Lloronas Fluch [2019]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 12. April 2019
Genre: Horror / ThrillerOriginaltitel: The Curse of La Llorona
Laufzeit: 93 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Michael Chaves
Musik: Joseph Bishara
Darsteller: Linda Cardellini, Roman Christou, Jaynee-Lynne Kinchen, Marisol Ramirez, Raymond Cruz, Patricia Velasquez, Sean Patrick Thomas, Tony Amendola, Irene Keng, Oliver Alexander, Aiden Lewandowski
Kurzinhalt:
Los Angeles, 1973. Nachdem die Jugendamt-Mitarbeiterin Anna (Linda Cardellini) die zwei Söhne von Patricia Alvarez (Patricia Velasquez) aus einer verschlossenen Kammer befreit, glaubt sie, das Richtige zu tun. Aber nicht nur, dass die Kinder ein schlimmes Schicksal ereilt, Annas Sohn Chris (Roman Christou) und ihre Tochter Sam (Jaynee-Lynne Kinchen) werden fortan von einer Furcht einflößenden Erscheinung heimgesucht. Von Priester Perez (Tony Amendola) erfährt sie, was es mit dem Fluch der weinenden Frau, La Llorona (Marisol Ramirez), auf sich hat. Ihre einzige Hoffnung ist der ehemalige Geistliche Rafael Olvera (Raymond Cruz). Dabei gerät auch Anna selbst in den Bann des drei Hundert Jahre alten Fluchs, der ihr ihre Kinder nehmen will …
Kritik:
Nicht nur, aber auch für Fans des Conjuring-Franchise, in dessen Universum der Grusel-Horrorfilm angesiedelt ist, dürfte es eine gute Nachricht sein: Lloronas Fluch ist kein schlechter Film. Das bedeutet zwar gleichzeitig noch nicht, dass es ein sehenswerter oder sehr guter Film ist, aber es ist immerhin ein Anfang. Zumindest, soweit man das Gezeigte überhaupt beurteilen kann, denn Michael Chaves’ Film ist einer der dunkelsten, die seit langer Zeit zu sehen waren. Das trägt aber nur bedingt zur Atmosphäre bei.
Die Geschichte beginnt mit einem Prolog in Mexiko vor 300 Jahren. Nicht, dass dieser notwendig wäre, oder die genaue Zeitspanne irgendeine Bedeutung hätte. Beides soll wohl vielmehr suggerieren, es hätte eine besondere Bedeutung. Danach springt die Erzählung ins Los Angeles des Jahres 1973. Im Zentrum der Story stehen die alleinerziehende Jugendamt-Mitarbeiterin Anna, ihr Sohn Chris und dessen Schwester Sam. Als Anna erfährt, dass zwei Söhne in dem offenen Fall von Patricia Alvarez nicht zur Schule gekommen sind, fürchtet sie, dass das Jugendamt einschreiten muss. Sie stattet der verzweifelten Mutter einen Besuch ab und kann deren Söhne aus einer verschlossenen Kammer befreien, doch damit bringt sie den Fluch von „La Llorona“, der weinenden Frau, über sich und ihre eigenen Kinder. Was es damit auf sich hat, sollte das Publikum selbst entdecken. Es soll reichen zu sagen, dass Lloronas Fluch inhaltlich geradeheraus ist. Dasselbe trifft auch für die handwerkliche Umsetzung zu.
Wie in vielen aktuellen Filmen des Genres präsentiert Filmemacher Chaves seine übernatürliche Gruselstory mit einer beständig ominösen Musik und begleitet die Schockmomente mit lauten Geräuschen oder entsprechend ohrenbetäubenden Cues. Dass das trotz der vielfach an diesem Stil angebrachten Kritik dennoch funktioniert, liegt einerseits an den gelungenen Perspektiven, die immer wieder etwas erahnen lassen, ehe es überhaupt zu sehen ist, und an der Besetzung. Mit den ausgewaschenen Farben und der schwachen Beleuchtung ist Lloronas Fluch allerdings derart dunkel, dass stellenweise große Teile des Bildes einfach schwarz sind. Dass man folglich zum Teil gar nicht erkennen kann, was geschieht, überrascht somit nicht.
