High Crimes - Im Netz der Lügen [2002]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. August 2023
Genre: Krimi / Drama

Originaltitel: High Crimes
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Carl Franklin
Musik: Graeme Revell
Besetzung: Ashley Judd, Morgan Freeman, Jim Caviezel, Adam Scott, Amanda Peet, Bruce Davison, Juan Carlos Hernández, Michael Gaston, Tom Bower, Jude Ciccolella, Emilio Rivera


Kurzinhalt:

Es ist kurz vor Weihnachten und Rechtsanwältin Claire Kubik (Ashley Judd) könnte kaum glücklicher sein. Beruflich ist sie überaus erfolgreich und mit Tom (Jim Caviezel) glücklich verheiratet, so dass lediglich ein Baby fehlt, um alles perfekt zu machen. Doch werden sie und Tom auf der Straße von Agenten des FBI niedergerungen und Tom nach seiner Verhaftung in ein Militärgefängnis überstellt. Er soll vor beinahe 15 Jahren für ein Massaker in einem Dorf in Südamerika verantwortlich gewesen sein. Sein Name ist auch nicht Tom, sondern Ron Chapman. Claires Schock weicht zunehmender Fassungslosigkeit, als sie hört, dass Ron der Prozess gemacht wird und am Ende sogar die Todesstrafe droht. Sein Anwalt Embry (Adam Scott) ist unerfahren, der Vorsitzende der Verhandlung, Colonel Farrell (Jude Ciccolella), wie auch Ankläger Major Waldron (Michael Gaston), blockieren einen unabhängigen Prozess. So entschließt sich Claire, Ron mit Embry zusammen zu verteidigen. Hierfür holt sie sich Hilfe bei dem erfahrenen Militärrechtspezialisten Charlie Grimes (Morgan Freeman), doch Claires Zweifel bleiben, ob der Mann, der sie seit sie sich kennen, belogen hat, wirklich unschuldig ist …


Kritik:
Basierend auf Joseph Finders Roman Auf höchsten Befehl [1998], erzählt Filmemacher Carl Franklin in High Crimes - Im Netz der Lügen ein Gerichts-Krimi-Drama, das anmutet, als würde es auf wahren Begebenheiten beruhen, aber letztlich „nur“ erfunden ist. Wirft man dem Film diesen Umstand vor, sagt das gleichzeitig etwas darüber aus, wie gut den Verantwortlichen die Illusion gelungen ist. Nichtsdestotrotz gibt es zahlreiche Aspekte, die entweder kaum ausgearbeitet sind, oder nicht wirklich zum Ernst der Story passen wollen.

In der findet sich Ashley Judd als erfolgreiche Rechtsanwältin mit der Aussicht auf eine baldige Partnerschaft in einer renommierten Kanzlei und verheiratet mit dem zurückhaltenden Tom (Jim Caviezel) urplötzlich in einem Alptraum wieder, der ihr perfektes Leben auf den Kopf stellt. Kurz nach einem Einbruch in ihrem Haus wird Tom auf der Straße von einer Spezialeinheit des FBI aufsehenerregend verhaftet. Er kommt in ein Militärgefängnis und Claire erfährt, dass der Name ihres Mannes nicht Tom lautet, sondern Ron Chapman. Der ehemalige Soldat wird seit beinahe 15 Jahren wegen mehreren Morden im Einsatz gesucht, doch er war untergetaucht. Ron gesteht ein, am Tatort in Südamerika gewesen zu sein, doch die Taten seien durch seinen Vorgesetzten, Major Hernandez verübt worden. Der ist inzwischen Assistent des Brigadegenerals Bill Marks, seines Zeichens in der Politik gut vernetzt. Während das Militärgericht unter Colonel Farrell eine rasche Entscheidung sucht, wird Ron der unerfahrene Militäranwalt Terence Embry zur Seite gestellt, weshalb Claire entscheidet, ihren Mann gemeinsam mit Embry zu verteidigen. Sie holt sich den Rechtsanwalt Charlie Grimes zur Hilfe, der auf Grund früherer Verhandlungen beim Militär nicht gern gesehen ist.

