Jurassic World [2015]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Lars Adrian  |   Hinzugefügt am 12. Juli 2015
Genre: Fantasy / Horror / Thriller

Originaltitel: Jurassic World
Laufzeit: 124 Min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren


Regie: Colin Trevorrow
Musik: Michael Giacchino
Darsteller: Chris Pratt, Bryce Dallas Howard, Ty Simpkins, Nick Robinson, Vincent D'Onofrio, B. D. Wong, Irrfan Khan, Katie McGrath


Kurzinhalt:
22 Jahre nach John Hammonds fehlgeschlagenem Versuch, einen Park mit genetisch zum Leben erweckten Dinosauriern zu eröffnen, ist es seinen Nachfolgern und Besitzer Simon Masrani (Irrfan Khan) gelungen, einen weitläufigen Themenpark auf Isla Nublar in der Nähe von Costa Rica in Betrieb zu nehmen. Jurassic World wird von Claire Dearing (Bryce Dallas Howard) geleitet und bietet unterschiedliche Attraktionen mit zahlreichen Dinosaurier-Arten, von sich denen sich in den vergangenen Jahren bereits viele Menschen begeistern ließen.
Um rückläufigen Besucherzahlen entgegenzuwirken, entscheiden die Geldgeber, eine völlig neue Dinosaurier-Spezies, den "Indominus Rex", zu erschaffen, die auf dem Gen-Material mehrerer Arten basiert.
Währenddessen versucht der ehemalige Navy-Soldat Owen Grady (Chris Pratt), eine Gruppe von hochintelligenten Velociraptoren zu trainieren, so dass sie für andere Zwecke eingesetzt werden können. Über die zukünftige Verwendung der Raptoren herrscht indes Uneinigkeit mit Sicherheits-Chef Vic Hoskins (Vincent D'Onofrio).
Als Claires Neffen Gray (Ty Simpkins) und Zach Mitchell (Nick Robinson) zu Besuch auf die Insel fahren und an einer Tour teilnehmen, kommt es zur Katastrophe: Der Indominus Rex bricht aus seinem Gehege aus und bringt alle Menschen, die sich auf der Insel befinden, in tödliche Gefahr.
Owen und Claire setzen alles daran, den Indominus Rex aufzuhalten und Jurassic World zu retten.


Kritik:

"[…] mit diesem Park hier wollte ich den Menschen etwas nahe bringen, was keine Illusion ist.
Etwas, das Realität ist.
Etwas, das sie sehen und berühren können."
(John Hammond in Jurassic Park [1993])

Bereits nach den ersten 15 Minuten von insgesamt rund zwei Stunden von Jurassic World kam mir dieses Zitat in den Sinn, denn es schien mir, als hätten die Filmemacher dies als Motto gewählt, als sie den Schauplatz des Filmes gestaltet haben. Hätten John Hammond bereits von Anfang an die Geldmittel und Technologie zur Verfügung gestanden, die die Grundlage des gezeigten fiktiven Themenparks bilden, dann hätte Jurassic Park wohl genau so ausgesehen – einschließlich eines Dinosaurier-Streichelzoos für die jüngsten Besucher des Parks.
Die Stärken von Jurassic World liegen insbesondere in der Darstellung der Attraktionen. Für einen erfahrenen Kinobesucher liegt es sicher auf der Hand, dass dies durch den gelungenen Einsatz von unterschiedlichsten Spezial-Effekt-Techniken entstanden ist, und doch kann man sich dem Charme und der Faszination nicht entziehen. Man fühlt sich wieder wie ein Kind und würde nur allzu gerne selbst zu Jurassic World reisen und die Kreaturen mit eigenen Augen sehen und anfassen.

Wie das große Vorbild nimmt sich der Film recht lange Zeit, seine Protagonisten und die Örtlichkeiten vorzustellen, ehe die Geschichte an Fahrt aufnimmt, stetig an der Spannungsschraube dreht und wohldosiert Action-Sequenzen einstreut.
Dabei fällt kaum auf, dass das hauptsächlich von Derek Connolly und Regisseur Colin Trevorrow geschriebene Drehbuch starke Parallelen zu Jurassic Park aufweist, nur dass der Maßstab freilich größer ist und die Ereignisse aus Vergessene Welt – Jurassic Park [1997] und Jurassic Park III [2001] keine Erwähnung finden.
Den Autoren gelingt der Spagat zwischen Hommage an das Original mit einigen Anspielungen für Kenner und neuen Elementen erstaunlich gut.
Besonders der Genmix des Indominus Rex sorgt mehrfach für interessante Wendungen, auch wenn gerade eine Eigenschaft, die hier unerwähnt bleiben soll, meiner Meinung nach mehr zur Geltung hätte kommen sollen. Die potentielle militärische Verwendung von Raptoren als Waffen ist außerdem ein ziemlich weit hergeholtes Klischee, das aber in einer möglichen Fortsetzung zum Tragen kommen könnte. Dagegen ziehen Connolly und Trevorrow zum Finale noch ein richtiges Ass aus dem Ärmel, das Fan-Herzen höher schlagen lässt.

