Scream 6 [2023]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 8. März 2023
Genre: Horror / Thriller

Originaltitel: Scream VI
Laufzeit: 123 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett
Musik: Sven Faulconer, Brian Tyler
Besetzung: Melissa Barrera, Courteney Cox, Jasmin Savoy Brown, Mason Gooding, Jenna Ortega, Dermot Mulroney, Liana Liberato, Jack Champion, Henry Czerny, Devyn Nekoda, Tony Revolori, Josh Segarra, Roger L. Jackson (Stimme)


Kurzinhalt:

Nachdem Sam (Melissa Barrera) mit ihrer Schwester Tara (Jenna Ortega) den Morden in der Kleinstadt Woodsboro entkommen ist, versuchen sie in New York einen Neuanfang. Tara studiert, Sams Ziel ist es, ihre kleine Schwester zu beschützen. Ihnen in die Metropole gefolgt sind Mindy (Jasmin Savoy Brown) und Chad (Mason Gooding), die im Gegensatz zu Sam ebenfalls nach vorn blicken. Als kurz vor Halloween grausame Morde New York heimsuchen, wendet sich Sam an den Vater ihrer Zimmergenossin Quinn (Liana Liberato), den Polizist Bailey (Dermot Mulroney). Er bekommt den Fall übertragen, steht jedoch vor einem Rätsel. Auch Mitbewohner Ethan (Jack Champion) fürchtet, in das Visier eines Killers zu geraten, der mit einem Hang für Details seine Taten mit denjenigen der ursprünglichen Ghostface-Morde in Woodsboro verknüpft. Dabei scheint es in der Großstadt neue Regeln zu geben – und so wie eine jede und ein jeder Täterin bzw. Täter sein könnte, könnten sie auch das nächste Opfer sein …


Kritik:
Nach einem einfallsreichen Auftakt, einem routinierten ersten sowie einem immens starken zweiten Akt gibt sich Scream 6 beim Finale derart Mühe, die Reihe hinsichtlich der gezeigten Grausamkeiten und der verschachtelten Erklärungen zu übertrumpfen, dass es beinahe schade ist. Dabei gelingt es den Regisseuren Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett erstaunlich gut, die klaustrophobische Ausgangsidee eines in der Kleinstadt angesiedelten Slasherfilms in die Großstadt zu übertragen.

Bereits der überraschend lange Auftakt macht dabei deutlich, dass Scream 6 mit den viel beschworenen „Regeln“ der Reihe bricht. Einmal mehr wird eine junge Frau angerufen und in ein Gespräch verwickelt. Wohin das führt, ist wenig überraschend, wohl aber, was danach geschieht. Die grausamen Morde alarmieren Sam und Tara Carpenter, Überlebende des letzten Woodsboro-Massakers, bei dem Sam die Angreifenden töten konnte. Doch ihr ursprünglicher Ruf als Heldin hat sich ins Gegenteil verkehrt, Verschwörungstheorien im Internet bezichtigen sie, mitverantwortlich für die Mordserie zu sein. Während ihre Schwester Tara in New York studiert, hält sich Samantha mit mehreren Jobs über Wasser, um in ihrer Nähe zu bleiben. Schnell ist klar, dass erneut ein Ghostface-Killer mit der ikonischen Maske unterwegs ist. Diesmal aber nicht in einer beengten Kleinstadt, sondern dem Big Apple. Was folgt, dürfte diejenigen, die mit der Reihe vertraut sind, nicht wirklich überraschen, wobei früh deutlich wird, dass der gesteigerte Gewaltgrad aus Scream [2022] auch den Sprung in den sechsten Film geschafft hat.

Das Ergebnis sind Sequenzen, in denen die Opfer nicht einfach nur getötet werden – sie werden grausam dahingemetzelt. In einigen Momenten ist das schlicht derart brutal, dass die unterhaltsame Leichtigkeit der frühen Filme völlig abhanden kommt. Da meistens absehbar ist, dass die Opfer dem Killer ohnehin nicht entkommen werden, macht es überdies keinen großen Sinn, mit ihnen mitzufiebern. So wohnt man den blutigen Angriffen lediglich bei, im Vorfeld sind sie sogar gelungen aufgebaut, packend sind sie aber nur selten. Das mag auch daran liegen, dass Bettinelli-Olpin und Gillett zwar tolle Perspektiven und eine rundum stimmige Optik finden, beispielsweise beim Angriff im Kiosk, einfallsreich sind die Bilder aber nur manchmal.