Nicht nur, weil man in der Truppe generell darum bemüht ist, Dinge intern zu regeln und sowohl Claire als auch Charlie als Zivilisten nicht gern gesehen sind, sondern auch, da der Prozess Verbrechen thematisiert, die die nationale Sicherheit betreffen, gewinnen die Anwälte den Eindruck, als stünden sie vor einer Mauer des Schweigens. Erschwerend kommt hinzu, dass sie in ihrer Arbeit, Rons Unschuld zu beweisen, aktiv behindert werden. Claire, die mit ihrer Schwester Jackie zusammenwohnt, wird von einem Unbekannten angegriffen und ihrer beide Leben bedroht, mögliche Beweismittel werden schlicht nicht zugelassen. High Crimes greift viele Elemente auf, die man bei dieser Art Geschichte gewohnt ist. Gleichzeitig erweckt Filmemacher Franklin zu keiner Zeit den Eindruck, Kern dessen, was Ron vorgeworfen wird, wäre eine regelrechte Verschwörung, wie dies beispielsweise bei dem atmosphärisch ungemein dichteren Eine Frage der Ehre [1992] der Fall ist. Zu sehr konzentrieren sich die Erkenntnisse, die Claire und Charlie gewinnen, auf das, was außerhalb der Verhandlung geschieht, bei der die Dialoge wiederum nie die kammerspielartige Finesse erreichen, die man erhoffen würde. Stattdessen räumt das Drehbuch Figuren wie Claires Schwester Jackie viel Zeit ein, deren einzige Aufgabe darin besteht, gelegentlich leicht bekleidet aufzutreten.

Sieht man darüber hinweg, gelingt es Filmemacher Carl Franklin gut, verschiedene Möglichkeiten der Geschehnisse in Südamerika zu präsentieren, die das Publikum entweder wütend werden lassen in Anbetracht dessen, was eine zentrale Figur verbrochen haben könnte, oder darüber, dass andere Figuren unbescholten davonkommen könnten. Bewusst führt die Geschichte dabei mehrmals in die Irre, wartet mit Wendungen und Überraschungen auf, von denen manche unerwartet sind, andere jedoch lange absehbar. So bedauerlicherweise auch das Finale, das entgegen des eher ruhigen Aufbaus auf Action setzt. Auch hier zeigt sich die Besetzung engagiert, wie bereits zuvor. Ähnlich wie kurz zuvor in Doppelmord [1999] zeigt Ashley Judd eine eindrucksvolle Bandbreite, mit der sie Claires Kampf gegen ein übermächtiges System schnell greifbar macht. Doch mangelt es ihrer Figur hier an Momenten, in denen sie Stärke beweisen darf. Jim Caviezel enttäuscht wie gewohnt nicht, selbst wenn das Drehbuch seiner Figur im letzten Drittel kaum Entwicklungsmöglichkeiten bietet während Morgan Freeman routiniert Tiefgang vermittelt, obwohl sein Charakter kaum über Genreklischees hinauswächst.

Es klingt negativer, als es gemeint ist, denn von einigen wenigen Szenen abgesehen, ist High Crimes - Im Netz der Lügen ein routinierter Genrefilm, wenngleich Zeitlupen und Zooms unnötig oft eingestreut scheinen. Sieht man die Romanverfilmung als das, was sie sein will, kann sie durchaus unterhalten und streut lange genug Zweifel, ob Ron die Taten nun begangen hat, oder nicht. Dass die übrige, nicht weniger eindrucksvolle Besetzung kaum gefordert ist, ist bedauerlich und auch die Story offenbart bei genauem Hinsehen nur wenig wirklich einfallsreiche Ideen. Dafür entschädigen die drei Stars im Zentrum, die merklich investierter sind, als es bei anderen Filmen dieser Art der Fall ist.


Fazit:
So bekannt einem viele einzelne Elemente der Geschichte vorkommen, wie das Drehbuch sie zusammenbringt, ist öfter gelungen, als nicht. Doch insbesondere in Anbetracht des politischen Hintergrunds der Story verwundert es doch, dass ausgerechnet diejenige Partei, die unter den Morden am meisten gelitten hat, überhaupt nicht zu Wort kommt. Dabei präsentiert Carl Franklin sogar eine Figur aus jenem Dorf, das Ort abscheulicher Verbrechen wurde, doch sie verbleibt nicht mehr als ein namenloser Statist. So wird aber auch deutlich, worum es dem Film im Grunde geht: Im Zentrum steht nicht das Drama der Menschen, denen Gewalt widerfahren ist, sondern der Krimi darüber, ob herauskommt, wer die Verbrechen begangen hat. Das ist legitim, scheint aber in Anbetracht der Bedeutung des Hintergrunds doch zu wenig. Als unterhaltsamer Crime-Thriller unter den Augen der Gerichtsbarkeit, ist High Crimes - Im Netz der Lügen auch dank der soliden und merklich geforderten Besetzung im Zentrum gelungen. Zumindest, bis das actionreiche Finale merklich Klischees bedient. Bis dahin hält sich der Film vage damit, was sich zugetragen hat, und versetzt das Publikum so unmittelbar an die Seite von Hauptfigur Claire. Das funktioniert, wenn auch mit weniger Anspruch, als die Präsentation vermittelt.