Kebab Connection [2005]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Dominik Starck  |   Hinzugefügt am 15. August 2005
Genre: Komödie / Action

Originaltitel: Kebab Connection
Laufzeit: 96 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2004
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Anno Saul
Musik: Marcel Barsotti
Darsteller: Denis Moschitto, Nora Tschirner, Güven Kirac, Hasan Ali Mete, Adnan Maral, Adam Bousdoukos, Fahri O. Yardim, Paula Paul, Tatjana Velimirov, Cem Akin, Sibel Kekilli, Kida Ramadan


Kurzinhalt:
Zwei Männer, der letzte Döner, ein mit allen Mitteln ausgetragener Kung-Fu-Fight mit Schwertern, die sich rasch als Kebab-Messer entpuppen. Schlussendlich kann es nur einen Sieger im Kampf um das begehrte Gericht geben, der sich seinen "King of Kebab"-Döner wahrlich verdient hat.
So sieht der vom 21-jährigen Türken Ibo (Denis Moschitto) gedrehte Werbespot aus, den der hoffnungsvolle Jungregisseur aus dem Hamburger Schanzenviertel für das Kebab-Haus seines Onkels Ahmet (Hasan Ali Mete) inszeniert hat. Für Ibo ist dies aber nur eine Fingerübung auf dem Weg zur Erfüllung seines ultimativen Traums: Den ersten deutschen Kung-Fu-Film überhaupt zu inszenieren. Sein Onkel ist von dem Werbe-Clip des passionierten Bruce Lee-Fans allerdings alles andere als begeistert und "ent-onkelt" den enttäuschten Ibo im Handumdrehen.
Wider Erwarten entwickelt sich der Spot jedoch zum Publikumshit, der Kebab-Laden ist zum Bersten voll, und Ibo wird als "Hamburgs Spielberg" gefeiert, was ihn seinem großen Traum ein entscheidendes Stück näher bringt.
Dann kommt's in seinem Privatleben allerdings buchstäblich dick: Seine deutsche Freundin Titzi (Nora Tschirner), als Theaterstudentin Schauspielerin in spe, ist schwanger. Während Ibo von der Nachricht erst mal ziemlich überrannt ist, macht ihm sein Vater Mehmet (Güven Kirac) nur allzu deutlich klar, was er davon hält, dass die Mutter der zukünftigen Enkelin keine Türkin ist. Kaum hat sich Ibo also mit dem Onkel erfolgsbedingt wieder ausgesöhnt, verstößt ihn auch schon sein Vater, und sogar Titzi – nicht daran denkend, ihre Ausbildung abzubrechen und zum Heimchen am Herd zu mutieren – setzt den vom Windeln-Wechseln und Kinderwagen-Fahren wenig überzeugten Ibo auf die Reservebank.
Auf einmal scheint der Weg zum Lebensglück mit seiner großen Liebe für Ibo mindestens so weit entfernt, wie der zur Oscar-Verleihung ...


Kritik:
Eine deutsche Multikulti-Liebeskomödie mit Shakespeare- und Bruce Lee-Einflüssen, an der vier Autoren basierend auf der Idee eines fünften geschrieben haben?
Wer mit einem solchen Ansatz an den wunderbaren Film von Anno Saul herangeht, wird bereits im Vorfeld Falten des Zweifels auf die Stirn bekommen und Aussagen wie "zu viele Köche verderben den Brei" oder "mal wieder ein deutscher Film, der auf amerikanisch Cool macht" leichtfertig über unkundige Lippen bringen.
Tatsächlich entpuppt sich dieser deutsche Beitrag zum Culture-Clash-Phänomen als einer der gelungensten deutschen Filme des Jahres und wirklich angenehme Überraschung.

