Maurice der Kater [2023]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 8. Dezember 2022
Genre: Animation / Komödie

Originaltitel: The Amazing Maurice
Laufzeit: 93 min.
Produktionsland: Großbritannien / Deutschland / USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Toby Genkel, Florian Westermann
Musik: Tom Howe
Originalstimmen: Hugh Laurie, Emilia Clarke, Himesh Patel, David Thewlis, Gemma Arterton, David Tennant, Rob Brydon, Julie Atherton, Joe Sugg, Hugh Bonneville, Peter Serafinowicz


Kurzinhalt:

Die Welt ist komplizierter geworden, seit Straßenkater Maurice (Hugh Laurie) sprechen kann. Wie eine Gruppe Ratten lebte auch er auf einem Müllplatz und die wie Nagetiere wurde er intelligent. Die Ratten um Pfirsiche (Gemma Arterton) und Gefährliche Bohnen (David Tennant) sind auf der Suche nach einem Ort, über den sie gelesen haben und wo Tiere und Menschen in Harmonie leben. Maurice hat ihnen versprochen, sie dorthin zu führen, selbst wenn er in Wirklichkeit nur um seinen eigenen Vorteil bemüht ist. Um das notwendige Geld für sein unbeschwertes Leben zu sichern, haben sich Maurice und die Ratten mit dem jungen Menschen Keith (Himesh Patel) zusammengetan. Die Ratten gaukeln Dorfbewohnern eine Plage vor und Keith tritt als Rattenfänger auf, wofür er entlohnt wird. Doch als sie im Dorf von Malicia (Emilia Clarke) ankommen, stellen sie fest, dass die Menschen dort nichts zu essen haben, weil es ihnen angeblich Ratten stehlen, die nie jemand zu sehen bekommt. Als Maurice und die Ratten nachzuforschen beginnen, finden sie Hinweise auf ein mächtiges Wesen, das Böses im Schilde führt …


Kritik:
Über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren veröffentlichte Autor Terry Pratchett Romane, die auf seiner fiktiven Scheibenwelt spielten. Maurice der Kater ist das 28. der insgesamt 41 Bücher und innerhalb der Scheibenwelt-Romane einer, der sich an ein jüngeres Publikum richtet. Die Adaption als Animationsfilm behält sich die skurrile Atmosphäre ebenso wie das Gefühl, dass jenes Fantasy-Universum bedeutend größer sein muss, als man hier vorgestellt bekommt. Als gelungenes Märchen beweisen die Filmemacher Toby Genkel und Florian Westermann nicht nur viel Selbstbewusstsein, sondern präsentieren auch eine Geschichte, die sich ihrer selbst sehr bewusst ist. Was ihr aber merklich fehlt, ist Charme.

Auch wenn man selbst nie einen Scheibenwelt-Roman gelesen hat, dass das Universum, in dem Maurice der Kater spielt, etwas Besonderes ist, wird schon früh deutlich. Eingerahmt von einer Erzählung, die dem Publikum genau das sagt, dass sie eine Rahmenhandlung ist, erzählt die eigentliche Geschichte von dem Titel gebenden Kater Maurice, der sprechen kann. Nicht alle Tiere können sprechen, Maurice aber schon. Er ist auch intelligent und hat – zu seinem eigenen Leidwesen als Katze – inzwischen ein Gewissen. Rundum sympathisch ist er aber nicht, denn Maurice verfolgt seine eigenen Ziele und hat den unbedarften, jungen Menschen Keith eingespannt, mit ihm auf betrügerischen Beutezug zu gehen. Dafür arbeitet Maurice mit einer Gemeinschaft von Ratten zusammen, die ebenfalls sprechen können und sehr intelligent sind. Sie haben sich das Lesen selbst beigebracht und sich daher die Namen von Dingen gegeben, die sie auf der Müllhalde gefunden haben, auf der sie lebten. Diese veränderten Nager sind auf der Suche nach der Insel der Glückseligkeit, von der sie in einem Kinderbuch gelesen haben. Dort sollen alle Tiere sprechen können, es gibt kein Gift und die Tiere fressen einander auch nicht. Maurice hat ihnen versprochen, sie zu dieser Insel zu führen, doch dafür bräuchte es Geld und das verdienen sie sich, indem sie Dörfer heimsuchen, eine Rattenplage vortäuschen und Keith als Rattenfänger auftritt, der sich seine Dienste fürstlich bezahlen lässt.

