Glass Onion: A Knives Out Mystery [2022]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 26. Dezember 2022
Powered by — Jetzt Streamen Bei:
Originaltitel: Glass Onion: A Knives Out Mystery
Laufzeit: 139 min.
Produktionsland: Frankreich / USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Rian Johnson
Musik: Nathan Johnson
Besetzung: Daniel Craig, Edward Norton, Janelle Monáe, Kathryn Hahn, Leslie Odom Jr., Kate Hudson, Dave Bautista, Jessica Henwick, Madelyn Cline, Noah Segan, Jackie Hoffman, Dallas Roberts
Kurzinhalt:
Im Mai 2020 befindet sich der weltberühmte Detektiv Benoit Blanc (Daniel Craig) kurz vor einem völligen Nervenzusammenbruch. Auf Grund der Einschränkungen der Corona-Pandemie ist er unterfordert, sein messerscharfer Verstand verkümmert. Bis er eine Box erhält, in der hinter zahlreichen Rätseln und Puzzeln eine Einladung des Milliardärs Miles Bron (Edward Norton) versteckt ist. Einmal im Jahr versammelt Bron einen Kreis enger Freunde für ein Wochenende. Dieses Mal will er dabei ein Rätsel veranstalten. Die Gäste, darunter die Gouverneurin Claire Debella (Kathryn Hahn), Wissenschaftler Lionel (Leslie Odom Jr.), Streamer Duke (Dave Bautista) nebst Freundin Whiskey (Madelyn Cline) und Modedesignerin Birdie (Kate Hudson) mit ihrer Assistentin Peg (Jessica Henwick), sollen erraten, wer ihn – Miles – ermordet hat. Was als Spiel beginnt, wird schnell tödlicher ernst, denn nicht nur, dass Brons geschasste Geschäftspartnerin Andi (Janelle Monáe) unverhofft auftaucht, wie Bron Detektiv Blanc verrät, hat er ihn nicht einladen. Nur wenn er nicht, wer will dann, dass ein wirklicher Ermittler zugegen ist? Es dauert nicht lange, ehe es den ersten Todesfall gibt …
Kritik:
Man kann es sowohl als Kompliment wie auch als Kritik verstehen, wenn man feststellt, dass Filmemacher Rian Johnson seiner Krimikomödie Knives Out – Mord ist Familiensache [2019] in der beim Streamingdienst Netflix veröffentlichten Fortsetzung Glass Onion: A Knives Out Mystery treu bleibt. Tatsächlich schwingt auch ein wenig von beidem mit, denn so gelungen die leichtfüßige Erzählung und so passend die Verweise auf aktuelle Themen, so bedauerlich ist, dass der eigentliche Krimi kaum einlädt, selbst mitzuraten und die Erzählung so selbstsicher präsentiert wird, dass nur augenscheinlich verschachtelte Auflösungen den Film 20 Minuten länger machen, als er sein müsste.
Ungeachtet des Titels und der Tatsache, dass Daniel Craig erneut in die Rolle des berühmten Ermittlers Benoit Blanc schlüpft, gibt es keine inhaltliche Verbindung zwischen Glass Onion und Knives Out. Wie bei den Krimiklassikern von Agatha Christie, von denen Johnsons Werk ebenso wie seine Hauptfigur spürbar beeinflusst ist (man denke nur an den fiktiven belgischen Detektiv Hercule Poirot), handelt es sich um jeweils abgeschlossene Fälle und wie im letzten Film ebenso, wird dieser von einem geradezu unbezahlbaren Ensemble zum Leben erweckt. Angeführt von Craig und Edward Norton in der Rolle des Tech-Milliardärs Miles Bron, der in alle möglichen Technologien, von Weltraumraketen bis hin zu grüner Energie investiert – ganz offenbar eine von Elon Musk inspirierte Figur –, sind nicht nur in tragenden Rollen zahlreiche prominente Hollywood-Stars zu sehen. Selbst in Nebenrollen mit nur einem einzigen Kameramoment verbergen sich bekannte Namen, darunter etwa Ethan Hawke oder Sportlegende Serena Williams. Der Cameo-Auftritt von einer wahren Ikone des Krimigenres, Angela Lansbury, bleibt dabei ebenso in Erinnerung wie ein weiterer, wenn Blancs Partner gezeigt wird. Wer das ist, sollte für die Überraschung am besten nicht verraten werden.
