No One Will Save You [2023]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 8. Oktober 2023
Genre: Science Fiction / Horror / Thriller

Originaltitel: No One Will Save You
Laufzeit: 93 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Brian Duffield
Musik: Joseph Trapanese
Besetzung: Kaitlyn Dever, Lauren Murray, Geraldine Singer, Dane Rhodes, Elizabeth Kaluev, Evangeline Rose, Zack Duhame, Daniel Rigamer, Dari Lynn Griffin


Kurzinhalt:

Brynn (Kaitlyn Dever) lebt zurückgezogen und allein in dem abgelegenen Haus, in dem sie aufgewachsen ist. In die nahegelegenen Stadt geht sie ungern und selten. Die Menschen dort stehen ihr ablehnend gegenüber. Eines Nachts hört Brynn aus dem Erdgeschoss Geräusche und sieht kurz darauf eine schemenhafte Figur im Wohnzimmer. Doch das Wesen, das in ihr Haus eingedrungen ist, ist kein Mensch. Es beginnt für Brynn ein Kampf ums Überleben gegen einen mächtigen Gegner, bei dem sie sich zudem Ereignissen aus ihrer Vergangenheit stellen muss …


Kritik:
Auf den ersten Blick ist Brian Duffields Science Fiction-Horror-Thriller No One Will Save You eben das, ein Horror-Thriller, in dem sich die Hauptfigur gegen Aliens wehren muss, die in ihr Haus eindringen. Aber wie bei den meisten guten Geschichte im Science Fiction-Genre steckt darin eine zutiefst menschliche Story, die – wenn man sie erkennt – auch das letzte Drittel verständlich macht, an dem sich bislang das Publikum in zwei Lager spaltet. Es ist eine erfrischend eigenwillige und mutige Vision, die zu entdecken mehr als lohnt.

Erzählt wird die Geschichte aus Sicht der allein in ihrem Elternhaus lebenden Brynn, die zurückgezogen und sehr verschlossen ist. Entsprechend spricht sie nicht viel, weshalb es in No One Will Save You gerade einmal ein halbes Dutzend Dialogzeilen zu hören gibt. Daher erläutert Brynn dem Publikum nicht ständig, was in ihr vorgeht, was Hauptdarstellerin Kaitlyn Dever umso mehr fordert, Brynns Ängste und Sorgen zum Ausdruck und den Zuschauerinnen wie Zuschauern nahe zu bringen. Dass etwas vorgefallen sein muss, wird früh deutlich. Brynn, die als Näherin ihren Lebensunterhalt verdient, hat in ihrem Wohnzimmer eine Miniaturausgabe der Kleinstadt, in der sie lebt, nachgebaut. Sie übt Lächeln und Winken, bevor sie sich ins Auto setzt, um eine Briefsendung wegzubringen und wenn sie in die Stadt fährt, wird sie von den übrigen Bewohnern bewusst ausgegrenzt. Es hat den Anschein, dass Brynn seit dem Tod ihrer Mutter, deren Grab sie besucht, ganz auf sich gestellt ist, abgeschottet von der Welt. Und doch schreibt sie Briefe, in denen sie wiederholt, wie leid „es“ ihr tue.

Ihrer Vergangenheit muss sich Brynn im Zuge dessen stellen, was vor ihr liegt, als eines Nachts etwas in ihr Haus eindringt. Dass es sich dabei um Außerirdische handelt, ist kein Geheimnis und wird bereits in der Filmvorschau verraten. Die erinnern vom Aussehen her an bekannte Designs der „kleinen, grauen Männchen“, selbst wenn No One Will Save You im Verlauf noch mit zwei Abwandlungen aufwartet. Worauf die fremden Eindringlinge aus sind, sei hier nicht verraten und es ist letztendlich für die Geschichte auch nicht von großem Belang. Es soll genügen zu sagen, dass es offenbar nicht nur Brynns Haus betrifft und ihre Versuche, am nächsten Tag andere von den Vorkommnissen zu unterrichten ebenso fehlschlagen, wie eine mögliche Flucht. Es ist, als wäre Brynn gezwungen, sich den Eindringlingen zuhause zu stellen.

