Running Scared - Renn oder stirb [2006]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 28. Dezember 2008
Genre: Thriller / Action

Originaltitel: Running Scared
Laufzeit: 122 min.
Produktionsland: Deutschland / USA
Produktionsjahr: 2006
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Wayne Kramer
Musik: Mark Isham
Darsteller: Paul Walker, Cameron Bright, Vera Farmiga, Chazz Palminteri, Karel Roden, Johnny Messner, Ivana Milicevic, Alex Neuberger, Michael Cudlitz, Bruce Altman, Elizabeth Mitchell, Arthur J. Nascarella, John Noble


Kurzinhalt:
An sich ist Joey Gazelles (Paul Walker) Aufgabe ganz einfach. Nach einem geplatzten Drogendeal des Gangsters Tommy Perello (Johnny Messner) soll er wie sonst auch die Waffe verschwinden lassen. Diesmal ist es besonders wichtig, da ein korrupter Cop aus Detective Rydells (Chazz Palminteri) korruptem Team dabei erschossen wurde. Doch Joeys Sohn Nicky (Alex Neuberger) und dessen Freund Oleg (Cameron Bright) beobachten ihn, wie er die Waffe im Keller versteckt.
Als Olegs Stiefvater Anzor (Karel Roden) im Rausch erneut Oleg und seine Mutter schlägt, stiehlt der Junge die Waffe und richtet sie gegen seinen Stiefvater. Das lockt die Polizei an und Oleg flüchtet mit der Waffe. So beginnt für Joey und seine Frau Teresa (Vera Farmiga) eine lange Nacht, denn nicht nur Joeys Gang hat Wind bekommen, dass die Waffe abhanden gekommen ist – auch Rydell weiß davon und will von den Gangstern Geld erpressen, oder sie ans Messer liefern. Aber alles steht und fällt mit der Waffe, die Joey unbedingt wiederfinden muss ...


Kritik:
Bereits die ersten 10 Minuten von Running Scared machen klar: wer Schwierigkeiten mit dem berühmten F-Wort hat, der sollte sich besser daran gewöhnen (denn es fällt insgesamt mehr als 300 Mal), schwer Probleme mit überzeichneten Gewaltszenen in Filmen hat, sollte sich auch daran besser gewöhnen, denn derer gibt es einige. Und wer mit einer verschobenen, rasanten aber nicht hektischen handwerklichen Umsetzung im Stile von Musikvideos nichts anfangen kann, der sollte sich lieber einen anderen Film ansehen.
Dass im Falle dieses Mafia-Thrillers trotzdem funktioniert liegt einerseits daran, dass es handwerklich trotz der Spielereien, Zeitlupen, Falschfarben, schnellen Schnittfolgen und außergewöhnlicher Blickwinkel erstklassig umgesetzt ist, und dass das Drehbuch trotz der offensichtlich konstruierten Geschichte vor allem durch die kleinen Geschichten nebenbei überzeugt. In kaum einem Film dieser Art bekamen die Nebendarsteller so viel zu tun und so wichtige Szenen zu geschrieben, wie in dieser kleinen Produktion.

Das Skript stammt dabei von Regisseur Wayne Kramer selbst, der für die Hauptrolle Thomas Jane vorgesehen hatte, sich nach dessen Absage auf Grund von Terminproblemen aber mit einem anderen Akteur zufrieden geben musste.
Er strickt seine Geschichte rund um die entwendete Waffe, und baut auch alle anderen Storyelemente und Nebenhandlungen darauf auf. Das mag zwar im ersten Moment weit hergeholt erscheinen und man fragt sich zurecht, ob solche Sequenzen wie die um den von einem undurchsichtigen Ehepaar entführten Oleg wirklich notwendig sind. Doch es gibt jeder noch so nebensächlich scheinenden Szene eine Daseinsberechtigung, wenn sie im großen Gefüge um die kompromittierende Pistole eingeführt wird. Die Dialoge sind dabei glaubwürdig genug und mit einem unterschwelligen Humor versehen, wie man ihn in dieser Art Film häufiger findet, so dass selbst die sehr, sehr bösen Gauner einem trotz ihres durchgedrehten Charakters keine wirkliche Angst einjagen. Running Scared spielt mit den Konventionen und Klischees des Genres, ohne sich dabei aber selbst nicht ernst genug zu nehmen. So wird die Geschichte insbesondere aus Sicht von Joeys Frau sehr ernst erzählt, aber nicht mit einem unerbittlichen Realismus, dass einem anhand der gezeigten Bilder übel werden müsste.
Die Wendungen, die die Story dabei nimmt, sind nicht immer wirklich nachzuvollziehen, stellenweise hat es gar den Anschein, als hätte Regisseur und Autor Kramer nach Gründen gesucht, wie er seine Figuren an eben jene Orte bringen kann, in denen er sie in der nächsten Szene haben wollte, und die jetzige lediglich einen Übergang hierfür darstellt. Und doch bleibt es auf Grund des enormen Tempos, mit dem die Hetzjagd erzählt wird, stets unterhaltsam – wer sich Zeit nimmt, die Schwächen der Geschichte auszuloten, hat mit Sicherheit schon wieder ein paar visuelle Besonderheiten verpasst, mit denen der Film gespickt ist.

