Medium - Nichts bleibt verborgen: "Anwältin der Toten" [2005]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. Juli 2006
Genre: Unterhaltung

Originaltitel: Medium: "Pilot"
Laufzeit: 42 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2005
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Glenn Gordon Caron
Musik: Jeff Beal, Sean Callery, Mychael Danna (Titel-Thema)
Darsteller: Patricia Arquette, Miguel Sandoval, Sofia Vassilieva, Maria Lark, Jake Weber, Arliss Howard, Tina Dijoseph, Rachel Miner, April Grace, Matt Barr, Jamie Litton


Kurzinhalt:
Bereits seit ihrer Kindheit hat Allison Dubois (Patricia Arquette) Ahnungen und kann tote Menschen sehen, die sich mit ihr unterhalten, beziehungsweise ihr etwas mitteilen wollen. Immer wieder träumt sie von Verbrechen und kann anhand von Tatort-Photos genau sagen, was in welcher Reihenfolge geschehen ist. Doch ihre Begabung behält die dreifache Mutter und Ehefrau von Joe Dubois (Jake Weber) für sich und ihre Familie. Erst als Joe die Schilderungen ihrer Träume an Ermittlungsbehörden sendet, um festzustellen, ob sie tatsächlich dazu beitragen kann, geschehene Verbrechen aufzuklären, und sich die Texas Ranger bei ihr melden, werden Allisons Fähigkeiten publik.
Doch hat sie in Texas, wo wie der Polizei behilflich sein will, einen pädophilen Mörder im Gefängnis zu halten, nicht nur mit der Skepsis der Ermittler, allen voran Captain Push (Arliss Howard) zu kämpfen, sondern auch mit der Tatsache, dass ihr Wissen um die Geschehnisse allein noch keinen Täter überführt. Dabei arbeitet Allison nicht nur für die Toten, sondern gleichzeitig gegen die Uhr ...


Kritik:
In ihrem Buch Kein Abschied für immer [2005] beschreibt die Autorin Allison Dubois, wie ihr mit sechs Jahren ihr verstorbener Großvater erschien und durch sie der Familie mitteilen ließ, dass man sich nicht um ihn sorgen sollte. Ihre Begabung setzt sie als Erwachsene ein, um der Polizei bei Ermittlungen zu helfen und der Staatsanwaltschaft behilflich zu sein. Anhand ihrer Autobiografie erschuf der Produzent und Autor Glenn Gordon Caron, der unter anderem für die beliebte 1980er-Jahre-Serie Das Model und der Schnüffler [1985-1989] verantwortlich zeichnete, die Mystery-Serie Medium [seit 2005], bei der die wahre Allison Dubois als Beraterin fungiert, und die angeblich sehr authentisch von der für diese Rolle sogar Emmy-gekrönten Patricia Arquette verkörpert wird.
Gleichwohl die Geschichten auf der angeblich tatsächlich medial begabten Allison Dubois basieren, erweckt Medium zumindest in den ersten 45 Minuten den Eindruck, als wäre die Serie eine Mischung aus The Sixth Sense [1999] und Millennium [1996-1999] – und erreicht zumindest dabei ihr vorrangiges Ziel, den Zuschauer zu unterhalten.

