Heist – Der letzte Coup [2001]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 22. August 2004
Genre: Thriller / UnterhaltungOriginaltitel: Heist
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: Kanada / USA
Produktionsjahr: 2001
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: David Mamet
Musik: Theodore Shapiro
Darsteller: Gene Hackman, Danny DeVito, Delroy Lindo, Sam Rockwell, Rebecca Pidgeon, Ricky Jay, Patti LuPone
Kurzinhalt:
Als Gauner wie als Handwerker ist Joe Moore (Gene Hackman) ein Meister seines Fachs; doch beim letzten Coup mit seiner Crew bestehend aus Lebensgefährtin Fran (Rebecca Pidgeon), Bobby (Delroy Lindo) und Pinky (Ricky Jay) wurde er von einer Videokamera erfasst. Doch um einfach abzuhauen fehlt ihm das nötige Kleingeld.
Da kommt ihm der neue Plan von Mickey Bergman (Danny DeVito) gerade recht, der die Schweizer um viel Gold erleichtern will; allerdings soll dabei sein Neffe Jimmy (Sam Rockwell) in Joes Crew mitmachen, der aber noch reichlich grün hinter den Ohren ist. Nicht nur, dass er die gesamte Operation gefährdet, es scheint auch, dass Mickey andere Pläne mit der Beute hat, als sie einfach mit Joe und seinen Kumpanen zu teilen.
Kritik:
"Ein gutes Drehbuch sollte vollständig ohne Dialog auskommen", sagte David Mamet, mit bürgerlichem Namen Richard Weisz einmal. Der Autor und Regisseur weiß, wovon er redet, für seine Vorlagen zu Wag the Dog - Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt [1997] und The Verdict - Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit [1982] wurde er jeweils für einen Oscar nominiert. Doch während der Filmemacher in den letzten Jahren immer mehr hinter der Kamera agierte, erlangte er größere Berühmtheit und Anerkennung durch seine Theaterarbeit, für Schauspieler ist es wie die Aufnahme in einen elitären Club, wenn man von ihm für ein Bühnenstück akzeptiert wird.
Umso verwunderlicher ist es, dass sein Gaunerfilm trotz eines Staraufgebots nicht in Fahrt kommt. Dabei erinnern manche Passagen schon beinahe an ein Kammerspiel, das überzogene Schauspiel der Figuren, die plötzlichen Tempiwechsel in den Dialogen und die unzähligen Twists vernichten jeden guten Ansatz, den die Story ursprünglich einmal besessen haben mag.
Was einen als Zuschauer bei einem solchen Gangsterfilm, bei dem es um Überfälle geht, wohl am meisten interessiert ist der Überfall an sich. Für gewöhnlich wird während des Films der Überfall geplant und vielleicht auch eine Ideallösung aufgezeigt, ehe die Schurken ans Werk gehen, etwas schiefläuft und man daraufhin improvisieren muss. Soweit so gut. Von der eigentlichen Planung des großen Überfalls bei Heist bekommt man als Zuschauer nichts mit, nicht einen einzigen Blick auf einen Lageplan darf man werfen. Zwar stehen die Beteiligten einmal mitten in der Pampa herum und verlegen Kabel auf dem Boden, das war es aber auch schon. Zudem wird ständig von dem "schweizer Ding" gefaselt, wer aber mit einem Banküberfall auf ein schweizer Geldinstitut rechnet wird ebenfalls enttäuscht. Es dauert ewig, bis endlich klar wird, was die Crew denn als nächstes plant, denn erst wollen sie es machen, im nächsten Moment nicht, dann wollen sie es wieder – und dann wieder nicht. Dafür nervt das Skript damit, ob Joe nun "den Job" übernimmt, und später wird die viel zitierte Phrase abgelöst, durch wo denn "das Gold" geblieben sei. Zuschauer, denen das nach kürzester Zeit nicht auf den Geist geht, dürften schwer zu finden sein.
Aber nicht nur damit wird der Zuschauer genervt, vielmehr fallen im Lauf des Films zahlreiche Logikfehler und inhaltliche Patzer auf, die den Spaß sichtlich trüben. Da verschwinden Nebenfiguren wie die trinkende Flughafenangestellte oder der reiche Nachbar, der Joes Boot abkaufen möchte, auf einmal spurlos und melden sich auch nie bei der Polizei. Und auch der Überfall auf dem Rollfeld scheint von keiner Menschenseele beachtet zu werden, von der Fahndung, die nach Joe laufen muss, ganz zu schweigen. Dafür geht der Überfall viel zu glatt, und der einzige, der am Ende überrascht dasitzt ist der Zuschauer, der sich fragt, wie ein so unoriginelles Skript den Weg auf die Leinwand finden konnte.
