Pirates of the Caribbean - Fluch der Karibik 2 [2006]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 13. August 2006
Genre: Action / Komödie / Fantasy

Originaltitel: Pirates of the Caribbean: Dead Man's Chest
Laufzeit: 150 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2006
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Gore Verbinski
Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Johnny Depp, Orlando Bloom, Keira Knightley, Jack Davenport, Bill Nighy, Jonathan Pryce, Lee Arenberg, Mackenzie Crook, Kevin McNally, David Bailie, Stellan Skarsgård, Tom Hollander, Naomie Harris


Kurzinhalt:
Für Will Turner (Orlando Bloom) und Elizabeth Swann (Keira Knightley), die inzwischen verlobt sind, hat es sich nicht ausgezahlt, den Piraten Jack Sparrow (Johnny Depp) vor dem Galgen zu retten und ihm zur Flucht zu verhelfen. Inzwischen sitzen sie beide selbst dafür im Kerker. Dabei unterbreitet Cutler Beckett (Tom Hollander) Turner einen Vorschlag; wenn er Sparrow findet und seinen Kompass zurückbringt, wird die Anklage gegen den Captain, Will und Elizabeth fallen gelassen und Sparrows Dienste in der königlichen Flotte genutzt.
Doch Sparrow selbst sieht sich mit einem ganz anderen Problem konfrontiert – vor Jahren hatte er mit Davy Jones (Bill Nighy) einen Pakt geschlossen, der ihm das Kommando über die Black Pearl sichern sollte. Nun schuldet Sparrow dem durch einen Fluch unweigerlich mit dem Wasser verbundenen Jones und seiner Crew bestehend aus seltsam mutierten Untoten seine Seele. Er kann sich nur freikaufen, wenn er Jones andere Seelen statt seiner eigenen überlässt. So setzt Captain Sparrow Will als Pfand bei Jones ein und macht sich unterdessen auf die Suche nach einer sagenumwobenen Truhe, mit deren Inhalt man Jones kontrollieren kann – Will entdeckt an Bord der "Flying Dutchman", Jones' Schiff, einen Geist seiner Vergangenheit – seinen Vater Bootstrap Bill (Stellan Skarsgård). Doch der gehört zu Jones untoter Mannschaft ...


Kritik:
Als Fluch der Karibik [2003] in jenem Sommer weltweit 650 Millionen Dollar in die Kassen spülte, konnte sich kaum jemand von den Studios erklären, weswegen. Zwar war der Film gut gemacht und auch gut gespielt, vereinte Abenteuer und Action, doch galten Piraten-Filme seit jeher als Kassengift und haben buchstäblich ganze Produktionsfirmen in den Ruin getrieben.
Mit dem ersten Disney-Film mit einer so hohen Altersfreigabe hatte man allerdings einen ungeahnten Hit gelandet – ein Hit, den man gerne wiederholen wollte. So steckte man sich hohe Ziele, verkündete alsbald, Fluch der Karibik wäre als Trilogie geplant gewesen und steckte nochmals 100 Millionen Dollar mehr in die Produktion der Fortsetzung, als bei Teil eins.
Der Lohn der Mühe sind in vier Wochen 780 Millionen Dollar weltweit – eine unvorstellbare Summe. Unvorstellbar sowohl in ihren Ausmaßen, als auch angesichts der Tatsache, dass Pirates of the Caribbean – Fluch der Karibik 2 künstlerisch weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, auch wenn das die Zuschauer nicht zu stören scheint.

