Orphan - Das Waisenkind [2009]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. April 2013
Genre: Thriller / Horror

Originaltitel: Orphan
Laufzeit: 123 min.
Produktionsland: USA / Kanada / Deutschland / Frankreich
Produktionsjahr: 2009
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Jaume Collet-Serra
Musik: John Ottman
Darsteller: Vera Farmiga, Peter Sarsgaard, Isabelle Fuhrman, Aryana Engineer, Jimmy Bennett, CCH Pounder, Margo Martindale, Karel Roden, Rosemary Dunsmore, Jamie Young, Lorry Ayers, Brendan Wall, Genelle Williams


Kurzinhalt:
Einige Zeit, nachdem sie ihr drittes Kind noch vor der Geburt verloren haben, entschließen sich Kate (Vera Farmiga) und John (Peter Sarsgaard), eines zu adoptieren. Im Waisenhaus, das von Schwester Abigail (CCH Pounder) geleitet wird, treffen sie auf die neunjährige Esther (Isabelle Fuhrman). Ihre Höflichkeit und ihr künstlerisches Talent beeindrucken und so entschließen sie sich für sie. Das jüngste Familienmitglied Max (Aryana Engineer), deren Hörvermögen seit ihrer Geburt eingeschränkt ist, reagiert auf Esther auch sehr positiv. Ihr Bruder Daniel (Jimmy Bennett) allerdings ist auf Esther nicht gut zu sprechen.
Wenig später gibt es erste Zwischenfälle in der Schule und Kate bemerkt, wie abweisend Esther auf sie reagiert, während sie sich bei John von ihrer besten Seite zeigt. Als Schwester Abigail Nachforschungen über Esthers Vergangenheit anstellt, fördert sie etwas Beunruhigendes zutage und kurz darauf bekommt Kate und ihre Familie zu spüren, was mit Esther nicht stimmt ...


Kritik:
Nimmt Regisseur Jaume Collet-Serra nach einer Dreiviertelstunde die Zügel bei seinem horrorlastigen Thriller Orphan - Das Waisenkind in die Hand, entwickelt er eine fesselnde Spannung. Diese lebt von einem Szenario, bei dem jedem erwachsenen Zuschauer ein Schauer über den Rücken läuft. Dass das Finale trotz einiger überraschender Entscheidungen nicht ohne ein vollkommen überflüssiges Klischee auskommt ist bedauerlich. Dass eine tragende Hauptfigur sich völlig irrational verhält, macht einen hingegen schon wütend.

Dabei kann man sich diese Geschichte in Wirklichkeit durchaus vorstellen, zumindest anfangs: Nachdem sie ihr drittes Kind noch vor der Geburt verloren haben, entschließen sich Kate und John, eines zu adoptieren. In einem Waisenhaus, das von Schwester Abigail (auch in kleinen Rollen immer überzeugend: CCH Pounder) geleitet wird, entdeckt John die neunjährige Esther. Die ist künstlerisch sehr begabt und überzeugt nicht nur durch ihre hervorragenden Manieren. Es dauert nach der Adoption nicht lange, ehe Kate bemerkt, dass mit Esther etwas nicht stimmt und auch Schwester Abigail stellt Nachforschungen über ihre Herkunft an.
Was dann geschieht, sollte man am besten selbst herausfinden und wer die Horrormomente am intensivsten erleben möchte, sollte auch um die Filmvorschau einen großen Bogen machen. Das erste Drittel des Films gestaltet das Drehbuch dabei überaus ruhig und bringt uns einer Familie nahe, die weder perfekt ist, noch so viele Kanten und Abgründe aufweist, dass man zu ihr keinen Zugang finden würde. Sie überzeugen, da sie alle ein Ergebnis ihrer Erfahrungen und Erlebnisse sind. Dies macht auch vor dem jüngsten Familienmitglied nicht halt, Max, deren Hörvermögen stark eingeschränkt ist.

Insbesondere, wenn die Gefahr, die von Esther ausgeht, sich gegen Kinder wie Max oder ihren Bruder Daniel richtet, gelingt es Orphan, ein ungutes Gefühl beim Publikum zu erzeugen. Hierfür genügt es bereits, dass wir wissen, wozu sie im Stande wäre, auch ohne, dass sie es unter Beweis stellen muss. Dass sie Kate gegenüber abweisender auftritt, wird durch ihren Hintergrund später sogar noch belegt, doch weshalb der Familienvater hier als unvernünftig, stur und begriffsstutzig dargestellt wird, ist unverständlich. Peter Sarsgaard verleiht ihm eine sympathische Ausstrahlung, die durch seine Unentschlossenheit jedoch überdeckt wird. Die Rolle selbst allerdings ist ebenso undankbar wie verschenkt. Gibt es in vielen Horrorfilmen Momente, in denen wir den Figuren zurufen wollen, sie sollen ihren Verstand einschalten und nicht ins offene Messer laufen, gibt es hier einen Charakter, den man bei beinahe jedem Auftritt ohrfeigen möchte. Wenn er sich beharrlich dagegen stemmt, seiner Frau und ihren Argumenten zuzuhören, hat er uns endgültig verloren. Umso hinterlistiger und kälter erweckt Isabelle Fuhrman Esther zum Leben und stiehlt damit beinahe ihren erwachsenen Kollegen die Schau. Vera Farmiga gelingt ein sehenswertes Porträt einer zerrissenen Mutter.

Leitet der Film das Finale ein, wartet das Drehbuch einerseits mit einigen überraschend guten Ideen auf, die von Regisseur Collet-Serra entsprechend, wenn auch nicht für Kinder und Jugendliche geeignet, umgesetzt werden. Doch wer schon eine Handvoll solcher Filme gesehen hat, wird bei jeder Szene vorhersagen können, wie sie ausgehen wird und damit ebenso bei den beiden größten Klischees richtig liegen. Dafür findet das Skript immerhin einen vernünftigen Abschluss für die Geschichte.
Mit einer anderen Besetzung wäre der Thriller vermutlich nur halb so überzeugend, auch wenn die Geschichte den Charakteren mehr Tiefe zuspricht, als viele vergleichbare Produktionen. Doch am Ende machen einen die unbegreiflichen Entscheidungen einer Figur mehr wütend, als die bösartige Zielstrebigkeit der beunruhigenden Esther.


Fazit:
Der ruhige Auftakt täuscht, auch wenn er sehr lange dauert: Nach nicht ganz einer Stunde nimmt die Story um die heimtückische Esther Fahrt auf und ab dem Moment entwickelt Orphan - Das Waisenkind stellenweise eine Furcht einflößende Atmosphäre. Die Spannungsschraube ziehen die Filmemacher insbesondere im letzten Drittel an, auch wenn zwei absehbare Klischees leider nicht umfahren werden.
Wovon der mit Horroranteilen versetzte Thriller lebt ist seine tadellose und großteils geforderte Besetzung, von denen auch die Kinderdarsteller überzeugen, allen voran Isabelle Fuhrman. Dass sich ausgerechnet eine wichtige Hauptfigur vollkommen unverständlich verhält, stört gerade deshalb, weil alle anderen es nicht tun. So bleibt der Film letztlich hinter seinen Möglichkeiten, eignet sich aber nichtsdestoweniger für Fans und Kenner des Genres, die allerdings kaum etwas Neues, dafür Bekanntes gut dargebracht gezeigt bekommen.