Mufasa: Der König der Löwen [2024]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 17. Dezember 2024
Genre: Animationsfilm / Unterhaltung / MusicalOriginaltitel: Mufasa: The Lion King
Laufzeit: 120 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren
Regie: Barry Jenkins
Musik: Dave Metzger
Stimmen: Aaron Pierre, Kelvin Harrison Jr., John Kani, Seth Rogen, Billy Eichner, Tiffany Boone, Donald Glover, Mads Mikkelsen, Thandiwe Newton, Lennie James, Blue Ivy Carter, Beyoncé Knowles-Carter, Preston Nyman, Anika Noni Rose, Keith David, Braelyn Rankins, Theo Somolu, Kagiso Lediga
Kurzinhalt:
Als Timon (Billy Eichner) und Pumbaa (Seth Rogen) auf Simbas (Donald Glover) Tochter Kiara (Blue Ivy Carter) Acht geben sollen, gesellt sich der weise Rafiki (John Kani) hinzu und beginnt, der jungen Kiara von ihrem Großvater Mufasa (Aaron Pierre) zu erzählen. Der wuchs weit weg vom Königsfelsen auf und wurde als Junges von seinen Eltern getrennt. Auf sich allein gestellt, trifft Mufasa auf den gleichaltrigen Taka (Kelvin Harrison Jr.), Sohn des Rudelsführers Obasi (Lennie James). Doch weil der einen Streuner nicht in seiner Familie akzeptiert, wächst Mufasa bei Takas Mutter Eshe (Thandiwe Newton) und den Weibchen auf. Sie bringen ihm die Jagd bei und schärfen seine Beobachtungsgabe. So kann sich Mufasa auch behaupten, als Eshe von einem weißen Löwen angegriffen wird, während Taka, der für Mufasa wie ein Bruder ist, die Flucht ergreift. Doch da Takas Vater Vergeltung vom Anführer der weißen Löwen, Kiros (Mads Mikkelsen), fürchtet, verlassen Taka und Mufasa das Rudel. Sie entscheiden sich, den Weg nach „Milele“ auf sich zu nehmen, einem Land, von dem Mufasas Eltern ihm erzählten. Auf ihrem Weg begegnen sie Rafiki und der unerschrockenen Löwin Sarabi (Tiffany Boone). Während Kiros mit seinem Rudel ihnen nachjagt, entzweien sich auch Mufasa und Taka voneinander …
Kritik:
Es ist nicht nur in Anbetracht des dahinterstehenden Aufwands, sondern auch angesichts der gar nicht uninteressanten Hintergrundgeschichte, die erzählt wird, gleichermaßen unverständlich wie enttäuschend, wie wenig Mufasa: Der König der Löwen funktioniert. Weniger als Prequel zu einem der erfolgreichsten Animationsfilme aller Zeiten, denn als eigenständiger Film. Regisseur Barry Jenkins erzählt den Werdegang des ersten Königs der Löwen, ohne seiner Story wirklich zu vertrauen. Das überträgt sich merklich auf das Publikum.
Eingerahmt wird die Geschichte von einer Erzählung um Kiara, die Tochter von Simba und Nala, den herangewachsenen Löwen in Der König der Löwen [2019], die von Timon und Pumbaa beaufsichtigt wird, während sich ihre Eltern um etwas Wichtiges kümmern. Die zwei chaotischen Babysitter sind mit der Situation entsprechend überfordert, da kommt zum Glück der weise Rafiki des Wegs, der Kiara die Geschichte erzählt, wie ihr Großvater Mufasa zum König der Löwen wurde. Mufasa selbst trug kein königliches Blut in sich und wurde als Löwenjunges von seinen Eltern getrennt. Weit weg von seiner Heimat, trifft er auf den Löwenprinzen Taka, mit dem er sich anfreundet. Da Takas Vater, König Obasi, einen Streuner jedoch nicht akzeptiert, wächst Mufasa bei den Weibchen um Königin Eshe auf. Mufasa und Taka jedoch sind wie Brüder. Nachdem Mufasa Eshe gegen einen Angriff von weißen Löwen verteidigt und der Anführer des Rudels, Kiros, Rache schwört, sollen Taka und Mufasa fliehen, um die königliche Blutlinie zu erhalten. Sie machen sich auf die Suche nach „Milele“ einem Ort des Friedens und der Reichhaltigkeit, von dem Mufasas Eltern ihm erzählten. Auf dem Weg dorthin lernen sie neue Freunde kennen, bis eine Rivalität zwischen den Löwen entsteht. Unterdessen ist ihnen das Rudel der weißen Löwen immer dichter auf den Fersen.
