä, Tuomas Wäinölä
Besetzung: Jorma Tommila, Aksel Hennie, Jack Doolan, Mimosa Willamo, Onni Tommila, Arttu Kapulainen, Tatu Sinisalo, Vincent Willestrand, Miia Heikkinen


Kurzinhalt:

Im Jahr 1944 hat sich der Winterkriegsveteran Aatami Korpi (Jorma Tommila) in die Wildnis Lapplands zurückgezogen, wo er nach Gold sucht. Seine Ausdauer wird belohnt, als er auf eine Goldader stößt. Mit einer beträchtlichen Menge des Edelmetalls im Gepäck, macht er sich auf den Rückweg, als er auf eine Einheit SS-Soldaten stößt. Ein liegengebliebener Wagen hält Korpi an und entdeckt das Gold. Als sie es ihm abnehmen und ihn töten wollen, zieht der Veteran alle Register und nimmt den Kampf mit der gesamten Kompanie um SS-Obersturmführer Helldorf (Aksel Hennie) samt seinem Panzer auf. Was sie nicht ahnen, Korpi ist als unnachgiebige Ein-Mann-Armee berüchtigt. Die sowjetischen Soldaten hatten für ihn einen eigenen Namen im Winterkrieg – „Der Unsterbliche“ …


Kritik:
Jalmari Helanders Sisu belegt, wenn nichts anderes, dann in jedem Fall, dass an Erwachsene gerichtete, harte Actionfilme auch aus Europa stammen können. Die Geschichte ist so simpel wie geradlinig, die Umsetzung so solide wie kompromisslos. Dabei wirkt die wortkarge Hauptfigur, um die sich Legenden ranken, als entstamme sie einem Comic. So überzogen, mit welcher Widerstandskraft sie hier permanent einstecken muss und mit welcher Brutalität sie austeilt. Das muss nicht schlecht sein.

Spät im Jahr 1944 tobt der Lapplandkrieg. Finnland hat mit der Sowjetunion ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen und sich verpflichtet, die deutsche Wehrmacht aus dem Land zu vertreiben. An den Kämpfen beteiligt sich der Einzelgänger Aatami Korpi jedoch nicht. Zwar sieht er das Kampfgeschehen näherrücken, doch er bleibt in der Abgeschiedenheit der Natur und sucht nach Gold. Dass er selbst mehr als genug Gewalt gesehen hat, davon zeugen die unzähligen Narben, mit denen sein Körper übersät ist. Sein Name ist bei den Menschen bekannt und er selbst gefürchtet. Selbst, als er mit seinem Hund und seinem Pferd auf eine Kompanie Nazi-Soldaten trifft, die verbrannte Erde hinterlassen, würde er sich nur um seine Belange kümmern, doch eine liegengebliebene Einheit entdeckt Korpis Goldfund und will ihn samt seinem Hund töten. Also greift Korpi, ehemaliger Elitesoldat und Ein-Mann-Armee, zu jeder nur erdenklichen Waffe und nimmt zuerst mit der Einheit und wenig später mit der ganzen Kompanie den Kampf auf.

Worauf sie sich eingelassen haben, ahnen die Soldaten anfangs nicht. Als der Anführer der Einheit, SS-Obersturmführer Helldorf, über Funk Informationen zu dem Mann erhält, der „Der Unsterbliche“ genannt wird, entscheidet er sich dennoch, ihm nachzujagen. Um des Goldes willen, denn dass eine Niederlage Deutschlands näherrückt, ist ein offenes Geheimnis. Mitgefühl mit der Korpi merklich unterlegenen Einheit hat man jedoch verständlicherweise nicht. Im Gegenteil, sieht man die gesichts- wie namenlosen Nazi-Soldaten, die ein halbes Dutzend Frauen gefangen genommen haben und sie offenbar missbrauchen, wie sie von einem personifizierten Todeskommando heimgesucht werden, oder in ihrem eigenen Minenfeld ihr Ende finden, dann mag man beinahe von archaischer Gerechtigkeit sprechen. Sisu weiß sehr genau, wer hier die Schurken sind und stellt einem immens brutal mordenden Soldaten in der Nazi-Einheit das Ebenbild der menschlichen Abscheulichkeit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegenüber. Was immer Korpi den Männern antut, das Publikum wird mehr Verständnis für ihn als für seine Gegner haben. Hinzu kommt, dass Korpi im ganzen Film gerade einmal drei Sätze sagt, er seine Gegner also nicht verhöhnt, wie es die Nazis mit ihren Opfern tun. Er ist effizient, nicht grausam.

