Meine Cousine Rachel [2017]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 5. August 2017
Genre: Drama / Thriller / LiebesfilmOriginaltitel: My Cousin Rachel
Laufzeit: 106 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren
Regie: Roger Michell
Musik: Rael Jones
Darsteller: Sam Claflin, Rachel Weisz, Holliday Grainger, Iain Glen, Andrew Knott, Poppy Lee Friar, Pierfrancesco Favino, Vicki Pepperdine, Andrew Havill, Tim Barlow
Kurzinhalt:
Als Waise kam Philip (Sam Claflin) zu seinem Cousin Ambrose, der die Vormundschaft für ihn übernahm und ihn großzog. Als Ambrose viele Jahre später erkrankt, raten ihm die Ärzte, von England nach Italien zu reisen, um in der Sonne zu Kräften zu kommen. In Briefen schreibt er Philip, dass er eine Frau kennengelernt habe und sie heiraten werde. Dann verschlechtert sich Ambroses Zustand und mit seinen letzten Worten schreibt er Philip, dass seine Frau ihn ermorden wolle. Nach dem Tod seines Vormunds sinnt Philip auf Rache an seiner Cousine und als diese auf dem Familiengut in England eintrifft, scheint seine Zeit gekommen. Doch Rachel (Rachel Weisz) ist anders, als er sich ausmalte und seine Abneigung wandelt sich zu einer Besessenheit, die selbst seine Zweifel an Rachels Unschuld nicht bezwingen können. Doch dann verschlechtert sich auch Philips Gesundheitszustand rapide …
Kritik:
Filmemacher Roger Michell adaptiert in Meine Cousine Rachel Daphne du Mauriers prägenden Roman aus dem Jahr 1951. Es ist ein Mystery-Thriller-Drama um eine gefährliche Liebesbeziehung, bei der man am Ende nicht weiß, ob sie überhaupt gefährlich war – oder gar eine Liebesbeziehung. Angesiedelt im England des 19. Jahrhunderts, lebt der Film von seiner Besetzung, allen voran Rachel Weisz in der Titel gebenden Rolle, über deren Schuld oder Unschuld man bis zuletzt rätselt.
Sie heiratete den ewigen Junggesellen Ambrose Ashley, der wiederum vor vielen Jahren seinen verwaisten Cousin Philip aufnahm und großzog. Als er erkrankte, reiste Ambrose nach Italien in die Sonne, wo er auf Rachel traf, die er zur Frau nahm. Noch in Florenz schrieb Ambrose Philip regelmäßig Briefe, in deren Verlauf er seinem Cousin mitteilte, dass Rachel ihn umbringen wolle. Philip macht sich auf den Weg, kommt jedoch zu spät. Wie ihm der Verwalter Rinaldi mitteilt, ist sein Cousin verstorben, die Witwe bereits aufgebrochen. Zurück in England hegt Philip Rache und sieht seinen Moment gekommen, als Rachel ebenfalls auf dem Anwesen eintrifft. Doch seine Absichten wandeln sich, als er seine Cousine tatsächlich zu Gesicht bekommt.
Es ist geradezu verblüffend zu sehen, wie sich Philip hineinsteigert, sich an seiner Cousine zu rächen, die er noch nie gesehen hat, als er aus Ambroses Briefen herausliest, dass sie ihn ermorden möchte. Er malt sie sich als Monster aus, als verabscheuungswürdiges Wesen und zeichnet damit gleichzeitig in den Köpfen des Publikums ein Bild jener Frau, die erstaunlich lange nicht zu sehen ist. Filmemacher Michell hält sich zurück und lässt Philips Vorstellung von ihr den Vorzug. In gewisser Weise entwaffnet sie ihn damit bereits im Vorfeld und nochmals, als er sie dann schließlich zu Gesicht bekommt. Dadurch, dass sie überhaupt nicht seiner Vorstellung entspricht, sind sämtliche Geschütze, die er in Stellung gebracht hatte, wirkungslos. Seine Rachegedanken wandeln sich schließlich zu einer Liebe, die zur Besessenheit wird, ehe sie einer unbändigen Angst weichen.