Eine entscheidende Prägung bekam das Werk schon in einem frühen Entwicklungsstadium durch Erfolgsregisseur Fatih Akin (Im Juli [2000]). Sein ursprüngliches Drehbuch enthielt sowohl solch essentielle Bestandteile wie der Schauplatz in Hamburg-Altona mit dem ganz eigenen gesellschaftlichen Mikrokosmos, als auch die Einbeziehung von Kung Fu beziehungsweise der Kampfsport-Ikone schlechthin, Bruce Lee. Beide Elemente sind starke persönliche Bezugspunkte von Akin selbst, der ein großer Fan von Kung-Fu-Filmen ist und eben aus genau jenem Hamburger Terrain stammt, dem dieser Film seine kulturelle Seele verdankt.
Da der für frühere Werke mehrfach ausgezeichnete Regisseur, Autor und Darsteller 2004 jedoch seinen eigenen Film, Gegen die Wand, fertigstellte und in die Kinos brachte, wurde aus dem Drehbuch zu Kebab Connection sein erstes Skript, welches später von einem anderen Regisseur inszeniert wurde. Während des Drehs zu Kebab Connection wurde Gegen die Wand dann bekanntermaßen ein großer Erfolg bei Publikum und Kritik und gewann bei den Berliner Filmfestspielen 2004 den Goldenen Bären als bester Film sowie den Fipresci-Preis der internationalen Filmkritik, fünf Deutsche Filmpreise, den Deutschen Kamera-Preis, den Europäischen Film-Preis (Bester Film) und den spanischen Film-Preis "Goya" (Bester Europäischer Film).
Bei einer derartigen Erfolgsbilanz stand freilich zu erwarten, dass die Kebab Connection sehr stark auf Akin bezogen werden würde, der mit dem weiteren Werdegang des Filmes nach Abgabe des Drehbuchs allerdings nichts mehr zu tun hatte, obwohl seine Präsenz schon alleine durch das Mitwirken vieler Wegbegleiter spürbar ist. Überraschenderweise blieb dies aber aus und so konnte Anno Sauls Film als eigenständiges Werk sein Publikum suchen.

Die Geschichte zu Kebab Connection geht auf Akins Wunsch zurück, tatsächlich den ersten deutschen Kung-Fu-Film zu drehen – eine Idee, die der Wüste Filmproduktion wohl doch etwas zu gewagt erschien. Stattdessen schlug Produzent Ralph Schwingel, der bereits fünf frühere Multikulti-Filme produziert hatte (vier davon von Akin), vor, dass man die Idee von einer anderen Seite her aufgreifen sollte. So generierte man aus Akins Herkunftsviertel in Hamburg und seinem Wunsch nach einem deutschen Kung-Fu-Film die Figur des Ibo und ergänzte dies durch Elemente, wie man sie aus dem "Coming of Age"-Genre kennt. Zwar geht es in Kebab Connection weniger um das Erwachsenwerden ansich, aber durch die bevorstehende Vaterschaft muss die Figur des Ibo ebenfalls einen Reifungsprozess erfahren, der dem der Pubertät gar nicht so unähnlich ist.
Trotz der damit feststehenden Story sollten noch Jahre vergehen, ehe das Projekt – wenngleich ohne den inzwischen anderweitig beschäftigten Akin – konkretere Formen annehmen sollte. Der Erfolg von ausländischen Culture-Clash-Filmen wie Jalla! Jalla! [2001], Kick It Like Beckham [2002] und My Big Fat Greek Wedding [2002] trug sicher nicht ganz unwesentlich dazu bei, dass die Finanzierung schließlich gesichert wurde, und letzten Endes steht die Kebab Connection zweifellos in der Tradition solcher Filme, auch wenn es ihm durch seinen persönlichen multikulturellen Mix gelingt, sich eine gänzlich eigene Identität zu wahren.
Später wurde Akins Skript von Erfolgsautorin Ruth Toma mit Hauptaugenmerk auf der Entwicklung der weiblichen Hauptrolle Titzi und dem vor allem für den komödiantischen Einschlag zuständigen Jan Berger überarbeitet und zum Abschluss fertigte der von Schwingel hinzugezogene Regisseur Anno Saul darauf basierend das endgültige Drehbuch an.
Mit Saul an Bord, dessen letzter Kino-Film, Grüne Wüste [1999] schon einige Jahre zurück lag und der sich trotzdem als Glücksgriff erwies, fehlte es vor allem noch an der passenden Besetzung, bei der man dann ausgesprochen gutes Gespür bewies.

