Lara Croft: Tomb Raider [2001]

Wertung: 2 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 14. Dezember 2002
Genre: Fantasy / Action

Originaltitel: Lara Croft: Tomb Raider
Laufzeit: 100 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien / Deutschland / Japan
Produktionsjahr: 2001
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Simon West
Musik: Graeme Revell
Darsteller: Angelina Jolie, Jon Voight, Iain Glen, Noah Taylor, Daniel Craig


Kurzinhalt:
Die Illuminaten sind ein Geheimbund, der seit Jahrzehnten darum bemüht ist, Ordnung in der Welt herzustellen – doch dabei verfolgen sie meist ganz eigene Ziele. Wenn sich in Kürze die Planeten in einer Reihe befinden, soll es möglich sein, das Allsehende Auge zu erlangen, ein mystisches Relikt, das dem Besitzer die Macht gibt, sich durch die Zeit zu bewegen und die Geschichte zu verändern.
Archäologin und Abenteuerin Lara Croft (Angelina Jolie) muss das, wie ihr verstorbener Vater (John Voight) ihr in einem hinterlassenen  Brief mitteilt, um jeden Preis verhindern.
Der Geheimbund beauftragt unterdessen Manfred Powell (Iain Glen), die nötigen Teile zu sammeln, um das Allsehende Auge zu erlangen; der Zeitdruck ist hoch: Nach der Planetenzusammenkunft wird es weitere 5000 Jahre dauern, bis der Zugang zum Auge offen ist.
Powell setzt alles daran, die Stücke zu bekommen, doch Lady Croft ist ihm immer einen Schritt voraus.


Kritik:
"Gestatten, Jones, Henriette Jones Jr." - so in etwa empfanden viele Fans des Abenteurers Indiana Jones die Spiele-Heldin Lara Croft, die 1996 das Licht der Welt erblickte. Wie eine weibliche Kopie des legendären Helden sah Lara Croft auf den Fernsehern und PC-Monitoren aus. Ausgestattet mit unnatürlich üppiger Oberweite, Kahki-Shorts, frechen Sprüchen auf den Lippen und zwei Pistolen im Anschlag tat sie das, was Indiana Jones im Computer- und Video-Spiel-Bereich verpasste: Sie führte die Action-Adventures mit archäologischem Hintergrund in die dritte Dimension.
Nie zuvor gab es eine solch ausgefeilte 3D-Umgebung bei den Spielekonsolen, die der Spieler erforschen konnte, wo man Rätsel lösen, Gegenstände kombinieren musste und gegen allerlei Gegner kämpfen. Dämonische Urzeitviecher, Dinosaurier, Wölfe und auch menschliche Gegner waren dabei.
Das Spiel wurde ein Verkaufserfolg und das zurecht. Dass Lara Croft ursprünglich als Mann konzipiert war, war schnell vergessen, denn man konnte Indiana Jones nicht einfach plagiieren.
Fortan hinkte der raubeinige Archäologe mit seinen eigenen Spielen dem weiblichen Klon hinterher, im virtuellen Sinne. Mit "Tomb Raider II" kam ein Spiel auf den Markt, das actionreicher war, als das erste, mit verbesserter Grafik und mehr Bewegungsmöglichkeiten.
Doch danach sank der Stern der Pixelhelding zusehends, auch wenn sie weiterhin als Popikone der 90er gefeiert wurde. Mit "Tomb Raider III" wiederholten sich die Stories, die Rätsel wurden unlogisch und obwohl Teil "IV" einen Schritt in die richtige Richtung ging, konnte es die Fans nicht restlos überzeugen.
Zu allem Überfluss starb die virtuelle Schönheit am Schluss – oder doch nicht? Das fünfte Spiel zeigte nur Episoden aus ihrem Leben und lüftete das Geheimnis nicht, das erst mit "Tomb Raider – The Angel of Darkness" im Frühjahr 2003 geklärt werden soll.

Pläne zu einer Verfilmung gab es seit jeher, immerhin war mit einem vierten Indiana Jones-Film nicht zu rechnen und die Fans lechzten, wie man an Die Mumie [1999] sehen konnte, nach sandigen Abenteuern mit übernatürlichen Wesen.

Ein Problem war allerdings, eine ideale Besetzung für die Rolle der unkonventionellen Frau zu finden. Neben Sandra Bullock und vielerlei anderen Darstellerinnen, kam auch Angelina Jolie, Tochter von John Voight in Betracht, die letztendlich das Rennen machte.
Als Fan der Spielereihe muss ich zugeben: Angelina Jolie ist perfekt als personifizierte Lara Croft. Ausstrahlung, Charisma, Bewegungen und Aussehen passen wie die Faust aufs Auge – eine bessere Lara kann man sich als Fan nicht wünschen. Wieso die Macher allerdings trotz ihrer Traummaße darauf bestanden, mittels eines aufgeblähten BHs eine größere Oberweite zu simulieren, wird ihr Geheimnis bleiben; dadurch verleihen sie schon der Person Lara Croft etwas Comicartiges, das nicht nötig gewesen wäre.

80 Millionen Dollar kostete der erste Tomb Raider-Kino-Film, der unter anderem in den Pinewood Studios in England gefilmt wurde, wo seit jeher auch die James Bond-Filme entstehen.
Doch von dem investierten Geld bekommt man als Zuschauer leider nicht viel zu sehen.
Das Drehbuch vermag es nicht, aus der eigentlich ganz interessanten Grundidee irgendwelche spannende Szenen zu entwickeln und auch die Dialoge bewegen sich auf dem "der Sand geht in alle Ritzen"-Niveau.
Zu allem Überfluss fließen auch noch Science-Fiction-Elemente in die Geschichte mit ein, die absolut nicht hinein passen wollen. Als Beispiel sei hier der Trainingsroboter von Lara Croft genannt, der den Namen Simon trägt.
So etwas mag vielleicht in Red Planet [2000] passen, in einem Archäologenfilm hat das aber nichts zu suchen.