Charmant und zurückhaltend tritt Rachel Ashley auf, höflich und zumindest augenscheinlich aufrichtig betroffen angesichts des Todes ihres Ehemanns. Dennoch behält sich Philip vom ersten Moment an ein Misstrauen, das sich bis zum Ende nicht zerstreuen lässt. Hat sie, oder hat sie nicht seinen Cousin ermordet? Und vor allem: Nachdem Philip ihr näher kommt und selbst Anzeichen einer Erkrankung zeigt, versucht sie vielleicht, ihn auch zu ermorden?
Unter der ruhigen Oberfläche von Meine Cousine Rachel brodelt es vom Auftakt an und sieht man, wie sich Rachel ihrem Cousin gegenüber gibt, kann man sich nicht entscheiden, ob sie ihn absichtlich manipuliert oder dies nur so scheint, weil er sich manipulieren lässt. Angesichts seiner Faszination von ihr erscheint er geradezu paralysiert und nicht Herr seiner Sinne.
So wechselt Filmemacher Roger Michell zwischen einer unbeschwerten Atmosphäre und einer unterschwelligen Bedrohlichkeit, während sich bei Philip eine regelrechte Besessenheit ausbildet. Rachel ist für ihn wie eine Droge, doch auf jedes Hoch folgt ein umso verheerenderes Tief. Rachels Undurchschaubarkeit ist das Kernelement des Mystery-Thrillers, der sein Publikum bis zum Ende rätseln lässt, ob sie nun böse Absichten hegt, oder nicht. Rachel Weisz gelingt die Balance zwischen Verletzlichkeit und Mysterium schlicht hervorragend. Auch wenn die Hintergründe seiner Faszination nie wirklich deutlich werden, macht Sam Claflin seine Sache ebenso gut. Als Philips unglückliche Liebe Louise bringt Holliday Grainger den Blickwinkel einer geerdeten Außenstehenden zur Geschichte und ist ebenso wie Iain Glen als ihr Filmvater und Verwalter des Ashley-Anwesens sehr gut getroffen.
Zur stimmigen Atmosphäre trägt unter anderem die tolle Ausleuchtung bei, die auf natürliche Lichtquellen setzt und auch die Perspektiven des beinahe einsam erscheinenden England gelungen zur Geltung bringt. Die fantastische Ausstattung sei ebenfalls erwähnt.
Einzig wirklicher Kritikpunkt an Meine Cousine Rachel ist allenfalls die Tatsache, dass die Geschichte die Figuren stets zurückhält, aus sich herauszugehen. Sie erscheinen selbst in ihren Konfrontationen reserviert, als würden sich Philip und Rachel zurückhalten. Das Brodeln, das allzeit wahrnehmbar ist, kommt nie zur Eruption. Nur so reißt ihre Geschichte nicht in dem Maße mit, wie sie könnte. Oder sollte.
Fazit:
Auf der Suche nach der Wahrheit, ob seine angeheiratete Cousine seinen Vormund ermordet hat, plagen Philip Zweifel und Gewissheit gleichermaßen. Regisseur Roger Michell taucht mit einer hochklassigen Inszenierung in diese düster präsentierte Romanze ein und behält sich und dem Publikum dennoch eine gewisse Distanz. Das macht es allerdings schwierig, Philips Faszination von Rachel nachzuvollziehen, zumal die explosive Konfrontation, auf die die Geschichte hinarbeitet, nie kommt. Zu sehen, wie sich sein Verhalten wandelt, ist dagegen überaus gelungen, auch dank der fantastisch stimmungsvollen Atmosphäre. Als mysteriöse Witwe gelingt Rachel Weisz eine hervorragende Darbietung, die nachwirkt, ebenso wie die Frage, die Philip zu Beginn und am Ende aus dem Off aufwirft. Als betont ruhiges und stark gespieltes Mystery-Thriller-Drama ist Meine Cousine Rachel für Genrefans eine eindeutige Empfehlung. Man sollte nur damit rechnen, dass einem die Antwort am Ende nicht gefallen wird.