Böse Zungen behaupten, je mehr Geld in Hollywood in einen Film gesteckt wird, umso weniger fließt in das Drehbuch; Beispiele hierfür gibt es genug, und auch bei Fluch der Karibik 2 ist eine ähnliche Tendenz abzusehen, auch wenn das Skript zum ersten Teil bereits nicht oscarverdächtig gewesen ist.
Es ist unverständlich, weswegen ausgerechnet das Autorenteam bestehend aus Ted Elliott und Terry Rossio nicht in der Lage scheint, das offen gehaltene Ende von Fluch der Karibik direkt fortzusetzen, sondern den zweiten Teil mit einiger Verspätung ansetzt. Schlimmer noch, die Charakterentwicklungen aus Teil eins werden schlichtweg über Bord geworfen, die letzten zehn Minuten gänzlich ignoriert und nun in Teil zwei die Karten neu gemischt. Das ist insofern bedauerlich, als dass er egoistische Captain Jack Sparrow hier stellenweise vollkommen unsympathisch erscheint und auch die Handlungsweisen von Elizabeth nicht mehr nachvollziehbar bleiben.
Die Story selbst scheint indes konfus und aufgeblasen, alle zehn Minuten gibt es eine neue Insel zu sehen (die frappierende Ähnlichkeiten mit der letzten aufweist) und nach einer auf der Insel absolvierten Actioneinlage zieht die Karawane weiter. So gibt es alle Actionszenen grundsätzlich zwei Mal. Die Krake wird von Davy Jones mehrmals heraufbeschworen, zuerst rollt Will Turner in einem Käfig bergab, wenig später in einer Mühle – und auch der obligatorische Barbesuch aus Teil eins darf nicht fehlen.
Die Fantasy-Geschichte wirkt mit den Mutanten und Monstern selbst für diejenigen erzwungen, die vom übersinnlichen Flair von Teil eins begeistert waren, wobei es hier die Dialoge sind, die nicht in dem Maße zünden, wie man sich erhoffen würde. Darunter finden sich zwar immer wieder lustige Sprüche (die allesamt bereits in den Trailern zum Film zu sehen waren), ein erinnernswerter Dialog ist allerdings nicht darunter.
Dass dieser episodenhafte Aufbau den Erfolg des Films in den USA untermauert, steht außer Frage, immerhin ist es dort Gang und gäbe, den Saal während der Vorstellung immer wieder zu verlassen, um sich zu unterhalten oder etwas zu essen zu holen – wann immer man in Fluch der Karibik 2 hinein geht, ist es keine Schwierigkeit, der Story zu folgen, da die eigentlichen Auflösungen ohnehin erst am Ende folgen. In den ersten 100 Minuten allerdings hätte man viele Passagen (wie die Verehrung Sparrows als Gottheit) ohne weiteres aus dem Film heraus nehmen können, ohne der Story zu schaden. Ganz im Gegenteil, vielleicht wäre Pirates of the Caribbean: Dead Man's Chest dann nicht stellenweise derart langatmig geraten.
So enttäuscht die Vorlage mit viel zu wenig neuen Einfällen, schwachen Figuren und einer einfach gestrickten Geschichte, die man in der Hälfte der Zeit problemlos hätte erzählen können.

Wirklich zufrieden scheinen auch die Darsteller mit ihren Figuren nicht zu sein, selbst Johnny Depp lässt nur in wenigen Momenten die Unbeschwertheit seiner Filmfigur durchblitzen, wie es noch vor drei Jahren der Fall war. Er agiert solide und routiniert, spielt hier aber eher für sich selbst, als mit seinen Kollegen.
Orlando Bloom und Keira Knightley lassen hingegen jene Chemie vermissen, die sich in Fluch der Karibik zwischen beiden entwickelt hat; beide machen ihre Sache gut. Bloom scheint darauf aus, den bislang mancherorts zweifelhaften Ruf seiner schauspielerischen Fähigkeiten auszubessern, Knightley hingegen kostet nur in wenigen Momenten die Vorzüge ihrer temperamentvollen Figur aus, wirkt aber vor allem mit den witzigen Passagen überfordert.
Der Auftritt von Jack Davenport als Norrington ist hingegen sehr gelungen, auch wenn man sich wünschen würde, der Fall seiner Figur wäre im zweiten Teil dieses Films porträtiert worden, anstatt jene Entwicklung in die nicht näher geklärte Zeit zwischen Teil eins und zwei zu legen. Auch Jonathan Pryce macht seine Sache gut, auch wenn er nur eine untergeordnete Nebenrolle spielt.
Unter dem Makeup nur schwer zu erkennen ist Stellan Skarsgård, der sich allerdings sichtlich Mühe gibt, seiner Figur eine größere Gewichtung zu verleihen. Auch Naomie Harris macht ihre Sache gut, hat aber nicht allzu viel zu tun.
Die übrigen Piratenrollen sind wie immer ordentlich besetzt und auch entsprechend gespielt – das Voice-Acting von Bill Nighy als Davy Jones lässt außerdem keine Wünsche offen. Dass die bekannten Akteure eher auf ihre Routine setzen, als auf ihr Talent, den Rollen neue Facetten abzugewinnen, liegt einerseits daran, dass das Skript weniger Charaktermomente bietet, und andererseits, dass ihre Figuren auch im Lauf der immerhin zweieinhalb Stunden nur minimal entwickelt werden.

Handwerklich beeindruckt der erfolgreiche Filmemacher Gore Verbinski nicht nur mit einfallsreichen Perspektiven und einem guten Szenenaufbau, sondern vor allem durch die schmutzige, realistische Optik, die den Zuschauer mitten auf ein solche Piratenschiff verfrachtet, ohne dabei künstlich zu wirken. Kamera und Schnitt harmonieren auch in den zahlreichen Actionsequenzen hervorragend und lassen trotz der schnellen Schnitte und der vielen Schauplätze nie die Übersicht verlieren. Überlegt eingesetzte Zeitlupen bringen außerdem die in der Tat atemberaubenden Spezialeffekte zum Ausdruck, die hier nicht nur durch ihre schiere Anzahl beeindrucken.
Selten zuvor gab es derart überzeugende, rein digital entstandende Figuren zu sehen, die sich übergangslos in den realen Hintergrund einfügen. Wenn Verbinski zum Finale einlädt bebt die Leinwand und als Zuseher hat man Mühe, sich aus den umwerfenden Bildern wieder zu lösen. Auch die stellenweise ekelhaften Maskeneffekte stehen dem in nichts nach und zählen zu den eindrucksvollsten ihrer Zunft.
Technisch und handwerklich markiert Fluch der Karibik 2 momentan das Non-Plus-Ultra des Machbaren verweist damit viele andere Produktionen in ihre Schranken. Das schwindelerregende Budget sieht man dabei in jeder Einstellung.