Wenigstens sah der Roboter in den ersten Szenen wirklich gut aus; wenn er zum Schluss des Films erneut zu sehen ist, wirkt er wie eine billige CGI-Kopie seiner selbst.
Und ähnlich ergeht es leider den meisten Spezialeffekten in dem Spektakel: Computereffekte – wie Städte, Ruinen oder Landschaften – sind nicht nur als solche zu erkennen, sie sehen sogar billig aus. Ähnlich billig, wie die Innensets der Kultstätten, die Lara aufsucht. Sei es die Ruine in Kambodscha oder beim Finale in Sibirien: Nicht nur die Eishöhle, sondern gerade die Bauten, die uralt und verlassen wirken sollen, sehen aus, als wären sie aus Styropor gemacht – hinzu kommt das künstliche Licht, das während der Dreharbeiten verwendet wurde. Keine gute Ausgangssituation für einen Abenteuerfilm.

Angesichts des Regisseurs, Simon West, der bereits Con Air [1997] und Wehrlos – Die Tochter des Generals [1999] umsetzte, hätte man bei Tomb Raider zumindest eine ordentliche Inszenierung erwarten können, aber auch hier enttäuscht der Film leider in jeder Hinsicht.
MTV-Schnitte, schnelle Kamerazooms und überflüssige Zeitlupen stören den Gesamteindruck ebenso, wie die viel zu laute und themenlose Musik von Graeme Revell. Das Geschehen – insbesondere bei der eigentlicht gut gedachten Szene mit Lara bei den Bungee-Seilen, als ihr Haus überfallen wird – ist nie im Fokus, der Zuschauer hat keine Übersicht über das, was passiert, wo es passiert und wann es passiert.

Die Schuld ist dabei vor allem bei den zahlreichen Cuttern zu suchen, die nacheinander an dem Projekt gearbeitet haben. Statt echt-gefilmten Zeitlupen gibt es mehrmals billige Frame-für-Frame-Fortschaltungen – keiner der Beteiligten konnte da noch etwas retten, beziehungsweise, sie haben es nur schlimmer gemacht.

Das Studio war trotz des anschließenden Erfolgs mit dem Film nicht sehr zufrieden; knapp 20 Minuten aus der Fassung des Regisseurs wurden nachträglich herausgenommen, darunter auch eine Actionsequenz, die Hauptdarstellerin Angelina Jolie gern gesehen hätte. Kein Wunder also, dass der Film von Örtlichkeit zu Örtlichkeit springt, Dialoge großteils fehlen und trotz der langatmigen Inszenierung die Story im Eildurchgang erzählt wird. Viele Szenen aus den Trailern sind im Film gar nicht zu sehen, einige davon sind wenigstens auf der DVD enthalten. Ebenso wie eine alternative Anfangssequenz, die deutlich besser gewesen wäre, als die tatsächlich im Film verwendete.

Inhaltlich wird bei Tomb Raider nicht einmal an der Oberfläche gekratzt, die Bösewichtsdarsteller sind farblos und haben nichts zu tun, auch wenn Iain Glen seine Rolle ordentlich spielt. Klischees muss man nicht suchen, sie scheinen magnetisch am Storyverlauf zu kleben, und als wäre die Inszenierung nicht schon schlecht genug, ist der Film auch noch unterdurchschnittlich gemacht.
Da können auch viele kleine Anspielungen für Fans nichts rausreißen, wie beispielsweise der Dolch von Xian, den die virtuelle Lara im zweiten Spiel sucht und der im Film auf einer Auktion versteigert wird. Oder die Tatsache, dass Jon Voight Laras Vater spielt, während er auch im richtigen Leben Angelina Jolies Vater ist – auch wenn er im Film, wie von ihm gewohnt, lustlos und nicht wirklich überzeugend agiert.

Trotz des Fan-Bonus und der routinierten Angelina Jolie ist Tomb Raider eine Enttäuschung auf ganzer Linie. Ohne Flair, ohne Charme, in keiner Sekunde zeitlos und wie eine Parodie seiner selbst kommt der Film daher; Charakterzeichnungen sucht man wie die Nadel im Heuhaufen, inszenatorische Patzer gibt es dagegen in Massen. Dass der Dreh anstrengend gewesen ist, glaube ich gern, nur war er vom filmischen Standpunkt aus völlig umsonst.
Indiana Jones braucht sich hinsichtlich der Konkurrenz keine Sorgen zu machen. Auch wenn ihm seine Computergegenspielerin am Computer den Rang abgelaufen hat, als Film liegen Welten zwischen den originellen Abenteuern von Henry Jones Jr. und Miss Croft.
Vielleicht kann ja die derzeit in Produktion befindliche Fortsetzung unter der Regie von Jan de Bont einen Grabräuber-Film liefern, der dem Pixelvorbild der Filmheldin wirklich würdig ist.


Fazit:
Tomb Raider sollte der Film sein, der das Klischee der schlechten Spieleumsetzung widerlegt; für einige Zuschauer hat er das auch geschafft.
Die meisten sehen das "Werk" jedoch zurecht als ein schlecht gemachtes, überfrachtetes und der Spielereihe unwürdiges Stück Filmchen an, das aus einigen interessanten Ansätzen nichts herauszuholen vermag.
Da nützt es auch nicht viel, dass man in Angelina Jolie die perfekte Lara Croft gefunden hat – ohne Story kann sie spielen, wie sie will, es wirkt einfach völlig verschwendet.