Über die Hintergründe der Personen im Film wird kein Wort verloren, was sie untereinander verbindet, bleibt im Dunkeln, da helfen auch die gekünstelten Dialoge nicht weiter, die sich großteils um banales Gelaber drehen und hin und wieder einen witzigen Spruch hervorbringen. Aber genau die wirken ihrerseits wieder erzwungen und passen nicht so recht zum Rest des Films. Man hat auch das Gefühl, dass Mamet seine Erfahrungen aus dem Theater zu sehr in den Film übernommen hat, manch ein Dialog entpuppt sich nämlich als ausgewalzter Monolog, in dem eine Person die Motive und Absichten der anderen selbst schon erörtert, sodass man als Zuschauer die wahren Beweggründe der Figuren gar nicht aus ihrem Mund zu hören bekommt.
Wer nach so einem langen Vorspiel dann aber auf den Höhepunkt hofft, muss erst einmal durchatmen, eine Storywendung jagt schließlich die andere nach dem eher drögen Überfall und spätestens nach dem recht brutalen Shoot-out am Schluss weiß man gar nicht mehr, ob sich die Filmcharaktere nicht alle gegenseitig etwas vorgespielt haben. Bei wem da die Sympathien liegen sollen, bleibt auch beim einsetzenden Abspann ein Rätsel, auch wenn so gut wie keiner (abgesehen von Danny DeVito und Sam Rockwell) wirklich unsympathisch ist. Als Kenner von solchen Thrillerfilmen erwartet man womöglich auch einen Gegenspieler zu Joe Moore auf Seiten der Polizei, so dass Joe Mickey letztendlich an die Gesetzeshüter ausliefern und selbst in den Sonnenuntergang segeln kann, aber von den Uniformierten wird leider gar keiner porträtiert.
Die Darsteller sind es dann auch, die den Film immerhin noch erträglich machen; Gene Hackman serviert dem Zuschauer sein gewohnt routiniertes Spiel, auch wenn es von dem in Das Urteil – Jeder ist käuflich [2003] weit entfernt ist.
Als Bösewicht hinterlässt Danny DeVito einen wirklich guten Eindruck, einzig sein Fluchen wirkt bei ihm aufgesetzt, was aber wohl eher daran liegt, dass er für gewöhnlich in anderen Rollen zu sehen ist, bei denen er auf eine andere Sprache zurückgreift. Er scheint hier fast noch engagierter bei der Sache, als bei Der Fall Mona [2000], aber alle Kunst ist angesichts der holprigen Dialoge, die mehr als Gequassel durchgehen, denn als sinnvolle Zeilenfüller, umsonst.
Delroy Lindo, der sich in Filmen wie Nur noch 60 Sekunden [2000] leider zusehends verschenkt hat, ist hier wieder einmal ein Lichtblick, wenngleich ein unterforderter. Ein ähnlich intensives Spiel wie seine exzellente Darbietung in Gottes Werk & Teufels Beitrag [1999] verlangt die Rolle ohnehin nicht.
Mit Rebecca Pidgeon besetzte Regisseur Mamet einmal mehr seine Gattin für einen seiner Filme, auch wenn sie alles andere als eine Sympathieträgerin ist. Schauspielerisch bewegt sie sich allerdings auf sicheren, wenn auch farblosen Pfaden, ihr Charakter wirkt stets unterkühlt aber motivationslos; ihre spärliche Mimik auch in den ruhigeren Szenen mit Gene Hackman helfen dabei nicht wirklich.
Sam Rockwell, der zwar schon lange vor The Green Mile [1999] in Filmen zu sehen war, aber da eine seiner eindrucksvollsten Leistungen zeigte, wirkt hier zwar um zehn Jahre verjüngt, aber das Fehlen jeglichen Engagements gekoppelt mit dem unbeholfenen Stolpern von einem Klischee zum anderen helfen ihm als Darsteller nicht bei der Bewältigung dieser Rolle. Zwar hätte man von ihm sicherlich mehr erwartet, letztendlich ist er aber nicht viel mehr als ein gut besetzter Nebendarsteller.
Mit Ricky Jay, dem sympathischsten der Filmschurken, wird die Schauspielriege abgerundet, doch ist er einer der Unterbeschäftigsten der gesamten Truppe und einer der wenigen, die bei einer Fortsetzung nicht mehr mitspielen könnten. Schauspielerisch gibt er sich solide, aber auch von ihm hätte man sich mehr Einsatz gewünscht.
Es ist oft schwer vorzustellen, dass trotz eines derartigen Aufgebots an Schauspielern letztendlich ein enttäuschender Film herauskommt. Mit Größen wie Gene Hackman und Danny DeVito ist aber sicherlich mehr zu machen, auch die übrige Besetzung gibt sich bestenfalls mit "gut" zufrieden, preisverdächtige Leistungen sind aber leider keine zu sehen.
Inszenatorisch müht sich Regisseur David Mamet mit bisweilen recht ungewöhnlichen Kameraeinstellungen, die auch eine gute Übersicht beweisen, alles in allem ist die Umsetzung für einen temporeichen Krimi aber zu brav geraten. Die einzige Explosion im Film (und die ist in der einen Einstellung, in der sie zu sehen ist, wirklich eindrucksvoll) wird leider nicht ausgenutzt und ist viel zu schnell vorbei. Die Schießerei beim Finale hingegen lässt nie erkennen, wer gerade wo schießt und wer eigentlich getroffen ist – bis am Ende fast alle am Boden liegen. Richtige Kamerafahrten, die sich bei den verschiedenen Fronten, gegen welche die Gauner ankämpfen müssen, wirklich angeboten hätten, fehlen ganz, ebenso (und das ist wirklich verwunderlich) wie manche Schnitte.