Die Besetzung wird von einer starken Linda Cardellini toll angeführt, obwohl ihre Figur bis zum Schluss passiv bleibt. Auch das ist ein Klischee heutiger Horror-Filme. Wurden die Figuren in diesen Storys vor 20 oder 40 Jahren Opfer des personifizierten Bösen, setzten sich spätestens im letzten Drittel dagegen zur Wehr. Heute verschanzen sie sich lediglich. Sie reagieren, statt selbst zu agieren und bleiben damit genau das: Opfer. Wo sind die starken Figuren der Horror-Filme von einst, etwa Laurie in Halloween – Die Nacht des Grauens [1978] oder Sidney aus Scream - Schrei! [1996]?
Immerhin suchen Anna und die Kinder Hilfe, zuerst bei Priester Perez, der sie jedoch an den unkonventionellen Rafael Olvera verweist. Bis es soweit ist, werden meist die Kinder Ziel der übernatürlichen Erscheinung. Dass ausgerechnet sie von der Horror-Gestalt heimgesucht werden, macht die Momente für erwachsene Zuschauer umso beängstigender, selbst wenn sich die Schockmomente stets auf dasselbe konzentrieren. Ein unheimliche Situation wird aufgebaut, die Musik verrät, dass in Kürze etwas geschehen muss und aus dem vermeintlichen Nichts erscheint La Llorona mit einem lauten Geräusch. Diese Art Horror funktioniert, aber das ungute Gefühl, das einen beschleicht hält nur kurz und bleibt oberflächlich. Während es beim letztjährigen (und bei den Oscars sträflich ignorierten) Hereditary – Das Vermächtnis [2018] zahlreiche Momente gab, bei deren Erinnerung daran mir jetzt noch heiß und kalt wird, gibt es in Lloronas Fluch keine Situation, die wirklich Eindruck hinterlässt.
Dass Regisseur Michael Chaves zudem keine richtige Mythologie um die Figur aufbaut, sondern stattdessen einen unnötigen Prolog voranstellt, als wäre die reine Erzählung dieser tragisch schrecklichen Person nicht bedeutend effektiver, ist bedauerlich. Wie die Opfer den Fluch tatsächlich auf sich ziehen, ob man ihren Namen sagen, etwas berühren, die Tür für sie öffnen muss, oder sie nur dort existiert, wo Wasser ist, wird nie ansatzweise geklärt. Ebenso wenig, wie man den Fluch wieder los wird. Immer wieder wartet Olvera mit einem neuen „Gegenmittel“ auf, als würde er sich dies ausdenken, während die Geschichte voran schreitet. Grundregeln legen die Macher vorab keine fest.
Dies klingt alles überaus negativ, aber so ist es nicht gemeint. Lloronas Fluch ist ein durchweg routinierter Gruselfilm, der seinen Horror glücklicherweise nicht aus Splatter-Eskapaden zieht. Aber statt dies mit einem persönlichen Trauma oder einer tiefgehenden Charakterstudie zu kombinieren, bleiben die Figuren wie die Geschichte und der Horror selbst allzu oberflächlich. Immerhin bieten die Macher einen richtigen Abschluss – das ist gerade in diesem Genre eine willkommene Abwechslung.
Fazit:
Das Zeitkolorit der frühen 1970er-Jahre fängt Regisseur Michael Chaves gelungen ein, ohne dass er es in irgendeiner Form unterstreichen würde. Sein Grusel-Film besitzt – abgesehen von den sichtbaren Schlaghosen – eine willkommen zeitlose Optik. Die ist auch eines der Highlights; die Perspektiven sind allesamt gut ausgesucht, sofern man angesichts der viel zu dunklen Bilder etwas erkennen kann. Auch die Besetzung, angeführt von Linda Cardellini und mit zwei sehr guten Jungdarstellern, trägt zur unheimlichen Atmosphäre bei. Doch die jeweiligen Szenen sind so vorhersehbar, dass man bei jedem einzelnen, unheilvollen Moment weiß, wie er enden wird. Da die Geräusche und teils auch die Musik irrsinnig laut eingespielt werden, erschrickt man zwar, wirklich für Gänsehaut sorgen jedoch nur die hochfrequenten, Angst erfüllten Schreie der Kinder. Trotz der an sich gut gesetzten Stimmung, ist Lloronas Fluch in keiner Weise außergewöhnlich. Als blutarme, unheimliche Horror-Unterhaltung für zwischendurch machen vor allem Fans der Conjuring-Filme hier allerdings nichts falsch.