Mama [2013]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 7. August 2016
Genre: Horror

Originaltitel: Mama
Laufzeit: 100 min.
Produktionsland: Kanada / Spanien
Produktionsjahr: 2013
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Andrés Muschietti
Musik: Fernando Velázquez
Darsteller: Jessica Chastain, Nikolaj Coster-Waldau, Megan Charpentier, Isabelle Nélisse, Daniel Kash, Javier Botet, Jane Moffat, Elva Mai Hoover, Morgan McGarry, Maya Dawe, Sierra Dawe, David Fox, Julia Chantrey


Kurzinhalt:

Fünf Jahre hat Lucas (Nikolaj Coster-Waldau) nach seinen Nichten Victoria (Megan Charpentier) und Lilly (Isabelle Nélisse) sowie seinem Bruder gesucht. Dieser hatte zuerst zwei Geschäftspartner und seine Ehefrau ermordet und dann mit den Mädchen spurlos verschwunden. Als Victoria und Lilly in einer verlassenen Hütte im Wald gefunden werden, sind sie halb verhungert und vollkommen verwahrlost. Die achtjährige Victoria erlernt schnell die Sprache wieder, die sie bereits gekannt hatte, die zwei Jahre jüngere Lilly hingegen tut sich sehr schwer. Unter Aufsicht des Psychologen Dr. Dreyfuss (Daniel Kash) darf Lucas die Mädchen zu sich und seiner Lebensgefährtin Annabel (Jessica Chastain) nehmen, doch schnell merken sie, dass mit den Mädchen noch etwas Anderes aus dem Wald zu ihnen gekommen ist ...


Kritik:
Was macht Ihnen Angst? Es ist eine Frage, die sich ein jeder Zuschauer bzw. eine jede Zuschauerin stellen sollte, bevor man sich einen Horrorfilm ansieht. Wer keine Angst vor Spinnen hat, dem wird bei Filmen wie Arachnophobia [1990] nicht der Angstschweiß auf der Stirn stehen. Regisseur Andrés Muschietti scheinen Geister Angst zu machen, die nach seinem Gruselfilm Mama, bezogen auf ihre Eigenschaften, ins Gegenteil verkehrte Persönlichkeiten sind. Seine Schreckensvision setzt mehr auf eine bedrohliche Stimmung, denn auf blutigen Horror und ist gerade deshalb gelungen. Nur verlässt er sich am Ende mehr auf Tricks, denn auf die Figuren.

Fünf Jahre, nachdem Broker Jeffrey Desange sowohl seine Geschäftspartner, als auch seine Ehefrau nach dem Verlust seines Vermögens auf Grund des Finanzcrashs ermordet und seine beiden kleinen Töchter Victoria und Lilly in eine abgelegene Hütte im Wald gebracht hat, um es ihnen und sich gleichzutun, werden die verängstigten und verwahrlosten Kinder gefunden. Jeffreys Bruder Lucas hat aus eigenen Mitteln die Suche all die Zeit aufrechterhalten. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Annabel Moore nimmt er die Töchter auf, überwacht vom Psychologen Dr. Dreyfuss.

Diese zwei jungen Mädchen wieder in die normale Welt zu integrieren, wäre bereits Story genug für einen abendfüllenden Spielfilm, doch in Mama sind die Mädchen nicht allein aus dem Wald zurückgekehrt. Auch wenn man aus der Filmvorschau bereits darauf schließen kann, sei hier nicht verraten, worum es sich bei der Titel gebenden Figur handelt. Es überrascht deshalb auch nicht, dass nicht Lucas als Onkel der Mädchen, sondern Annabel die eigentliche Hauptfigur ist, die selbst nie vorhatte, Mutter zu werden und diese Rolle anfangs auch nicht wahrnehmen möchte.

Mit ausgewaschenen Farben, einem großen, leeren Haus, in dem es hier und dort knarzt und knackt, vor allem aber dank der gelungenen Perspektiven erzeugt Regisseur Muschietti eine beunruhigende Atmosphäre. Statt den Geist im Ganzen zu zeigen, hält er sich lange Zeit zurück und erzeugt mit langen Einstellungen, bei denen man nicht zu blinzeln wagt, oder langsamen Kameraschwenks eine Spannung, die dem schnell geschnittenen Splatter um Welten voraus ist. Doch so mustergültig diese Aspekte sind und so sehr sie die erste Filmhälfte über ausreichen, um das Interesse des Publikums zu halten, Mama setzt im Verlauf zunehmend auf bekannte Genrekniffs und Ideen, die seit Jahrzehnten in dieser Art Film bereits altbekannt sind.

Sei es der Arzt, der die Puzzleteile um die mysteriösen Hintergründe zusammensetzt, aber niemanden, den es betrifft, darüber informiert, bis es zu spät ist, oder die Tatsache, dass Figuren urplötzlich dort auftauchen, wo sie gebraucht werden, auch wenn es hierfür keine Erklärung gibt. Am offensichtlichsten ist dies kurz vor dem Finale, wenn Lucas in Richtung der abgelegenen Hütte fährt, um etwas abzuklären, der Film dann das Interesse an ihm zu verlieren scheint, ehe er Annabel buchstäblich vors Auto läuft auf dem Weg zur letzten Konfrontation.
Auch handwerklich setzt Andrés Muschietti auf diese "billigen" Tricks, so dass unerwartete Erscheinungen immer von lauter Musik oder lauten Geräuschen begleitet werden. Ich fordere dabei alle Gruselfilmmacher heraus, in nur einem Film auf diese Begleiterscheinungen zu verzichten und behaupte, dass allein das Auftauchen auch ohne Geräusch schon erschreckend genug ist.

So interessant und ausgeklügelt die Perspektiven im Haus sind, so einfallslos sind sie stellenweise draußen und wirken gerade auf dem Weg zum Showdown, als wären sie im Studio entstanden und mit einem extremen Farbfilter verfälscht worden. Das künstliche Licht bleibt Mama beim Finale auch erhalten, das so sehr auf Computertricks setzt, dass der Bezug zu den Figuren fast vollkommen verloren geht. Dass es anders geht, beweist Muschietti in den ersten zwei Dritteln selbst. Es ist schade, dass er sich nicht bis zum Ende treu bleibt.


Fazit:
Mama ist ein stellenweise sehr beunruhigender Gruselfilm des argentinischen Filmemachers Andrés Muschietti, der es versteht, eine gelungene Atmosphäre aufzubauen. Doch das Konzept des auf seinem Kurzfilm basierenden Spielfilms trägt nicht über die gesamte Laufzeit. Trotz der guten Besetzung, zu der auch zwei sehr junge Darstellerinnen gehören, verlässt sich der Regisseur im letzten Drittel auf computergenerierte Bilder, die zum greifbaren Horror dessen, was davor geschehen ist, kaum passen. Dass er zunehmend auf bekannte – laute – Erschreckeffekte setzt und all diejenigen Figuren zu Opfern werden, die man erwarten würde, trübt am Ende etwas den Spaß am Zuschauen.