Infernal Affairs [2002]

Wertung: 6 von 6 Punkten  |   Kritik von Dominik Starck  |   Hinzugefügt am 17. August 2005
Genre: Thriller

Originaltitel: Infernal Affairs / Wu Jian Dao
Laufzeit: 97 min.
Produktionsland: Hongkong
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Andrew Lau, Alan Mak
Musik: Chan Kwong Wing
Darsteller: Andy Lau, Tony Leung, Anthony Wong, Edison Chen, Shawn Yue, Eric Tsang


Kurzinhalt:
Der junge Polizist Lau Kin Ming (Andy Lau) ist eine aufstrebende Kraft unter Chief-Inspektor Wong (Anthony Wong). Als einer der besten Ermittler im Kampf gegen die Triaden Hongkongs sind es seine hervorragenden Qualifikationen, die ihm schließlich den Auftrag einbringen, einen korrupten Kollegen in den eigenen Reihen ausfindig zu machen, der für die Verbrecher-Banden spioniert und von dessen Existenz Wong überzeugt ist.
Chan Wing Yan (Tony Leung) ist ein besonnener Gangster, der sich unter Banden-Boss Sam (Eric Tsang) langsam nach oben gearbeitet hat. Das Vertrauen, welches er sich bei seinem Boss verdient hat und welches ihn über die anderen Handlanger und Schläger stellt, macht ihn zum Einzigen, den Sam auf den Polizei-Spitzel ansetzen kann, dem es irgendwie gelungen ist, die Bande zu unterwandern.
So zumindest der Anschein – denn die Wirklichkeit sieht indes ganz anders aus: Lau ist der Spitzel von Sam, und Yan ein Undercover-Cop. Als sich die Lage zwischen Polizei und Triaden zuspitzt, entbrennt zwischen den beiden in ihren Loyalitäten hin- und hergerissenen Männern ein erbitterter Konflikt ...


Kritik:
Infernal Affairs gehört zu einer neuen Generation von Action-Thrillern aus der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong, die einst mit ihren "Heroic Bloodshed"-Filmen von sich reden machte, in letzter Zeit jedoch mehr und mehr gegenüber ausländischer Konkurrenz an den Kino-Kassen das Nachsehen hatte. Es ist ein Film, der seine kulturellen Wurzeln und Traditionen pflegt, sich der restlichen und vor allem westlichen Welt aber dennoch ein Stück weit zuwendet und damit ein ihm eigenes Flair erzeugt, in dessen Schatten dieser wendungs- und überraschungsreiche filmische Kampf zwischen Gut und Böse ausgetragen wird, der in seiner Mustergültigkeit seinesgleichen sucht.
Zu Recht – bleibt nach Ansehen des Films zu sagen – wurde das Werk der Regisseure Andrew Lau und Alan Mak bei 16 Nominierungen mit sieben "Hong Kong Film Awards", den Hongkong-Oscars, ausgezeichnet, darunter mit den Preisen für die "Beste Regie", das "Beste Drehbuch", den "Besten Film" und den "Besten Hauptdarsteller" (Tony Leung). Bei derart viel Erfolg im eigenen Land (wo der Film ein absoluter Blockbuster wurde), wie auch international, war es im Grunde nur eine Frage der Zeit, bis Hollywood den Braten riechen und ein Remake in Auftrag geben würde. Und siehe da,  Martin Scorsese (GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia [1990], Gangs of New York [2002]) folgte dem Ruf und verfilmt derzeit unter dem Namen The Departed eine amerikanisierte Fassung des fesselnden Stoffes mit Leonardo DiCaprio, Matt Damon und Jack Nicholson in den Hauptrollen vor dem Hintergrund der irischen Mafia in Boston. Da bleibt einem nur fassungsloses Kopfschütteln – und der Griff zu diesem Original.
Wer weiter in die Welt von Infernal Affairs eintauchen möchte, ist ohnehin nicht auf das US-Remake angewiesen, denn es sind bereits die beiden (Quasi-) Fortsetzungen Infernal Affairs II und Infernal Affairs III: End Inferno [beide 2003] – sicher nicht zuletzt aufgrund des großen Erfolges – erschienen, welche die Trilogie komplett machen.