Das klingt negativer, als es gemeint ist, denn nicht nur ist die Ausgangsidee bei Scream 6 interessant, die Ausgangslage kurz vor Halloween in New York bietet viel Potential für einfallsreiche Momente. Auch das den Killer umgebende Mysterium, seine Motivation und sein großer Plan, sind mehr als gelungen. Hinzu kommen wieder viele Anspielungen, unter anderem an Sidney Prescott, Hauptfigur der ersten Filme, die hier zwar nicht auftaucht, aber mit einem schönen Nebensatz erwähnt wird. Erneut mit dabei ist Reporterin Gale, die jedoch nur einen kleinen Auftritt hat. Im Zentrum stehen vier Figuren des letzten Scream-Films, die nun die Fackel weitertragen. Dem sind sie auch mühelos gewachsen, zumal Sam eine erfrischend düstere Seite zeigen darf. Nach ihren Erlebnissen des letzten Films befindet sie sich in psychiatrischer Behandlung. Nicht jedoch, weil sie das Trauma nicht loslassen würde, sondern weil sie in Anbetracht der Tatsache, dass es sich für sie gut angefühlt hat, den damaligen Killer umzubringen, fürchtet, ihrem serienmordenden Vater nachzukommen. Alle Überlebenden des damaligen Massakers haben sichtbare und unsichtbare Narben davongetragen. Dies zu erörtern, Teil der Figuren werden zu lassen, ist eine gute Idee. Ebenso, dass das Drehbuch eingangs einen Blick in die Psyche eines solch geisteskranken Killers wirft.

Umso bedauerlicher, dass die meisten dieser Ansätze von wenigen kreativen Entscheidungen überlagert werden. Zum einen der Tatsache, dass nach den Entwicklungen im Mittelteil das Ende mit immens langen Erklärungen aufwartet, was es mit diesem Ghostface-Killer auf sich hat, zum anderen, dass die Gewalt teilweise derart ausufernd zelebriert wird, dass die Ansätze der gruseligen Horrorunterhaltung, die Wes Craven mit einem Augenzwinkern präsentierte, hier gänzlich in den Hintergrund treten. Scream 6 ist ein Horror-Thriller durch und durch. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, Vieles hieran ist gelungen. Mit weniger grausamen Momenten wäre er dies in jeder Hinsicht gleichermaßen – nur zugänglicher.


Fazit:
Bedenken, ob sich die Grundidee von den Serienmorden in einer idyllischen Kleinstadt in die Straßen New Yorks verlegen lässt, sind unbegründet. Die Regisseure Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett modernisieren die Grundlagen des Horrorgenres weiter und zahlen gleichzeitig Tribut an die Wegbereiter dieser Entwicklung. Doch mit unnötigen Szenen wie der erneuten Erklärung der geänderten Regeln, nun bezogen auf ein Franchise, überreizt das Drehbuch die Hommage. Dass die an sich cleveren Helden es nicht schaffen, in einer Großstadt schlicht die Polizei zu Hilfe zu rufen, verstehe zudem wer will. Hier hätten sich rückblickend Lösungen finden lassen, weshalb Cleverness allein nicht ausreicht. All dies tritt in manchen Abschnitten in den Hintergrund, in denen Scream 6 die Spannungsschraube spürbar anzieht und einige der ausgefeiltesten Horror-Momente der Reihe für Gänsehaut sorgen lässt, passend zu Halloween, das hier gefeiert wird. Dennoch wiederholt sich der Spannungsaufbau mitunter spürbar und das Finale mit den vielen Erklärungen tritt die Grundidee nur breit. Auch auf Grund der gezeigten Brutalität fehlt die Leichtigkeit und der Unterhaltungswert verfliegt samt dem Spaß am Horror selbst. Das ist trotz der handwerklichen Finesse durchaus schade.