Lou – Abenteuer auf Samtpfoten [2023]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 5. Juni 2023
Genre: Unterhaltung

Originaltitel: Mon chat et moi, la grande aventure de Rroû
Laufzeit: 83 min.
Produktionsland: Frankreich / Schweiz
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Guillaume Maidatchevsky
Musik: Julien Jaouen
Besetzung: Capucine Sainson-Fabresse, Corinne Masiero, Lucie Laurent, Nicolas Umbdenstock, Juliette Gillis


Kurzinhalt:

Als die junge Clémence (Capucine Sainson-Fabresse) auf dem Dachboden ein Katzenjunges findet, nennt sie es Rroû, weil es so stark schnurrt. Sie darf es behalten und verspricht, sich darum zu kümmern. Tatsächlich lenkt Rroû auch Clémence von den Sorgen ab, die sie umtreiben. Denn ihre Eltern Isa (Lucie Laurent) und Fred (Nicolas Umbdenstock) streiten sehr oft und haben keine Zeit für sie. Im Sommer fahren sie zu einem abgelegenen Haus im Wald, einige Stunden außerhalb von Paris. Dort erlebt nicht nur Rroû zum ersten Mal die unberührte Natur, Clémence trifft auf die eigenwillige Nachbarin Madeleine (Corinne Masiero). Die Künstlerin hat einen großen Hund und lebt zurückgezogen. Doch die Angst, die Clémence vor der Fremden hat, rührt eher daher, dass sie sie nicht kennt und je mehr Dinge sich in ihrem Leben ändern, umso mehr fürchtet sie sich. Rroû ist ihr Anker, der sie tröstet – doch wird er schnell erwachsen und als er im Wald davonläuft, beginnt für ihn und für Clémence ein Abenteuer, das beider Leben auf den Kopf stellt …


Kritik:
In tollen Bildern und mit einem Gespür für Momente, die auch ohne Dialog die richtigen Worte finden, erzählt Dokumentar- und Naturfilmer Guillaume Maidatchevsky in Lou – Abenteuer auf Samtpfoten eine vor allem an ein junges Publikum gerichtete Familiengeschichte, in der das Mädchen Clémence ebenso erwachsener wird wie ihr Titel gebende Kater. Was ihr widerfährt, klingt alltäglich und doch prägen sie ihre Erfahrungen wie kaum andere in ihrem Leben. Dem beizuwohnen, ist berührend, lehrreich und hoffnungsvoll.

Clémence, mit Spitznamen „Clem“, erzählt ihre Geschichte, die mit einem Wurf Katzen beginnt, die auf einem Dachboden in Paris das Licht der Welt erblicken. Ein Kater, der später auf Grund des Geräuschs seines intensiven Schnurrens Rroû (deutsch: Lou) genannt wird, ist neugieriger und mutiger, als seine Geschwister. Sie warten vorsichtig ab, während Rroû tapsig die Umgebung erkundet und sogar nach einem erfolglosen Versuch durch ein Dachfenster in eine viel größere Welt schreitet. Zusammen mit ihrer Freundin beobachtet Clem die Katzenjungen, doch als es ein paar Tage später offensichtlich wird, dass die Katzenmutter nicht zurückkommt, nehmen sich die Mädchen der Jungen an. Die Annäherung zwischen Clémence und Rroû ist dabei herzerwärmend umgesetzt und auch im Folgenden gelingen Lou viele Augenblicke, in denen deutlich wird, wie viel der junge Kater Clem bedeutet. Obwohl ihre Eltern nicht begeistert sind, darf sie Rroû behalten. So spendet der Kater Clem auch Trost, als sie wie beinahe jeden Abend mit anhören muss, wie ihre Eltern streiten. Ein Besuch auf dem im Wald gelegenen Landgut La Charmeraie ist für Clem wie für Rroû ein großes Abenteuer, zumal sie dort auf die eigenwillige Nachbarin, die Künstlerin Madeleine treffen, die Clémence nur „die Hexe“ nennt, und die mit ihrem großen Hund „Rambo“ für sich allein lebt.