Die Geschichte selbst ist keine wirkliche Überraschung, beinhaltet jedoch einige durch interessante Ideen wie den Umstand, dass Mufasa selbst das Königreich, von dem ihm später alles gehört, was die Sonnenstrahlen berühren, gar nicht geerbt hat. Dass sich Mufasa, wie viele Prequels ebenfalls, nicht damit zufrieden gibt, einen Aspekt der Geschichte zu erzählen, mit der das Publikum aus Der König der Löwen bereits vertraut ist, sondern alle möglichen Details daraus aufgreift und erklärt, ist aber so unnötig wie eine verpasste Chance, die Hintergrundstory mit weiteren Geschichten auszuschmücken. So ist zwar offensichtlich, wohin die Beziehung zwischen Mufasa und Taka führt, das Publikum bekommt allerdings außerdem vorgestellt, wie ersterer auf seinen späteren Hofmeister Zazu, den weisen Mandrill Rafiki und seine künftige Königin Sarabi trifft. Selbst woher der Königsfelsen stammt, ist Teil der Geschichte, von Rafikis Stab und zahlreichen Redewendungen aus Mufasas späterer Herrschaft ganz zu schweigen. Mitunter bekommt man das Gefühl, als wäre Drehbuchautor Jeff Nathanson den ursprünglichen Animationsfilm Szene für Szene durchgegangen und hätte sich überlegt, wie er den jeweiligen Ursprung derselben erläutern könnte.
Entsprechend finden sich auch zahlreiche Ideen aus Der König der Löwen hier wieder. Angefangen vom Ansturm der Gnus, hier einmal in Form von Wasser sogar mit visuellen Anlehnungen, aber auch mit Elefanten, bis hin zum Sprung von Takas und Mufasas Kindheit in ihr Erwachsenenalter. Wie wenig Vertrauen die Verantwortlichen in ihre eigene Story haben, wird zudem daran offensichtlich, wie sehr sie auf die Rahmenhandlung setzen. Die bildet nicht nur den sprichwörtlichen Rahmen, vielmehr kehrt Mufasa immer wieder in die Höhle zurück, in der Rafiki Kiara von ihrem Großvater erzählt, während Timon und Pumbaa sich jedes einzelne Mal darüber beschweren, dass sie kein Teil der Geschichte sind, Albernheiten ihrerseits inklusive. Einen wirklichen Mehrwert bieten die beiden Figuren nicht, sie haben überhaupt rein gar nicht zu tun und sind einfach nur Teil der Erzählung, um einen weiteren Verknüpfungspunkt zum ersten Film herzustellen sowie, um ein junges Publikum mit immer demselben Gag zum Lachen zu bringen. Metahumor, den die Jüngsten ohnehin nicht verstehen, gibt es obendrein. Dabei ließe sich bereits darüber streiten, ob die Rahmenhandlung bei einem an ein junges Publikum gerichteten Film mit einer Laufzeit von zwei Stunden, überhaupt notwendig ist.
Selbst wenn man darüber hinwegsieht, kann man einen anderen Aspekt doch kaum übersehen. Vor gerade einmal fünf Jahren brachte Der König der Löwen die bekannte Geschichte in einer optisch überragenden Präsentation geradezu fotorealistisch auf die große Leinwand. Einziger Nachteil derselben war, dass auch die Mimik der Tiere derjenigen ihrer realen Vorbilder nachempfunden war. Die Gesichter besaßen daher kaum Gefühlsregungen. Dies „korrigiert“ Filmemacher Barry Jenkins hier und lässt die sprechenden Tiere lächeln oder die Augenpartie menschlich bewegen. Auch vollführen die Figuren nun körperliche Bewegungen, die sie in Wirklichkeit nicht vollführen können, wie beispielsweise Dutzende Meter tiefe Tauchgänge der Großkatzen. Gleichzeitig gibt Mufasa das realistische Aussehen zugunsten einer comichaften Überzeichnung auf, die beinahe real wirkt, es aber doch nicht ist.