Das ändert jedoch letztlich nichts daran, dass Sisu eine Aneinanderreihung immens gewalttätiger Actionszenen ist. Nicht einfacher wird das durch die zahlreichen Zeitlupenaufnahmen, in denen Korpi heldenhaft stilisiert und die Gewalt geradezu verherrlicht wird. Die Geschichte bleibt dabei mehr als nur spärlich und der Hintergrund der Hauptfigur beschränkt sich auf Schilderungen, die geballt in wenigen Szenen präsentiert werden. Statt auf den Inhalt verlässt sich Filmemacher Jalmari Helander auf die Präsentation, die auch durchweg überzeugen kann. Angefangen von einer gelungenen Ausstattung bis hin zu den packend umgesetzten Kampfszenen, die spürbar handgemacht sind. Dass ausgerechnet das Finale hier einen anderen Weg geht, ist ein wenig bedauerlich, selbst wenn in manchen Momenten Einstellungen nicht ganz zusammenpassen wollen oder Übergänge zu fehlen scheinen.

Die Bilderauswahl selbst ist durchweg eindrucksvoll, die Landschaft so karg wie schön. Doch gerade die Entscheidung, Korpi als Figur in dieser Form in Szene zu setzen, bedeutungsschwangere Bilder langgezogen zu präsentieren und den mit Abspann gerade einmal eineinhalb Stunden dauernden Film in insgesamt sieben (!) Kapitel zu unterteilen, unterstreicht, wie sicher sich die Verantwortlichen hinsichtlich der Wirkung ihres Werkes wähnen. Das Ergebnis scheint in manchen Augenblicken mehr gewollt, denn erreicht und die Legende um Korpi, dessen Name in ganz Europa scheinbar bekannt ist, zusammen mit seinem Hund wie eine Variation von John Wick [2014]. Das muss jedoch kein wirklicher Kritikpunkt sein und wer bei Sisu auf ein Actionfeuerwerk ohne Nachdenken hofft, bekommt genau das.


Fazit:
Der Begriff „Sisu“ lässt sich nicht direkt übersetzen, wofür er jedoch steht, wird an dem unbeugsamen und aus schierer Willenskraft unbezwingbaren Aatami Korpi deutlich, der in gewisser Weise John Wicks Großvater sein könnte. Regisseur Jalmari Helander ist sich ein wenig zu sicher, was die Wirkung und den Coolness-Faktor seiner Geschichte anbelangt, die spürbar auf dem Charisma der Hauptfigur basieren. Selbst die pompöse Musik zeugt davon. Dass dies nicht ernst gemeint ist, sieht man nicht zuletzt daran, dass keine noch so geartete Verletzung Korpi aufzuhalten oder auch nur zu verlangsamen vermag. Doch macht das die Gewalt nicht weniger grafisch und den Spaß, den der Film dabei hat, die Schurken abzumassakrieren, nicht weniger problematisch. Für die Laufzeit ist es insoweit auch ein wenig viel, doch dank der handgemachten, mitreißend umgesetzten Actionszenen und der handwerklich tadellosen Umsetzung mit teils erstklassigen Bildern und Perspektiven, ist Sisu für ein erwachsenes Publikum in der richtigen Stimmung durchweg unterhaltsam. Nachdenken sollte man darüber freilich nicht.