Wenngleich die Figuren in einem solchen Genrefilm keine großartigen Entwicklungen zulassen, sind sie sauber charakterisiert und durchweg passend besetzt.
Chris Pratt darf als Owen Grady nach Guardians of the Galaxy [2014] erneut den Helden geben und macht seine Sache außerordentlich gut. Er hat eine überzeugende physische Präsenz, zeigt den nötigen Ernst, und bringt auch ironische Kommentare und Humor auf den Punkt. Man darf gespannt sein, in welchen Rollen er in Zukunft zu sehen sein wird.
Bryce Dallas Howard (The Village – Das Dorf [2004], Terminator – Die Erlösung [2009]) spielt die resolute Claire weit weniger zickig und gar nicht so unbeholfen wie ursprünglich befürchtet, sondern besteht ohne Schwierigkeiten neben Pratt.
Glücklicherweise sind auch die Rollen von Ty Simpkins und Nick Robinson als die Brüder Gray und Zach Mitchell so angelegt, dass sich die Jugendlichen natürlich verhalten und sich selbst zu helfen wissen.
Dass B. D. Wong wieder als Gen-Wissenschaftler Dr. Henry Wu auftritt, bildet einen gelungenen Bezug zu Jurassic Park. Interessanterweise entspricht die Figur des Henry Wu in Jurassic World mehr der Romanvorlage von Michael Crichton als dies im ersten Film der Fall war.
Vincent D'Onofrio und Irrfan Khan leisten beide solide Arbeit – im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten, die ihnen das Skript gibt.

Colin Trevorrows Inszenierung gibt keinerlei Anlass zu Kritik im eigentlichen Sinn. Kameraführung und Schnitt sind tadellos. In den Action-Szenen hat der Zuschauer stets den nötigen Überblick und fühlt sich dennoch im Geschehen.
Allerdings darf man nicht vergessen, dass Jurassic Park und Vergessene Welt von keinem Geringeren als Regiemeister Steven Spielberg in Szene gesetzt wurden. Brillante Sequenzen wie das erste Auftauchen des Tyrannosaurus Rex in Teil 1 oder der Trailer über der Klippe in Teil 2 sucht man in Jurassic World vergebens. Diesbezüglich fehlt Trevorrow bislang eine eigene besondere Handschrift.

Für die musikalische Untermalung sorgt der ungewöhnlich vielseitige Michael Giacchino, der unter anderem nicht nur die letzten beiden Star Trek-Filme [2009/2013], sondern auch Mission: Impossible – Phantom Protokoll [2011] oder Ratatouille [2007] vertont hat. In die Fußstapfen des großen John Williams zu treten, der mit seinem Score zu Jurassic Park ein unbestrittenes Meisterwerk geschaffen hat, war sicher keine leichte Aufgabe.
Giacchinos Musik reicht nicht ganz an die Klasse von Williams heran, gefällt aber mit einer gelungenen Mischung aus eigenen Motiven und bekannten Melodien des Originals.

Die abschließende Bewertung von Jurassic World fällt überraschenderweise schwieriger aus, als die vorherigen Ausführungen vielleicht erahnen ließen.
Natürlich kann dieses vierte Werk nicht mit dem Reiz von Jurassic Park aufwarten, zum ersten Mal "lebende" Dinosaurier erleben zu dürfen, und muss damit zwangsläufig vertraute Pfade betreten. Ferner ist der Film in jeder Hinsicht überzeugender als Teil 3. Trotz routinierter Regie lässt Colin Trevorrow indes die inszenatorische Finesse eines Steven Spielberg vermissen, und Jeff Goldblums Ian Malcolm ist ohne Frage einfach cooler als der von Chris Pratt verkörperte Owen Grady.
Andererseits bietet Jurassic World die im Vergleich zu Vergessene Welt in sich stimmigere Fortführung der im ersten Film begründeten Geschichte und einige originelle Ideen. Vielleicht ist die Entscheidung aber ja einfacher als zunächst gedacht. Wenn es einer Fortsetzung nach über zwei Jahrzehnten gelingt, ein ähnliches Gefühl von Abenteuer und Faszination zu vermitteln und gleichzeitig über zwei Stunden bestens zu unterhalten, so dass man gar nicht auf die Idee kommt, darüber nachzudenken, ob ein weiterer Film in der Reihe überhaupt notwendig war, dann muss man dies auch entsprechend honorieren.

Das Publikum scheint diese Einschätzung zu teilen: Nach rund einem Monat hat Jurassic World weltweit über 1,4 Milliarden US-Dollar in die Kinokassen gespült und zählt damit schon jetzt als fünfterfolgreichster Film aller Zeiten, wobei er sich allem Anschein nach sogar in absehbarer Zeit auf Platz 3 hinter Avatar [2009] und Titanic [1997] einreihen wird.
Möglicherweise hängt der immense Erfolg damit zusammen, dass die Leute, die zu Zeiten von Jurassic Park selbst noch Kinder und Jugendliche waren, vielleicht heute als Eltern mit ihren Kindern erneut ins Kino gehen, um mit ihnen das Gefühl zu teilen, das sie 1993 selbst erlebt haben.


Fazit:
Jurassic World ist für mich bislang die Überraschung des Kinojahres. Selten stand ich einem Projekt so skeptisch gegenüber, wie diesem Eintrag in der erfolgreichen Dinosaurier-Saga, der nach über 20 Jahren schlicht verspätet schien.
Doch Drehbuch und Schauplatz lassen richtiges Jurassic-Flair aufkommen, die Inszenierung und Umsetzung sind ohne Makel, die Action reißt mit und die Darsteller sind bestens aufgelegt.
Hier ist ein Monster-Film mit Herz und Seele, der richtig Spaß macht – was leider viel zu selten geworden ist.