Es ist ein Aspekt, der No One Will Save You ungemein klaustrophobischer erscheinen lässt, als man vermuten würde. Dabei findet Filmemacher Duffield nicht nur viele interessante Perspektiven, sondern auch greifbare Erklärungen dafür, weshalb Brynn so handelt, wie sie es tut. Anstatt sich – wie in Horrorfilmen nicht unüblich – unentwegt selbst in Gefahr zu begeben, trifft sie durchgehend richtige Entscheidungen, zeigt sich einfallsreich und vorausschauend, selbst wenn ihr persönlicher Horror angesichts dessen, was geschieht, durchgehend greifbar bleibt. Das ist maßgeblich Hauptdarstellerin Kaitlyn Dever zu verdenken, die beweist, dass sie buchstäblich auf sich gestellt eine ganze Geschichte tragen kann. Dabei schimmert in ihrem Blick von Beginn an durch, wovon der ungewöhnliche Genrefilm im Kern handelt.

Denn abseits der Außerirdischen, der Thrillerstory um das Eindringen Fremder in das eigene Haus, erzählt No One Will Save You von der Schuld, die Brynn auf sich geladen hat. Auf Grund ihrer persönlichen Erfahrungen und dessen, was Brynn sich hat zu Schulden kommen lassen, hat sie sich zurückgezogen und isoliert. Alle anderen Menschen um sie herum, sind ihr fremd. Doch diese Isolation kann sie nicht aufrechterhalten, das Eindringen des empfundenen Normal der übrigen Menschen nicht dauerhaft verhindern. Das Sinnbild der Alieninvasion, das Brian Duffield wählt, spiegelt viele Aspekte gelungen wider, darunter auch Brynns Entscheidung kurz vor Schluss, wenn sie die Wahl hat so zu tun, als gäbe es diese Schuld nicht und als könnte sie so sein, wie alle anderen, oder diese Schuld anzunehmen und mit ihr zu leben.

Was kryptisch klingt, ergibt im Kontext der Ereignisse des Films nicht nur Sinn, sondern verleiht ihnen eine greifbare Bedeutung, die zu erkennen schwerfällt, da sie eben nicht ausgesprochen wird. Dabei ist Duffields einfallsreicher und ungewöhnlicher Science Fiction-Film nicht nur eindrucksvoll gemacht, was unter anderem dazu führt, dass er deutlich teurer aussieht, als er war, er ist auch als Konzept in sich stimmig und in der Durchführung konsistenter, als es bei zahlreichen anderen Genrevertretern der Fall ist. Man kann No One Will Save You allenfalls vorwerfen, dass das große Geheimnis in Brynns Vergangenheit schließlich allzu absehbar ist und einige Entscheidungen der Eindringlinge in den letzten Minuten unnötig erzwungen scheinen. Doch das ändert an der Aussage selbst nichts und macht insbesondere die erste Hälfte nicht weniger packend.


Fazit:
Filmemacher Brian Duffield präsentiert eine Geschichte, deren Zusammenhänge man sich ebenso erschließen muss, wie was in Hauptfigur Brynn vorgeht. Anstatt auf ausschweifende Erklärungen, setzt der eindrucksvoll umgesetzte und atmosphärische Science Fiction-Thriller darauf, dass das Publikum aus den eigenen Beobachtungen die richtigen Schlüsse zieht. Getragen wird dies von Kaitlyn Dever in einer gleichermaßen tollen wie facettenreichen Darbietung. Filme, in denen sich Menschen gegen Eindringlinge von außen wehren müssen, gibt es zahlreiche. Dies mit einer Alieninvasion zu kombinieren, ist erfrischend und aufwändig in Szene gesetzt, doch handelt No One Will Save You im Kern von etwas ganz anderem. Erst dann ergibt das letzte Drittel inhaltlich nicht nur vordergründig, sondern auch für Brynns Entwicklung einen Sinn. Darauf muss man sich einlassen und die inhaltliche Entwicklung in der zweiten Hälfte wird nicht allen gefallen. Doch es rundet einen in sich stimmigen, immens atmosphärischen Genrefilm ab, der spürbar eine eigene Vision verfolgt. Das ist mutig und sehenswert.