Durfte in Fluch der Karibik noch Klaus Badelt die Federführung über die Media Ventures-Komponistengruppe innehalten, übernahm bei der doch deutlich kostspieligeren Fortsetzung Altmeister Hans Zimmer selbst den Dirigentenstock, obgleich die wenigsten Themen tatsächlich von ihm stammen. Verantwortlich hierfür sind vielmehr die zahlreichen anderen Komponisten, die ihre Talente beigesteuert haben.
Herausgekommen ist ein zwar durchaus passender Score, der aber gleichzeitig kaum eindeutige Merkmale besitzt, die ihn vom Soundtrack zum ersten Teil unterscheiden würden. Viele Themen werden anstandslos übernommen, andere nur geringfügig abgewandelt. Das fällt im Film deswegen nicht negativ auf, weil man als Zuseher von dem Bilder- und Effektereigen regelrecht überrollt wird, und die Musik nur als Begleiterscheinung wahrnimmt – von einem epischen Score ist Pirates of the Caribbean – Fluch der Karibik 2 aber schon deswegen weit entfernt, weil den Stücken die Wucht eines Orchesters fehlt; der Synthesizer-Klang geht auch im Film leider nicht verloren.

Dass genügend Potential in einer Fortsetzung zu Fluch der Karibik liegt, ist unbestritten, und angesichts der mitreißenden Action und der einfallsreichen Wendungen im letzten Drittel des Films, ist auch erkennbar, dass man den ersten Teil hätte übertreffen können. Doch ein beinahe doppelt so hohes Budget und Actionszenen am laufenden Band ersetzen weder das Flair des Unbekannten, noch die sympathischen, weil schrulligen Figuren.
Beides versuchen die Autoren hier wieder zu etablieren, wobei die bisherigen Entwicklungen bei den Charakteren einfach außer Acht gelassen werden und auch die Story sich in eine noch phantastischere Richtung bewegt. Wenn die Action aber dennoch nicht mitreißt, liegt das daran, dass die Bedrohung für die Figuren nicht spürbar wird und ohnehin ohne Konsequenzen bleibt. Dies wandelt sich erst, wenn das wirklich eindrucksvolle Duell zwischen Turner, Sparrow und Norrington einsetzt – bis dahin gestaltet sich Fluch der Karibik 2 zwar unterhaltsam, aber mit Längen. Weiß man Teil eins überdies zu schätzen, möchte man sich nicht ausmalen, um wie vieles mitreißender Teil zwei hätte werden können, hätte man mittendrin 30 Minuten heraus genommen.


Fazit:
Wie nicht anders zu erwarten war, gibt sich Regisseur Gore Verbinski keine Blöße bei der Umsetzung seiner Piraten-Fortsetzung – bei einem Budget von über 200 Millionen Dollar standen ihm auch zweifelsohne alle Möglichkeiten zur Verfügung. Doch dass aller Produktionswert, die gut gelaunten Darsteller und die zahlreichen Actionszenen nicht ausreichen, um einen rundum gelungenen Sommer-Film in die Kinos zu bringen, zeigt Fluch der Karibik 2 leider ebenfalls.
In der deutlich Fantasy-lastigeren Story kommen die Figuren, gerade im Vergleich zum ersten Film, deutlich zu kurz, zumal alle Entwicklungen in Teil eins hier wieder auf Null gesetzt werden. Viel schwerwiegender ist allerdings, dass sich der Film endlos in die Länge zieht, alle Actionpassagen mindestens zwei Mal abgearbeitet werden und man bis auf wenige Momente dem Ganzen eher unbeteiligt beiwohnt. Im letzten Drittel nimmt Pirates of the Caribbean: Dead Man's Chest schließlich Fahrt auf und reißt die Zuseher wirklich mit – die beinahe zwei Stunden davor sind allerdings mit Szenen übersäht, die weder notwendig gewesen wären, noch wirklich Sinn ergeben.
Wen das nicht kümmert, und wem die durchweg gut gemachten Actionszenen ausreichen, der ist bei den sympathischen Mimen gut aufgehoben; alle anderen können nur hoffen, dass die enttäuschende Story im dritten Teil wieder wett gemacht wird.