Dies äußert sich in einer Szene, in der sich Gene Hackman und Delroy Lindo in einer Garage unterhalten so, dass Hackman aufgebracht meint, Lindo solle noch nicht gehen – dabei verweilt die Kamera knapp fünf Sekunden auf seinem Gesicht, bis er seinen Befehl erneut mit mehr Elan wiederholt; dazwischen hätte man sehen sollen, wie Lindo seine Jacke in die Hand nimmt und sich zum Gehen bereit macht, aber auf Grund des kammerspielartigen Schnittverhaltens, das trotzdem nicht die Zugkraft der Darsteller einfängt, geht hier das Tempo verloren. In der fertigen Form erscheint Heist wie ein Rohschnitt, an dem sich ein anderer Cutter noch hätte zu schaffen machen sollen. Was Mamets Film zudem völlig fehlt, ist irgendein Spannungsaufbau. Eine Dramaturgie ist nur in Ansätzen vorhanden.
Dass der Überfall nicht mitzureißen vermag liegt bisweilen auch an der Musik von Theodore Shapiro, der zwar einige wirklich eingängige, wenn auch zurückhaltende Themen verfasste, aber leider weder mit einer spannenden Passage überzeugt, noch die actionreicheren Szenen mit einer guten Musik untermalt.
Stattdessen lässt er die Bilder für sich sprechen – und die sagen leider nicht allzu viel. Das "charmante Gauner"-Motiv wirkt anfangs noch ganz unterhaltsam, verliert im Lauf des Films zusammen mit den zuerst unbeschwerten Charakteren aber seinen Glanz. Zudem ist in dem Film sehr wenig Musik zu hören, ob man damit eine Soundtrack-CD füllen kann, sei dahingestellt.
Auch wenn der Film inzwischen in den Medien sehr gut dasteht, als er im Kino lief war das Publikum (die Kritiker ausgenommen) nicht so recht begeistert. Die nur 40-Millionen-Dollar teure Produktion nahm immerhin weltweit nicht einmal 30 wieder ein.
Was einem als Zuschauer, der den überaus unterhaltsamen und amüsanten Trailer zum Film kennt, zudem auffällt ist die Tatsache, dass ein wirklich witziger Wortwechsel von Gene Hackman und Danny DeVito – nämlich "Was hat Dich zu einem Kriminellen gemacht?" (Hackman) - "Nichts hat mich zu einem Kriminellen gemacht, ich bin ein Krimineller." – gar nicht im Film enthalten ist. Was noch alles der Schere zum Opfer gefallen ist, lässt sich nicht erahnen, immerhin ist auch die DVD-Ausgabe nur spärlich ausgestattet.
Die Besetzung ist erstklassig, und auch aus der Story hätte man einen unterhaltsamen Film schneidern können, aber die unzähligen Mankos, seien es nun die zahlreichen Storylöcher, die man beim besten Willen nicht ignorieren kann, die bisweilen überzogenen Darstellerleistungen, die stark an ein Theaterstück erinnern, oder aber die unausgegorene Geschichte selbst, die weder mit interessanten Wendungen beim Überfall, noch mit vielschichtigen Charakteren aufwarten kann, machen den Spaß beim Zuschauen einfach zunichte.
Als Ocean's Eleven [2001] seinerzeit im Kino lief, war man von den charmanten Schurken fasziniert, aber von dem eher platten Überfall gelangweilt – im Vergleich zu Heist ist Steven Soderberghs Film aber eine regelrechte Offenbarung.
Fazit:
Nicht nur, dass ein Schluss bei David Mamets Film den anderen jagt, auch ein Twist überrumpelt schlussendlich den nächsten und überfährt dabei den Zuschauer, der die ersten 90 Minuten eher gelangweilt dem Treiben beigewohnt hat.
Mitreißend ist Heist nämlich leider nicht gelungen, die witzigsten Sprüche sind bereits im Trailer zu sehen und die Tempiwechsel innerhalb eines Dialogs, der von schnell urplötzlich auf lähmend langsam umschlägt, nehmen auch den letzten Erzählrhythmus aus der Geschichte. Die viel zu einfache und unausgegorene Story zusammen mit den scheunentorgroßen Löchern im Skript lassen sich auch nicht durch die routinierten, wenn auch nicht überragenden Darstellerleistungen wettmachen.
Wer einen Blick hinter die Kamera wirft, hätte hier eine Perle des Genres, ein kleines Meisterwerk erwartet. Herausgekommen ist ein langatmiger, durchschnittlicher Gaunerfilm, der weder durch die Überfälle, noch durch die Gauner überzeugen kann.