Molly’s Game: Alles auf eine Karte [2017]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 9. Dezember 2018
Genre: Biografie / Drama / KrimiOriginaltitel: Molly’s Game
Laufzeit: 140 min.
Produktionsland: China / Kanada / USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Aaron Sorkin
Musik: Daniel Pemberton
Darsteller: Jessica Chastain, Idris Elba, Kevin Costner, Michael Cera, Jeremy Strong, Chris O'Dowd, J.C. MacKenzie, Brian d'Arcy James, Bill Camp, Graham Greene
Kurzinhalt:
Nachdem sie ihre Sportkarriere verletzungsbedingt aufgeben muss, zieht die junge Molly Bloom (Jessica Chastain) nach Los Angeles und überbrückt ein Jahr bis zum Beginn ihres Jurastudiums bei dem mäßig erfolgreichen Immobilieninvestor Dean (Jeremy Strong). Der veranstaltet regelmäßig Glücksspielabende, in deren Zentrum ein bekannter Schauspieler, Spieler X (Michael Cera), steht. Da viele vermögende, aber im Poker nur mäßig erfolgreiche Spieler gegen ihn spielen wollen, läuft das Geschäft gut und Molly beginnt, bei ihrem Nebenjob in einem Club potentielle Gegenspieler für Spieler X anzuwerben. Nach einiger Zeit hat sie daraus ein eigenes Geschäftsmodell entwickelt – bis eines Tages das FBI vor ihrer Tür steht. Ihrem Anwalt Charlie Jaffey (Idris Elba) erläutert sie, wie es dazu kam und wie sehr sie tatsächlich in die Geschäfte der Mafia verwickelt war, wie ihr vorgeworfen wird …
Kritik:
Mit seinen Drehbuchvorlagen zu The Social Network [2010], der Polit-TV-Serie The West Wing - Im Zentrum der Macht [1999-2006] oder auch Eine Frage der Ehre [1992] bewies Aaron Sorkin bereits eindringlich, dass er es meisterhaft versteht, Geschichten allein durch Dialoge spannend und anspruchsvoll zugleich zu gestalten. Die zahlreichen Preise sind Zeugnis genug. Sein Regiedebüt Molly’s Game: Alles auf eine Karte zeichnet sich ebenfalls durch einen inhaltlich anspruchsvollen Aufbau aus, der durch eine fantastische Besetzung packend präsentiert wird. Das ist nichts für ein Publikum, das mit schnellen Schnitten und lauten Explosionen bei Laune gehalten werden muss. Doch mitzuerleben, wie das Leben von Molly Bloom, das sie sich selbst aufgebaut hatte, vor ihren Augen implodiert, ist nicht weniger eindrucksvoll.
Basierend auf wahren Begebenheiten erzählt Sorkin von der jungen Molly, die nach mehreren Rückschlägen ihre Karriere als Profisportlerin aufgeben muss und ungewollt in die Welt des halblegalen Glücksspiels abrutscht. Hochintelligent und ambitioniert, sieht sie eine Chance, sich das geplante Jurastudium zu finanzieren, indem sie eine Plattform für Glücksspiele anbietet. Da sie sich keinen Teil des Gewinns sichert, sondern ausschließlich vom Trinkgeld der gutbetuchten Klientel lebt, verstößt sie offiziell nicht gegen das Gesetz.
Dass Mollys Story jedoch etwas komplizierter ist, weiß das Publikum bereits ab der ersten Minute, immerhin wird Molly’s Game als Rückblick aus dem Off durch die Protagonistin erzählt. Dabei springt der Filmemacher zwischen mehreren Erzählebenen hin und her, schildert das Geschehen, nachdem sie vom FBI verhaftet wurde und noch bevor ihr Prozess beginnt, widmet sich gleichzeitig immer wieder ihrer Jugend und lässt Molly erzählen, wie sie überhaupt mit dem Glücksspiel in Kontakt kam. Gleichzeitig sind, als sich Molly mit ihrem Anwalt Charlie Jaffey zusammensetzt, seit der Veröffentlichung ihrer Autobiografie bereits einige Jahre vergangen. Man sollte daher aufmerksam bleiben, um dem zeitlichen Ablauf des Dramas folgen zu können.
Nimmt man die geschliffenen Dialoge hinzu, die trotzdem Vieles nicht aussprechen, sondern nur andeuten, machen all diese Details Aaron Sorkins Regieerstling anspruchsvoller, als man es auf Grund der eigentlichen Geschichte vermuten würde. Gleichzeitig ist er zumindest in der ersten Hälfte merklich amüsanter, als erwartet. Zu beobachten, wie sich Molly in einer meist von Männern dominierten Geschäftswelt durchsetzt, ihre Pläne stringent verfolgt und auch Rückschläge verarbeitet, ist ungemein unterhaltsam. Doch die überraschende Unbeschwertheit verfliegt, als Molly mit der Mafia in Kontakt kommt. Von einem Moment auf den anderen drängt der Film die aktive und selbstbestimmte Frau in eine bis dahin so ungewohnte Rolle, dass sich auch ihr merklich kühleres Auftreten gegenüber anderen, das man beispielsweise gegenüber ihrem Anwalt sieht, erklärt.
Ungeachtet dieser Spannungsspitze ergibt sich die Dramaturgie bei Molly’s Game weniger auf Grund des Inhalts als dadurch, wie dieser präsentiert wird. Die Schilderungen sind überlegt und fantastisch zusammengestellt, die Dialoge allesamt hervorragend eingefangen. Der Regisseur versteht es, das Geschehen nicht nur ansprechend, sondern auf eine Art und Weise zu präsentieren, dass das Publikum erfahren möchte, was als nächstes geschieht. Dabei werden Mollys Versprechungen, dass der ein oder andere Storystrang später aufgelöst wird, allesamt eingehalten, so dass am Ende lediglich der Hinweis darauf fehlt, wie es Molly Bloom nach den gezeigten Geschehnissen ergangen ist.
Als Titelfigur Molly Bloom gelingt Jessica Chastain der Spagat, sich trotz der Einblicke in ihr Leben eine professionelle Distanz zu bewahren. Ihr gegenüber erhält Idris Elba zwar weniger Momente, in denen er sein Talent unter Beweis stellen kann, die ihm jedoch nichtsdestoweniger gelingen. Ebenso Kevin Costner, der hier eine seiner besten Darbietungen der vergangenen 10 Jahre zeigt. Die Besetzung ist überaus gelungen und sorgt vor allem bei den Pokerspielen für eine spürbare Authentizität. Die Besetzung veredelt ein biografisches Drama, das zwar nur in manchen Momenten die emotionale Wucht entwickelt, die man von anderen Genrevertretern her kennt, das aber nichtsdestoweniger packend umgesetzt ist.
Fazit:
Getragen von herausragenden Darbietungen von Jessica Chastain und Idris Elba, überzeugt Aaron Sorkins Regiedebüt durch einen geradezu ansteckenden Erzählrhythmus, der von den pointierten Dialogen lebt. Handwerklich tadellos und komplex dargebracht, ist das nicht nur für Fans anspruchsvoller, wortreicher Dramen eine Empfehlung. Molly’s Game: Alles auf eine Karte ist gleichzeitig das Porträt einer intelligenten, starken Frau, die sich in einer von Männern dominierten Domäne behauptet. Das zu beobachten, ihren Aufstieg und ihren Fall mitzuerleben, ist ebenso lehrreich wie unterhaltsam. Obwohl inhaltlich nur wenig Packendes geschieht, ist das mitreißender, als viele Thriller des vergangenen Kinojahres. Klasse!