Lou – Abenteuer auf Samtpfoten betrachtet die unterschiedlichen Aspekte der Geschichte aus der jeweiligen Perspektive der einzelnen Figuren. Sei es Clémence, die versucht, mit ihren sich verändernden Lebensumständen zurecht zu kommen, oder Rroû, der im Wald allerlei seltsame Tiere und eine vollkommen andere Umgebung vorfindet. Dabei bewahrt sich Filmemacher Maidatchevsky eine geradezu ansteckende Begeisterungsfähigkeit und vermittelt ein Gefühl des Staunens. Die Aussagen, die der Film findet, sind grundsätzlich nicht neu, aber für das Zielpublikum nicht nur ansprechend, sondern auf Augenhöhe herausgearbeitet. So will Clémence nicht erwachsen werden, wenn es heißt, dass ihr mehr Dinge widerfahren, die sie traurig machen. Auch muss sie erkennen, dass die schroff auftretende Madeleine jemand ist, der wie ihr sehr viel an der Natur und den Tieren liegt, weshalb sie mehr über Katzen weiß, als Clems Eltern. Rroû hingegen entdeckt seine unabhängige Seite, stellt jedoch fest, dass er nicht an der Spitze der Nahrungskette steht. Zu lernen, dass es Dinge gibt, die man nicht ändern, dass Glück auch vergänglich sein kann und man stärker aus Rückschlägen hervorgeht, gehört zum Erwachsenwerden dazu.

Die Beziehung zwischen Clémence und Rroû ist dabei nicht ohne Höhen und Tiefen, denn auch wenn sie den jungen Kater erziehen will, der hat seinen eigenen Kopf und so wie ihre familiäre Situation, entgleitet Clem auch ihr neuer Gefährte zusehends. Das führt dazu, dass Lou – Abenteuer auf Samtpfoten im zweiten Drittel ein wenig orientierungslos scheint und die zahlreichen Tier- und Naturaufnahmen des einzige sind, was die Geschichte voranbringt. Doch ist das in Anbetracht der Schönheit der gezeigten Bilder kein wirklicher Kritikpunkt. Die Vermenschlichung der Tiere geschieht hier ausschließlich durch Clémence, die während der Erzählung spürbar verständiger und reifer wird. Auch durch ihre Zeit mit Madeleine, die sie zwar durch eine harte Schule schickt, als Clem einige Tage bei ihr verbringt, doch ist es eine Zeit, die dem Mädchen verdeutlicht, dass ihre Handlungen Konsequenzen haben.

Die Gefahren sind dabei nie zu düster, die Erzählung anfangs bedeutend humorvoller – unterstrichen durch die Musik – und im Verlauf verständiger, als zu Beginn. Vor allem jedoch lebt die Geschichte neben den Eindrücken von der Natürlichkeit und Sympathie der jungen Capucine Sainson-Fabresse, die als Clémence hier ein großes Abenteuer erlebt. Ein junges Publikum kann mit ihr erleben, welche Unwägbarkeiten das Leben bereithält und was für ein Zauberwald unmittelbar vor der eigenen Haustüre liegt. Mag sein, dass man dies schon gehört hat, doch es ist so warmherzig und toll eingefangen präsentiert, dass der kurze Familienfilm nur so dahinfliegt. Schön!


Fazit:
Mit der zurückgezogenen Madeleine, die aus dem Schrott, den sie im Wald findet, Skulpturen erschafft, präsentiert die Geschichte einen Gegenpol zu dem hektischen Stadtleben, das Clémence ansonsten gewohnt ist. Doch deren Aussagen werden nur am Rand präsentiert, erschließen sich daher eher einem älteren Publikum. Junge Zuschauerinnen und Zuschauer hingegen werden sich von den wunderbaren Naturaufnahmen und den tierischen Porträts einnehmen lassen, die gerade zu Beginn ansteckend putzig geraten. Ein wenig mäandriert die Geschichte und die Tiere wirken mitunter älter oder jünger, von Schnitt zu Schnitt. Aber das verzeiht man in Anbetracht der Warmherzigkeit, die Lou – Abenteuer auf Samtpfoten von Grund auf ausstrahlt. Wunderschön fotografiert, profitiert Regisseur Guillaume Maidatchevsky von seinen Dokumentarfilmwurzeln, wobei die Geschichte über das Erwachsenwerden universell bleibt. Clémence und Rroû müssen so lernen, unabhängiger zu werden, Gefahren zu begegnen und anderen zu vertrauen, selbst wenn dies bedeutet, loslassen zu müssen. Das wirkt am Ende ein wenig bittersüß, ist aber auch deshalb sehenswert gelungen. Nicht nur für Katzenmenschen.