Die beiden Regisseure Andrew Lau (eigentlich Wai Keung Lau, Young and Dangerous I – VI [1996-2000]) und Alan Mak (mit bürgerlichem Namen Sui Fai Mak) teilten die inszenatorischen Aufgaben wohlweislich unter sich auf, und während Lau neben Lai Yiu Fai für die exquisite Kamera verantwortlich zeichnet, entstammt das Drehbuch der Zusammenarbeit von Mak mit Felix Chong.
Den beiden Filmemachern gelang es dabei, aus einer im Grunde einfach erscheinenden Gut/Böse-Geschichte mit Cops und Gangstern ein komplexes, vielschichtiges Werk mit facettenreichen Figuren zu generieren, das durchweg fesselt, allerdings trotz weitgehend ruhiger Szenarien vor allem zu Beginn einige Aufmerksamkeit erfordert. Der spannende Film ist im Ergebnis mehr Thriller-Drama als Action-Film, und wer Endlos-Ballereien in der überstilisierten Optik und Action-Akrobatik im Stile alter John Woo-Klassiker erwartet, wird vermutlich enttäuscht sein. Trotzdem oder gerade deshalb wissen die raren Action-Szenen in Infernal Affairs durch ihren nüchternen Naturalismus zu begeistern, der mehr an Filme wie Michael Manns Heat [1995] erinnert, als an ein Tsui Hark-Action-Ballett.

Dreh- und Angelpunkt bleiben zu jedem Zeitpunkt die Laufbahnen und Schicksale der Hauptfiguren Lau und Yan und die zunehmende innere Zerrissenheit der beiden Charaktere, denen es zunehmend schwerer fällt, zwischen ihren Masken und der eigenen Persönlichkeit zu differenzieren. Gelungen zeigt der Film auf, dass die Trennlinie zwischen Gut und Böse hauchdünn ist, und jeder Mensch an einem anderen Punkt im Leben für sich selbst diese Linie zieht. Zudem neigt besagte Linie dazu, sich im Laufe vieler Jahre, die während des Filmes zwischen der Einschleusung der Maulwürfe und deren finaler Konfrontation vergehen, immer wieder zu verschieben. So ist der einst von den Triaden angeworbene und auf die Polizeischule geschickte Lau in seinem Inneren nicht wirklich ein schlechter Kerl, während der vordergründig als Gangster tätige Yan immer härter daran arbeiten muss, nicht den Verstand zu verlieren und an seinem Status als verdeckter Ermittler festzuhalten.

Unterstützung erfährt der Film in Sachen Wirkung neben der guten Regie und der bereits positiv erwähnten Kamera-Arbeit auch durch die fantastische Musik von Chan Kwong Wing, die ihr Übriges tut, die dichte, leicht melancholische Gesamt-Stimmung heraufzubeschwören.

