Massive Talent [2022]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. März 2022
Genre: Komödie / Action

Originaltitel: The Unbearable Weight of Massive Talent
Laufzeit: 105 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Tom Gormican
Musik: Mark Isham
Besetzung: Nicolas Cage, Pedro Pascal, Sharon Horgan, Lily Sheen, Tiffany Haddish, Ike Barinholtz, Jacob Scipio, Neil Patrick Harris, Alessandra Mastronardi, Paco León, David Gordon Green, Demi Moore, Anna McDonald


Kurzinhalt:

Hollywoodschauspieler Nicolas Cage (Nicolas Cage) scheint seine erfolgreichsten Tage hinter sich zu haben. So beliebt viele seiner früheren Filme sind, er hat es schwer, neue Rollen zu bekommen, auch wenn sein Agent Fink (Neil Patrick Harris) weiter an ihn glaubt. Da sein Schuldenberg immer größer wird, willigt Cage ein, die Geburtstagsfeier des Milliardärs Javi Gutierrez (Pedro Pascal) als Ehrengast zu besuchen, wofür er eine Million Dollar erhält. Javi ist nicht nur Cages größter Fan, sondern hat auch ein Drehbuch geschrieben, von dem er hofft, Cage dafür begeistern zu können. Kaum auf Mallorca für die Feier angekommen, wird Cage von der CIA-Agentin Vivian (Tiffany Haddish) und ihrem Kollegen Martin (Ike Barinholtz) rekrutiert, bei Javi zu spionieren. Denn Javi soll ein gefährlicher Waffenhändler sein und überdies die Tochter eines Politikers entführt haben. Gerade, als er sich eigentlich entschlossen hat, die Schauspielerei an den Nagel zu hängen, muss Nicolas Cage daher seine gefährlichste Rolle übernehmen – es hängt nicht nur sein Leben davon ab …


Kritik:
Nicolas Cage ist vermutlich der einzige Darsteller dieser Welt, der es nicht nur schafft, dass während seiner aktiven Zeit als Darsteller eine Geschichte über ihn erzählt wird, ein Tribut an ihn für seine Werke und seine Art, Figuren zum Leben erwecken, sondern dass eine fiktionalisierte Version seines Lebens Teil der Erzählung wird – in der er selbst auch noch die Hauptrolle übernimmt. Massive Talent klingt von der Grundidee her so überlebensgroß wie der Star im Zentrum und weil der sich ebenso wenig wie diese Ode an ihn ernst nimmt, ist das Ergebnis ein Riesenspaß. Für die Beteiligten und das Publikum, das sich darauf einlässt.

Als Schauspieler hat der heute 58jährige Nicolas Cage die größten Höhen einer Karriere im Showgeschäft ebenso durchlebt wie die düstersten Tiefen. Inzwischen zum fünften Mal verheiratet, wobei seine vorige Ehe gerade einmal eine Woche hielt, wurde er für seine Rolle im Drama Leaving Las Vegas: Liebe bis in den Tod [1995] mit dem prestigeträchtigen Oscar ausgezeichnet. Doch führte sein ausschweifender Lebensstil, dem er unter anderem eine Insel und Luxusanwesen zu verdanken hat(te), dazu, dass er vor etwas mehr als 10 Jahren nicht nur zahlungsunfähig war, sondern Steuerschulden in zweistelliger Millionenhöhe hatte. Seinem „Marktwert“ hat dies zwar merklich geschadet, nicht aber seinem Arbeitseifer. Seither hat er in circa 50 Produktionen mitgewirkt und genießt bei einem nicht zu unterschätzenden Teil des Publikums Kultstatus. Dieser Arbeitseifer ist es auch, der Teil der Geschichte von Massive Talent ist, denn sein Talent sticht selbst in ausgesprochen mäßigen oder gar grauenvollen Filmen stets hervor. Cage wirft sich mit einer geradezu bewundernswerten Hingabe in seine Rollen und ringt ihnen dabei teilweise eine beinahe manische Egozentrik ab. Und doch verbergen sich zwischen all den vielen Filmen mitunter auch Schmuckstücke für die er nicht zuletzt Preise verdient hätte.