Im Ergebnis sehen eine Handvoll Einstellungen so aus, als wären sie draußen in der Natur entstanden. Manche gar sind wunderschön und malerisch. Die übrigen Bilder hingegen erscheinen sowohl hinsichtlich der Farbgebung als auch der gewählten Perspektiven nie echt, seien es unzählige, schwindelerregende Momente, in denen Figuren auf die Kamera zu oder vor ihr davonlaufen, Einstellungen aus der Ego-Perspektive, solche, als seien sie mit einer Action-Kamera aufgenommen, oder extreme Zeitlupen. Statt der warmen Sonne Tanzanias sieht man hier einen unterkühlten, bläulich künstlichen Sonnenaufgang, oder Bilder einer grünen Landschaft, die wirkt, als sei der Farbfilter eines Fantasy-Films darüber gelegt worden. Oder um es anders zu sagen: Nicht einmal die beste Einstellung in Mufasa sieht so real aus, wie die am wenigsten überzeugende in Der König der Löwen zuvor. Wie das sein kann, ist vollkommen unverständlich, und sollte dies eine kreative Entscheidung der Verantwortlichen gewesen sein, ist sie nicht nachvollziehbar.
Es ist ein weiteres Mosaikstück, das erklärt, weswegen nichts in Mufasa wirklich zusammenpassen mag. Abgerundet wird dies von einer musikalischen Untermalung, die einzig dann überzeugt, wenn die bisherigen, aus dem ursprünglichen Zeichentrickfilm Der König der Löwen [1994] bekannten Themen aufgegriffen werden. Weder setzen sich die neuen Motive im Gedächtnis fest, noch gelingt dies den neuen Songs, von denen kein einziger das Tempo, die Anmut oder die Eingängigkeit der originalen Lieder erreicht. Inwiefern sie die Geschichte überhaupt bereichern, lässt sich kaum sagen. Nimmt man alles zusammen, ist das Prequel vor allem eines: eine Enttäuschung.
Fazit:
Käme man zu dem Schluss, dass ein Aspekt von Barry Jenkins’ Film nicht funktioniert, man könnte sich damit arrangieren und vermutlich würde es das junge Zielpublikum gar nicht stören. Aber sieht man sich an, wie sehr die Verantwortlichen mit den vielen Momenten um Timon und Pumbaa an den beliebten Figuren aus Der König der Löwen hängen, bekommt man beinahe den Eindruck, sie befürchteten, dass das Publikum lieber zu jenem Film greifen wird, als diesen hier noch einmal anzusehen. Das liegt weniger an der eigentlichen Geschichte um den späteren König Mufasa selbst, als daran, dass sie zu wenig selbstständig erzählt wird. Stattdessen verweist und kopiert das Drehbuch auf bzw. aus jenem Film. Eigene Einfälle wie die motivierende Ansprache Mufasas an die Tiere im Land gegen Ende oder die Kritik am Patriarchat (das der spätere König ja eben dennoch verkörpert), wirken dagegen so gestellt, dass sie nicht nachhallen. Nimmt man dazu die Präsentation an sich, die nie die Finesse des Vorgängers erreicht, von dessen authentischer Farbgebung ganz zu schweigen, und die Musik, die ebenso wenig zu überzeugen mag, kommt man am Ende zu dem Schluss, dass hier nichts wirklich zusammenpasst. Weder hinsichtlich der Art der Geschichtenerzählung, noch der realitätsfernen Animation oder der belanglos zahmen Musik vermag Mufasa: Der König der Löwen dem zeitlich späteren Film das Wasser zu reichen. Dabei ist der Aufwand durchaus sichtbar, es ist im Zusammenspiel mit dem Vorgenannten aber bedauerlicherweise vergebene Liebesmüh.