Bereits während einer frühen Entstehungsphase des Skripts bekam Denis Moschitto dieses zu lesen und war von dem Stoff sofort angetan. Moschitto, der zehn Jahre Kung Fu trainiert hatte, liefert wie bei früheren Arbeiten eine tadellose Leistung in seiner Rolle als Ibo ab und beweist sowohl gutes Timing bei den humorbetonten Szenen, als auch Gefühl für die dramatischeren Momente. Der in Köln geborene Sohn eines Italieners und einer Türkin erarbeitete sich das Schauspielfach autodidaktisch, ergatterte ab 1997 mehrere TV-Rollen und hatte seinen Kinodurchbruch 2000 in Schule. Ein Jahr später war er in Benjamin Quabecks großartigen Debüt-Film Nichts bereuen [2001] neben seinem damaligen Mitbewohner Daniel Brühl und Jessica Schwarz zu sehen. Vor der Kebab Connection konnte man ihn zuletzt in der Komödie Süperseks [2004] auf der Leinwand bewundern.
Für die weibliche Hauptrolle wurde Nora Tschirner gecastet, deren Chemie mit Moschitto durchweg stimmt. Die Schauspiel-Karriere der schlagfertigen Berlinerin, die seit 2001 als Moderatorin bei MTV tätig ist, begann frühzeitig im Kindesalter am Schultheater, doch es sollte einige Jahre dauern, ehe sie 2001 mit Wie Feuer und Flamme im Kino debütierte. Mit großem Erfolg war sie 2003 neben Matthias Schweighöfer in der Roman-Verfilmung Soloalbum vertreten.
Neben den beiden Hauptdarstellern tummeln sich in Kebab Connection eine ganze Gruppe sympathischer Nebenfiguren, angeführt von Güven Kirac in der Rolle von Ibos Vater Mehmet. Der in seiner türkischen Heimat schon für seinen ersten Film Masumiyet [1997] preisgekrönte Kirac spielte überdies in Akins Gegen die Wand und begeisterte Anno Saul dermaßen, dass er ihn daraufhin als Mehmet engagierte. Da Kirac kein Deutsch spricht, Kebab Connection aber frei von Untertiteln bleiben sollte, lernte der sympathische Mime den ihm fremden Text rein nach dem Klang, was angesichts des komplett ohne Synchronisation auskommenden Ergebnisses eine erstaunliche Leistung ist.
Hasan Ali Mete als Onkel Ahmet gab sein Kino-Debüt in Aprilkinder [1998] und ist den meisten wohl eher durch seine Rolle als Otto in der Erfolgsserie Edel & Starck [2002-2005] bekannt.
Auch Adnan Maral in der Rolle von Kirianis, glück- und vor allem kundenlosem Besitzer eines griechischen Restaurants agiert sehr solide.
Darüber hinaus bereichern die Akin-Veteranen Adam Bousdoukos (als Ibos Kumpel Valid), der schon fünf Mal für Akin vor der Kamera stand, Fatih Akins Bruder Cem und Sibel Kekilli (begeisternde Hauptdarstellerin in Akins Gegen die Wand) das stimmige Ensemble.

Das Ergebnis der nur 32-tägigen Drehzeit, bei der alleine sechs Tage auf die kurzen aber knackigen Kampfszenen verwendet wurden, welche die Darsteller gänzlich ohne Doubels absolvierten, kann sich sehr gut sehen lassen.
Die authentische Umsetzung von Hamburg-Altona und seines multikulturellen Mini-Universums ist für Kenner unverwechselbar und mit hohem Identifikationsfaktor verbunden, bleibt dabei jedoch stets selbst für Nicht-Hamburger nachvollziehbar. Die Gags zünden, die Kung-Fu-Szenen überzeugen, die Figuren sind sympathisch.
Auffallend gut gelungen ist außerdem die Mischung der verschiedenen Elemente von Culture Clash, Multikulti-Flair, Coming-of-Age- und Liebesgeschichte, sowie dem Kung Fu, und sogar eine Parallele zu einem der berühmtesten Werke von William Shakespeare wird auf sehr originelle Weise eingeflochten. Lediglich im letzten Drittel wird die Gag-Rate ein wenig zurückgefahren, was aber angesichts des Endes zu verschmerzen ist.
Kebab Connection ist ein Film wie ein Döner – vollgestopft mit den unterschiedlichsten, nichtsdestotrotz leckeren Zutaten, der zudem noch Lust auf mehr macht. Am Ende fragt man sich fast unwillkürlich, wo er denn nun bleibt, der erste deutsche Kung-Fu-Film, von dem man hier nur einen ganz winzigen Vorgeschmack bekam, der gerne auch länger hätte ausfallen dürfen. Aber wer weiß, vielleicht ist dies ja nur der Nährboden für eine Fortsetzung oder das nächste Fatih Akin-Projekt.


Fazit:
Kebab Connection lässt sich schwer in eine Schublade stecken, hat dies aber auch gar nicht nötig.
Wer sich auf einen mit mannigfaltigen Genre-Versatzstücken veredelten, spritzig-witzigen Film mit viel Herz und Charme über Liebe, Kebab und Kung Fu einlassen kann und will, bekommt einen der besten deutschen Filme des Jahres geboten.