Zwischen diesen Extremen ist auch die Figur Nicolas Cage hin- und hergerissen, die der Schauspieler Nicolas Cage hier verkörpert. Dabei ist Massive Talent keine Biografie. Nick Cage ist eine ebenso fiktive Figur wie die anderen Rollen, in die der Darsteller für gewöhnlich schlüpft, selbst wenn in Manchem ein Hauch mehr Wahrheit stecken mag, als sonst. Nach einem kurzen Prolog, in dem ein junges Paar eine Szene aus Con Air [1997] (mit Nicolas Cage) ansieht, schwenkt die Geschichte zu dem Schauspieler Nicolas Cage, der ein Vorsprechen vor einem Regisseur improvisiert, weil er hofft, mit seiner nächsten Rolle zu altem Ruhm zurückfinden zu können. Doch die Rolle, die er dringend brauchen würde, um seine Schulden begleichen zu bekommen, erhält er nicht. Dafür das Angebot des Milliardärs Javi, der Cage als Ehrengast bei seiner Geburtstagsfeier auf Mallorca begrüßen möchte. Javi hat auch ein Drehbuch geschrieben und hofft, sein Filmstar-Idol für die Hauptrolle begeistern zu können. Dabei hat Nick an sich mit der Schauspielerei abgeschlossen und möchte für seine Tochter sein Leben in den Griff bekommen, selbst wenn sein imaginäres, jüngeres Ich Nicky, von dem er regelmäßig halluziniert, ihn davon überzeugen will, dass er immer noch der unbesiegbare Superstar ist, von dem er sich früher einredete, er wäre es bzw. müsste es sein.

Die Geburtstagsfeier auf Mallorca könnte ein Auftritt wie jeder andere sein, würde Cage nicht von der CIA angesprochen, die der Überzeugung ist, Javi sei ein Waffenhändler und hätte die Tochter des katalanischen Präsidenten entführt mit der Drohung, sie zu töten, wenn der Präsident sich nicht aus der anstehenden Wahl zurückzieht. So wird der Schauspieler Nicolas Cage zum Spion in einer Geschichte über sich selbst. Das klingt absurd bis vielleicht sogar grotesk und stellt eine Metaebene der eigenen Erzählung dar, doch gerade deshalb funktioniert Massive Talent so erstaunlich gut. Tom Gormican gelingt ein Film, bei dem Fans des Hauptdarstellers aus dem Lächeln kaum herauskommen werden. Zu gelungen die zahlreichen Selbstreferenzen, zu locker Cages Umgang mit der Sicht des Publikums auf ihn selbst – aber auch erstaunlich ehrlich im Umgang mit der eigenen Karriere. Sieht man die digital verjüngte Version Nicky, die seine Entscheidungen beeinflusst, ihn von einem Reifungsprozess abzuhalten scheint, oder den bittersüßen Moment, ganz, ganz am Ende, wenn er erkennt, worauf es ankommt, wenn er seiner Rolle als Vater gerecht werden will, dann ist es beinahe, als würde Cage dem Publikum ein wenig Einblick in seinen inneren Zwist bieten.

Diese ernsteren Momente sind selten und so erfrischend die Leichtigkeit ist, mit der Massive Talent erzählt wird, vielleicht hätte die Actionkomödie auch einige tiefergehenden Aspekte stärker aufgreifen sollen. Dieser Würdigung der Karriere von Nicolas Cage beizuwohnen und dabei zuzusehen, wie er sich selbst zum Leben erweckt, ist ein überlebensgroßer Spaß, der sein Herz für den Darsteller sowie den Menschen im Zentrum, der sich aus seinem Tief mühsam wieder nach oben spielt, kaum im Zaum halten kann. Inhaltlich mag das hanebüchen sein, aber das ist hier nicht wichtig. Das Ziel des Ausflugs steht nicht im Zentrum, sondern die Gesellschaft auf dem Weg dorthin. Und die könnte kaum besser gelaunt sein. So sehr, dass es sich auf die, die ihn begleiten überträgt.


Fazit:
Nach so vielen unterschiedlichen Figuren, die Produzent und Schauspieler Nicolas Cage in seiner vierzigjährigen Karriere bereits verkörpert hat, spielt er nun eine, die womöglich schwerer zu treffen ist, als irgendeine andere: Sich selbst. Zumindest eine fiktive Version seiner Selbst, die basierend auf Vielem, was das Publikum über ihn weiß, mit ihm auch verbindet. Die schauspielerische Bandbreite, die er dabei zum Besten geben darf, ist geradezu berauschend und in seinen extrovertierten Szenen ebenso herausragend wie in seinen leisen. Von einer Idealvorstellung seiner Karriere durch Nicolas Cages jüngeres Ich getrieben, offenbart Filmemacher Tom Gormican Einblicke in Wesenszüge des Darstellers, die wenigstens authentisch scheinen. Ob sie es sind, sei dahingestellt. In manchen Momenten nicht mutig genug, die ernsten Ansätze zu verfolgen, ist dies hauptsächlich (aber nicht nur) für Fans von Cage ein wahres Fest mit so viel Humor, dass die Leinwand zu vibrieren scheint, nicht zuletzt dank des Zusammenspiels mit einem nicht minder fulminanten Pedro Pascal. Zugegeben, wirklich mitreißend ist das nur selten, aber als sich ihrer selbst bewusste Komödie besitzt Massive Talent nicht nur Talent und ist toll gespielt, sondern hat erstaunlich viel Charme. Als Denkmal für die Figur im Zentrum, einer lebenden Legende, die beide Aspekte vereint, Filmstar und Charakterschauspieler, kann man sich kaum mehr wünschen.