Die Entscheidung von Serienautor Glenn Gordon Caron, den Auftakt zur Mystery-Reihe nicht in Allisons Kindheit anzusiedeln und ihre erste Begegnung mit ihren Visionen und dem Wahrnehmen der Toten zu zeigen, sondern den Zuschauer quasi unvorbereitet inmitten von Allisons Alltag zu werfen, in dem sie ihre Intuitionen und Erscheinungen bereits akzeptiert hat, auch wenn sie sie nicht verstehen kann, verwundert im ersten Moment, verleiht der Familie Dubois allerdings ein Zusammengehörigkeitsgefühl, dem man sich als Zuseher kaum erwehren kann.
Dafür scheint der Fall selbst allerdings eher unspektakulär, zumal man angesichts der Situation, dass Allison seit Jahrzehnten diese Eingebungen besitzt, und erst jetzt, aus heiterem Himmel darauf reagiert, die lange Wartezeit Protagonistin und ihres Ehegatten, mit ihrem Wissen zu den Behörden zu gehen, nicht verstehen kann. Die Ermittlungen gestalten sich insofern weniger interessant, als dass die Serie nicht den reißerischen und zugegebenermaßen eindrucksvolleren Stilmitteln ähnlich gelagerter Produktionen folgt, und immer wieder mit aufwändig zwischen geschnittenen Visionen das Tempo anzieht, sondern dass Allison den Zuschauer mit ihrem Wissen ebenso überrascht, wie in diesem Fall die Texas Rangers, die mit dem vermeintlichen Hokus-Pokus zunächst nichts anfangen können.
Die Stärken des Skripts liegen somit weniger in der Dramaturgie selbst, als in der erzeugten Atmosphäre, die gelegentlich die normale Welt mit der Sichtweise von Allison Dubois verschmilzt, als auch in den Figuren, die im Falle von der Dubois-Familie durchweg sympathisch geraten sind und dadurch überzeugen können.
Die Dialoge auf der andererseits wirken stellenweise sehr klischeehaft, hin und wieder aber sehr natürlich und amüsant – doch sollte man bei all diesen Kritikpunkten nicht vergessen, dass sich "Anwältin der Toten" als Pilotfilm versteht und die Figuren wie auch die die Interaktion derselben mit der Zeit erst normalisieren wird.

Am Cast gibt es indes nichts zu bemängeln, Patricia Arquette gelingt durch ihr Charisma und ihre natürliche Darbietung ein überzeugendes Spiel, so dass man ihr einerseits die übersinnlichen Elemente, als auch das normale Familienleben problemlos attestiert. An ihrer Seite zeigt Jake Weber, der mit einer Nebenrolle in Geboren am 4. Juli [1989] seinen Leinwandeinstand feierte, dass er in Sachen Ausstrahlung und Natürlichkeit seiner Kollegin durchaus gewachsen ist. Gemeinsam harmonieren sie gekonnt, ohne aber die Ecken und Kanten vermissen zu lassen, die das TV-Paar so interessant gestalten.
Von Miguel Sandoval ist im Pilotfilm wenig zu sehen, David Cubitt tritt gar nicht in Aktion.
Dafür kann der Gastdarsteller Arliss Howard überzeugen, der ein paar wirklich gute Momente zugeschrieben bekommt; auch die TV-Töchter von Allison und Joe machen ihre Sache gut, auch wenn sie nur selten zu sehen sind.
Wie sehr die Serie auf ihre Hauptdarstellerin zugeschnitten ist, erkennt man auch daran, dass selbst von den im Fall gezeigten Geschwistern, verkörpert von Matt Barr und Jamie Litton, nur wenig zu sehen ist. Und doch macht der Cast einen guten Eindruck – und ist dankbarerweise von einem wirklich soliden Tonstudio ins Deutsche synchronisiert. Wie sich die einzelnen Charaktere, und die Darsteller entsprechend, weiterentwickeln werden, muss man abwarten, es wurde allerdings offensichtlich talentierte Akteure verpflichtet.

Die Handwerkliche Umsetzung kommt ohne Mätzchen oder unpassend eingesetzte Zeitlupen oder Zeitraffer aus, wartet dafür aber auch nicht mit einfallsreichen Perspektiven oder ungewöhnlichen Einstellungen auf, auch wenn die Einstellung der um das Bett versammelten Toten im ersten Moment durchaus gruselig anmutet.
Es mag sein, dass andere Regisseure der Serie mehr Wert auf Details legen werden und entsprechend auch eine stimmungsvollere Optik wählen werden, Regisseur Caron setzt seine Story zwar routiniert und ansprechend um, lässt aber weder den Studio-Look gänzlich hinter sich, noch vermag sich die Bildauswahl zwischen atmosphärisch-düster und unbeteiligt hell entscheiden. Etwas mehr Einfallsreichtum und Innovation hätte man von einer neuen Mystery-Serie sicherlich erwartet.