Nicht genug Lob kann man für die vier Hauptdarsteller finden, die alleine schon das Ansehen lohnen und ihre vielschichtigen Rollen mit Leben füllen.
Rak-Wah Lau beziehungsweise Andy Lau spielt den durch sein Umfeld (und nicht zuletzt seine Freundin) sozialisierten und moralisierten Gangster im Cop-Fell mit vollem Einsatz. Der nebenbei als Sänger tätige Mime ist seit seinem Debüt 1981 in über 100 Filmen aufgetreten, wobei er spätestens durch seine beiden Zusammenarbeiten mit Johnny To in Running Out of Time [1999] und Fulltime Killer [2001] international auf sich aufmerksam machte. 2004 war er in Zhang Yimou's House of Flying Daggers im Kino zu bewundern. Für Infernal Affairs III: End Inferno [2003] sollte er kurze Zeit später noch einmal zur Film-Reihe zurückkehren.
Die gleiche darstellerische Intensität bringt auch Widerpart Tony Leung Chiu Wai mit seinem an der Verbrecher-Maske langsam verzweifelnden Undercover-Cop auf die Leinwand. Leung, wie Lau gebürtiger Hongkonger und nebenberuflicher Sänger, trat international durch die Mitwirkung in John Woo's Bullet in the Head [1990] ins Rampenlicht. Zwei Jahre später ballerte er sich neben Chow Yun-Fat erneut durch einen Woo-Klassiker, Hard-Boiled. Weiteren großen Einfluss auf die Karriere von Asiens Superstar hatte der als Kult-Regisseur gefeierte Wong Kar-Wai, in dessen Days of Being Wild [1991], Chungking Express [1994] (bei dem übrigens Regisseur Andrew Lau Kameramann war) und 2046 [2004] Leung ebenfalls zu sehen war. Eine weitere erfolgreiche Hauptrolle spielte er in Zhang Yimou's Hero [2002] und kehrte schließlich wie Lau für Infernal Affairs III: End Inferno als Yan zurück.
Die beiden Chefs und Ersatzväter der Charaktere Lau und Yan, Chief-Inspektor Wong und Bruder Sam, werden von den versierten Darstellern Anthony Wong und Eric Tsang zum Leben erweckt. Das Spiel der beiden, sei es getrennt oder in den wenigen gemeinsamen Momenten, entbehrt, wenn auch mit weniger Bildschirmzeit gesegnet, nicht der gleichen Hingabe wie das Duell zwischen Lau und Leung. Der chinesisch-britische Charakterdarsteller Anthony Wong war schon an über 100 Produktionen beteiligt und wurde Mitte der 1990er darüber hinaus als Regisseur tätig (New Tenant [1995], Top Banana Club [1996]). Für seine Darbietungen in The Untold Story [1992] und Beast Cops [1998] wurde er mit je einem "Hong Kong Film Award" als "Bester Darsteller" ausgezeichnet und war zudem in Woo's Hard-Boiled und Tsui Hark's Time and Tide [2000] zu sehen. Chi-Wai beziehungsweise Eric Tsang stieg vom Stuntman über den Nebendarsteller zum Schauspieler und schließlich auch Regisseur auf. Über 100 Produktionen als Darsteller und Regie-Arbeiten wie die ersten beiden Mad Mission-Filme [1983] zieren seine Filmografie. Tsang wurde ebenfalls bereits mit dem "Hong Kong Film Award" als "Bester Schauspieler" ausgezeichnet (1992 für Alan & Eric: Between Hello and Goodbye). Sowohl Wong, als auch Tsang nehmen, im Gegensatz zu Lau und Leung, ihre Rollen als Wong und Sam in beiden Fortsetzung wieder auf.
Recht klein sind in diesem ersten Teil noch die Rollen von Edison Chen und Shawn Yue, welche die jüngeren Alter Egos von Lau und Yan in den Rückblick-Sequenzen geben. Der in Vancouver geborene Chen wurde schon für sein Debüt Gen-Y Cops [2000] als "Bester Schauspieler" bei den "Hong Kong Film Awards" nominiert, während Yue seine Karriere als Model begann. Beide sind in den Fortsetzungen erneut vertreten.

Der chinesische Originaltitel des Films, Wu Jian Dao, bezeichnet Die achte Hölle, was das ZDF bei der deutschen Free-TV-Erstausstrahlung als Untertitel zur internationalen Bezeichnung Infernal Affairs hinzufügte. Jene "achte Hölle" ist in der chinesischen Kultur die schlimmste aller Höllen, aus derer endlosen Qual es niemals eine Erlösung geben kann.

Für die vorbildliche deutsche DVD-Veröffentlichung zeichnet die Stuttgarter Firma MC One verantwortlich, die mit ihren Doppel-DVD-Editionen beinahe immer beispielhafte Ergebnisse vorlegen. Die Infernal Affairs-Special-Edition enthält den Film in exzellentem Bild und Ton (Dolby Digital 5.1 Surround in Deutsch und Kantonesisch, sowie DTS 5.1 in Deutsch) mit begleitendem Audio-Kommentar von Besetzung und Crew, sowie eine Bonus-Disk, die neben dem obligatorischen "Making Of" noch über eine Featurette, Outtakes, Galerien und diverse Trailer verfügt, und darüber hinaus ein alternatives Ende bereitstellt, welches exklusiv für den chinesischen Verleih gedreht wurde. Alle Extras gibt es mit optionalen deutschen Untertiteln; für den Film selbst sind zusätzlich Untertitel für Hörgeschädigte abrufbar.


Fazit:
Wenn dies tatsächlich repräsentativ für die modernen Action-Thriller aus Hongkong ist, dann besteht bei Cineasten Grund zur Vorfreude – Infernal Affairs ist ein düster-melancholischer Film über Loyalität und die hauchdünne Linie zwischen Gut und Böse, die jeder Mensch an einem anderen Punkt zieht.
Das fesselnde Spiel der großartigen Darsteller, die exzellenten Bilder und die gelungene Regie tun ihr Übriges, um den Film zum packenden Erlebnis zu machen, und die hypnotische Musik rundet den dramatischen und spannenden Trip in Hongkongs Schattenwelt gelungen ab.