Die Idee hinter Maurice der Kater klingt somit durchaus verschroben, wobei Maurice seine eigenen Komplizen betrügt, denn er weiß, dass es einen solch glückseligen Ort nicht gibt. Als sie in dem kleinen Dorf Bad Blintz ankommen, müssen sie feststellen, dass dort bereits Rattenfänger tätig sind, die das Geld der Menschen nehmen, die Ratten aber dennoch alle Lebensmittel stehlen. Es herrscht eine Hungersnot. So ist Maurice gefordert, auf sein Gewissen zu hören und den Menschen zusammen mit der Tochter des Bürgermeisters, Malicia, zu helfen. Die tritt bereits zu Beginn als Erzählerin der Rahmenhandlung auf, in ihrem Zimmer mit unzähligen Büchern sitzend. Auch pausiert sie immer wieder die Erzählung, wendet sich wie andere Figuren direkt ans Publikum, durchbricht die vierte Wand und gestaltet die Schilderungen bewusst lustig, mit zahlreichen Bezügen auf das Geschichtenerzählen selbst, dramaturgische Stilmittel und dergleichen. Daher ist die Erzählung nicht nur selbstbewusst, sondern sich ihrer selbst auf einer Metaebene bewusst.

Ältere Zuschauerinnen und Zuschauer mögen das einordnen können, inwieweit ein junges Publikum damit zurechtkommen wird, ebenso mit einer Geschichte, die am Ende recht plötzlich deutlich stärkere Fantasymerkmale zugeschrieben bekommt, bis hin zum personifizierten Tod, muss man abwarten. Wer bzw. was der eigentliche Schurke der Geschichte ist, ist für erfahrene Zuseherinnen und Zuseher bereits beim ersten Auftritt desselben absehbar, aber Maurice der Kater verrät dies auch sehr früh. Das nimmt dem Ganzen ein wenig das unheimliche Flair, das die Figur an sich umgeben soll. Nicht ganz so eindeutig einzuordnen ist hingegen das Aussehen des Animationsfilms, dessen Titelfigur seiner Herkunft nicht wirklich gerecht wird. Als Straßenkater, der auf einem Abfallhaufen gelebt hat, sollte er eigentlich Narben im Gesicht tragen und seine Ohren von Kämpfen zerfetzt sein. Der filmische Maurice wirkt wie die übrigen Figuren und die Welt an sich sehr glatt und makellos. Die eigentlichen Animationen können durchaus gefallen, aber die Scheibenwelt erscheint selbst, wenn sie schmutzig sein sollte, zu ordentlich und sauber, vor allem jedoch steril. Formen und Farben sind gelungen, die Oberflächen lassen jedoch Textur vermissen, im Hintergrund bewegt sich nichts, es scheint nur wenige Charaktere oder Tiere zu geben. Selbst dann, wenn die Erzählung einen düsteren Verlauf nimmt, als die Figuren auf den wirklichen Rattenfänger treffen zum Beispiel, bleibt das Gezeigte hell und farbenfroh.

Diese kreativen Entscheidungen überzeugen nicht immer vollends, es ist jedoch ein Aspekt, der einem jüngeren Publikum kaum auffallen dürfte. Schwerer wiegen die erzählerischen Sprünge in die Rahmenhandlung, die immer wieder Tempo aus der eigentlichen Geschichte nehmen. Nicht nur, dass Maurice als eigentlicher Antiheld kaum so vorgestellt wird, er hat im Verlauf erstaunlich wenig zu tun. Werden die Ratten oder auch Keith und Malicia jeweils mit eigenen Nebenhandlungen und Rettungsmissionen bedacht, verschwindet die Titelfigur gewissermaßen aus der Erzählung, um später zurück zu kommen. So fällt es aber schwer, eine Verbindung zu den Charakteren aufzubauen, die nie so warm oder herzlich wirken, wie man es sich wünschen würde. Darum lässt einen Maurice der Kater merklich kühl zurück, doch das bedeutet nicht, dass dies für ein junges Publikum kein Einstieg in die Scheibenwelt sein kann. Verheißungsvoll klingt diese vorgestellte Welt allemal – nicht nur für ein junges Publikum.


Fazit:
Der erstaunliche Maurice sollte an sich eine konfliktbehaftete Figur sein, die nicht ganz eindeutig gut oder böse ist. Diese Aspekte kommen bei Toby Genkel und Florian Westermann jedoch nur wenig zur Geltung. Dass er selbst im Mittelteil nur wenig zu tun hat, macht es nicht einfacher, mit ihm mitzufiebern. Die Geschichte wirkt dann mehr um die Selbstreflexion bemüht, wenn immer wieder zur Erzählerin Malicia gewechselt wird, als darum, eine spannende Story auf mehreren Ebenen zu erzählen. Die verschrobene Atmosphäre und der durchaus düstere Humor können aber gefallen, ebenso der Look der Scheibenwelt, die jedoch etwas steril erscheint. Doch das Flair, das man mit Terry Pratchetts Fantasy-Universum verbindet, selbst wenn es nur vom Hörensagen kennt, scheint gut getroffen. Dadurch gelingt Maurice der Kater ein frischer Ansatz in einem vielbesuchten Genre, in dem ansprechend und unterhaltsam für ein junges Publikum ein Märchen erzählt wird, das sowohl Lektionen im Umgang Mensch und Tier, aber auch miteinander bereithält. Das ist vielversprechend und stimmiger, als es sich anhört.