Die musikalische Untermalung von Medium ist hingegen sehr schwer einzuschätzen, obgleich die Mischung der beiden Hauptkomponisten Jeff Beal (Monk [seit 2002]) und Sean Callery (24 [seit 2001]) erstaunlich gut gelingt. Der Score innerhalb der 45 Minuten scheint sowohl leichtfüßig unterhaltsam, wie stimmungsvoll atmosphärisch, wobei kein eindeutiger Schnitt zwischen den orchestralen und den synthesizerlastigen Klängen zu hören ist.
Was dahingegend gänzlich aus dem Rahmen fällt ist die Titelmelodie von Mychael Danna, Ang Lees ehemaligem Hauskomponisten, der unter anderem 8mm - Acht Millimeter [1999] mit einem katastrophalen Score versah, und dessen Kompositionen bei Hulk [2003] selbst dem Studio einem Maße missfielen, dass sie seinen Soundtrack großteils durch den von Danny Elfman ersetzen ließen. Für die neue Mystery-Serie griff der Musiker zu einer klimprigen Melodie, die mitunter amüsant und höhnisch klingt, aber in keinerweise stimmungsvoll zu den ohnehin nicht wirklich gelungenen Bildern passt.
Dass derselbe Komponist für den gelungene Score von Shattered Glass [2003] verantwortlich zeichnet, kann man sich kaum vorstellen. Als Titelthema zu Medium scheint das Motiv jedenfalls gänzlich ungeeignet; man muss abwarten, ob sich die Zuschauer daran gewöhnen werden.

Die mit nur 16 Episoden außergewöhnlich kurze erste Staffel der Serie war in den USA ein voller Erfolg – und das, obwohl die Ausstrahlungspolitik alles andere als vorteilhaft gewesen ist. Ob die krude Reihenfolge, in der die Episoden ausgestrahlt werden (als dritte Episode wird beispielsweise diejenige gesendet, die als neunte erst gedreht wurde) den Charakterentwicklungen nicht mehr schadet als nützt, darüber streiten sich Fans sämtlicher Formate, die unter diesen seltsamen Senderentscheidungen leiden.
Als Pilotfilm ist "Anwältin der Toten" insofern gelungen, als dass die Episode den Grundstein für interessante und charmante Charaktere legt. Inwiefern Autor und Regisseur Glenn Gordon Caron aber die atmosphärischen Stärken der Mystery-Reihe einfängt, bleibt abzuwarten. Hier zeigt sich viel Potential, das vielleicht am ehesten durch die autobiografischen Hintergründe beschränkt wird. Wenn die Macher hiervon abweichen und sich stärker auf den gruseligen Thrill konzentrieren, hat Medium – Nichts bleibt verborgen ohne Zweifel die Chancen, unheimlich und doch nicht klischeehaft zu unterhalten.


Fazit:
Ob die Rolle nun Patricia Arquette auf den Leib geschrieben wurde, oder sie in der Verkörperung der wahren Allison Dubois ihre Paraderolle gefunden hat, macht im Endeffekt keinen Unterschied. Bereits nach der Hälfte von "Anwältin der Toten" kann man sich keine andere Aktrice mehr als sie vorstellen. Ihre Ausstrahlung motiviert auch ihre Ko-Darsteller, allen voran Jake Weber, der an Allisons Seite zwar weniger zu tun bekommt, aber nicht in ihrem Schatten steht.
Doch nach Einführung der gelungenen Hauptfiguren konzentriert sich der Pilot-Film von Autor und Regisseur Glenn Gordon Caron zusehens auf eine Geschichte, die auf Grund der wenigen richtigen Überraschungen und der Tatsache, dass man als Zuschauer mit den meisten von Allisons Eingebungen hinterher konfrontiert wird, anstatt sie mit ihr zu erfahren, nicht in dem Maße fesselt, wie man sich das wünschen würde.
Ob die Macher von Medium diese Kritikpunkte in den kommenden Episoden ausmerzen werden, bleibt abzuwarten – und zu hoffen. Davon abgesehen bietet die Mystery-Serie solide Unterhaltung auf einem in der Tat mystischen Niveau. Ganz egal, ob man nun an die Begabungen von Allison Dubois glaubt, oder nicht.