Die sind es auch, die an Running Scared, dem dritten abendfüllenden Spielfilm von The Cooler - Alles auf Liebe [2003]-Regisseur Wayne Kramer am meisten interessieren. Rasante Kamerafahrten, ungewöhnliche Einstellungen, Zeitlupen, Zeitraffer, Rück- und Vorspulen im Film, alternative Blickwinkel, Falschfarben – die Liste der Tricks, mit denen der Regisseur den Thriller erzählt ist sehr lang und so ungewöhnliche wie verblüffend zu Beginn, so gekonnt und atemberaubend im Film selbst eingesetzt.
Insbesondere das Finale, das mit einigen sehr ausgefallenen Ideen aufwartet, wird erst durch die Falschfarben im Schwarzlicht trotz des Gewaltgrads erträglich. Und auch die gezeigte Schießerei zu Beginn wäre ohne den künstlerischen Kniff sicherlich schwieriger zu verarbeiten gewesen. Für Jugendliche ist der Film dennoch nicht geeignet und wie die FSK auf die Idee kommen kann, Running Scared ab 16 Jahren freizugeben, ist ein Rätsel.
Dass der Einstieg in die konsequent umgesetzte Stilrichtung nicht einfach ist, sei unbestritten. Doch wer sich darauf einlässt, bekommt einen rasanten Thriller serviert, der ebenso "Joey rennt" hätte heißen können.

Angeführt von einem überraschend menschlichen und vielschichtigen Paul Walker, der damit einige seiner letzten Fehltritte wie 2 Fast 2 Furious oder Timeline [beide 2003] wieder gut machen kann, überzeugt auch der restliche Cast, der bis in die Nebenrollen gut besetzt ist. Während Walker von Anfang an den gehetzten und zwielichtigen Helden mimt, entwickelt sich Vera Farmigas Charakter erstaunlich viel innerhalb der knapp zwei Stunden.
Für Überraschungen sorgt der unterkühlt wirkende Cameron Bright immer wieder, der auch hier erstklassig spielt, während Alex Neuberger genau entgegengesetzt agieren darf. Beide machen ihre Sache gut, ebenso wie Chazz Palimenteri, dem die Rolle des korrupten Polizisten auf den Leib geschrieben scheint.
Johnny Messner, Ivana Milicevic und Michael Cudlitz unterstützen die übrigen Akteure gekonnt, während selbst Nebendarsteller wie John Noble und Arthur J. Nascarella jeweils mindestens eine Szene zugeschrieben bekommen, in denen sie ihr Potential ausleben können.
Unerwartet ist die Darbietung von Karel Roden, der zwar in einer Reihe von Filmen ähnliche Rollen verkörpert, aber auch hier wieder beweist, dass er durchaus in der Lage ist, seinen Figuren Tiefe zu verleihen. Er spielt ebenso wie die übrigen Beteiligten gekonnt und mit sichtlichem Engagement, das den Film auch von Genrekollegen abhebt.

Die musikalische Begleitung von Mark Isham nimmt man im Film selbst an sich nicht wahr, und sie unterscheidet sich auch von seinen sehr orchestralen Werken, die man von ihm in der Vergangenheit zu hören bekam. Doch passt sie so nahtlos in die überzeichneten, stilvollen Bilder, dass sie das Gezeigte passend unterstützt, ohne je störend aufzufallen.
Sie rundet vielmehr ein durchaus ungewöhnliches Gesamtkonzept ab, das man so bei der Geschichte vielleicht nicht erwartet hatte, das aber trotz der bunten Mischung tadellos funktioniert. Gut gelaunte Darsteller, die eine flott erzählte Geschichte tragen, eine tadellose und ungewöhnliche Inszenierung machen Running Scared zu einer unerwarteten Überraschung. Auf die härtere Gangart des Thrillers muss man sich einlassen. Dann jedoch wird man bestens unterhalten und daran erinnert, was Quentin Tarantino für Filme machte, bevor er stilvoll inszenierte Gewaltorgien in die Kinos brachte.


Fazit:
Es ist erstaunlich, wie es Regisseur Wayne Kramer gelingt, einen grundsätzlich ernsten Thriller trotz expliziter Gewaltszenen und einer durchweg sehr vulgären Sprache trotzdem leichtfüßig und spaßig zu erzählen. Zugegeben, die Geschichte ist nicht wirklich innovativ, aber mit einem enormen Tempo erzählt, und Joey Gazelle dabei zu beobachten, wie er sich von einer abstrusen Situation zur nächsten rettet, macht in gewissem Sinn einfach Spaß.
Nichtsdestoweniger ist Running Scared nichts für ein jugendliches Publikum, dafür ist die gezeigte Gewalt zu realistisch. Zwar erinnert die Umsetzung an einen lebendig gewordenen Videoclip, doch die Tatsache, dass die Macher immer wieder Zeit finden, die Schnittgeschwindigkeit herunterzufahren und den Figuren Raum zu gewähren, hebt die einfallsreiche Umsetzung zusätzlich zu den überzeugend agierenden Darstellern vom Rest des Genres ab.