Die fabelhafte Besetzung erweckt eine Geschichte zum Leben, die wie ein klassischer Krimi anmutet: Milliardär Bron veranstaltet einmal im Jahr mit seinen Freunden, darunter der für Männerrechte eintretende Streamer Duke, Gouverneurin Claire, Wissenschaftler Lionel und die Modedesignerin Birdie, ein gemeinsames Wochenende. Zuletzt auf einer Yacht, diesmal auf Brons privater Insel, wo er einen Glaspalast hat erbauen lassen – die Glass Onion. Brons Reichtum rührt von einer Firma, die er zusammen mit Andi Brand gegründet hatte. Inzwischen wurde Andi aus dem Geschäft gedrängt und hat dabei alles verloren. Dennoch ist sie Brons Einladung gefolgt, der auf der Insel ein Spiel mit seinen Freunden spielen will. Der Mord an ihm soll inszeniert werden und die Teilnehmenden das Rätsel lösen, wer von den Anwesenden ihn ermordet hat. Insofern kommt es für Miles Bron so überraschend wie ungelegen, dass auch der weltberühmte Detektiv Benoit Blanc Teil der illustren Gesellschaft ist. Eine und ein jeder von ihnen bekam eine Einladung in einer aufwändigen Rätselkiste, bei der zahlreiche Puzzle verschiedenster Art zu lösen waren. Auch Blanc hat eine Einladung – nur Bron hatte ihm keine zugesandt. Dass der Meisterdetektiv beim Abendessen am ersten Tag des Wochenendes die Lösung von Brons aufwändigem Mordrätsel bereits errät, hebt auch nicht die Stimmung des selbstverliebten Milliardärs, zumal kurz darauf eine wirkliche Leiche die Gesellschaft erschüttert.
Dabei ist weder das Rätsel um den Mord, noch die Lösung desselben ein bedeutender Aspekt von Glass Onion: A Knives Out Mystery. Dies einerseits auf Grund einer erzählerischen Entscheidung von Regisseur Johnson, der auch das Drehbuch schrieb, aber auch, weil trotz der Abgeschiedenheit auf Brons Privatinsel nie eine packende oder bedrohliche Stimmung aufkommt. Bis es überhaupt zum ersten Mord kommt, vergeht bereits eine Stunde der immerhin beinahe zweieinhalbstündigen Erzählung. Wer jedoch vermutet, dass die Story in dem Moment an Fahrt aufnimmt, wird enttäuscht. Vielmehr springt die Erzählung zurück und beleuchtet die Geschehnisse aus einem anderen Blickwinkel, der die Ereignisse jeweils in einen anderen Kontext rückt. Erst die letzte halbe Stunde wird die eigentlich Story fortgesetzt, was dafür sorgt, dass die Dramatik der Situation nie wirklich auf das Publikum überspringt. Doch das heißt nicht, dass man sich nicht gelungen amüsieren kann. Ganz im Gegenteil.
Rian Johnsons Erzählung sprüht vor Wortwitz und Situationskomik, die sich teils in treffender Gesellschaftskritik wiederfindet. Angefangen vom Milliardär, dessen Exzentrik ebenso unvergleichlich ist, wie sein Erfolg auf dem Rücken anderer erwirtschaftet. Die Menschen in seiner Umgebung sind gleichermaßen seine Feinde wie seine Freunde und jeder für sich genommen ein auf den Punkt gebrachtes Klischee. Der muskelbepackte Streamer, dessen Mutter jedes Rätsel für ihn löst, oder die Fashion-Designerin, die durch ihr mangelndes kulturelles Wissen oder das fehlende Feingefühl desselben ihre eigene Karriere in Stücke reißt. Aber auch Benoit Blanc selbst ist ein solches Klischee, ein Meisterdetektiv, dessen Selbstzufriedenheit und Selbstverliebtheit ihm ebenso vorauseilen wie sein Ruf und der in Zeiten der Corona-Pandemie allein aus Unterforderung zu verkümmern droht. Als eine der wenigen Produktionen integriert Glass Onion: A Knives Out Mystery das aktuelle Weltgeschehen, vielleicht mehr noch, als es wirklich notwendig wäre. Diese Figuren in Aktion zu sehen, macht den Reiz der Geschichte aus und die Beteiligten scheinen die Gelegenheit sichtlich zu genießen. Das ist witzig, mitunter bissig und zynisch, aber immer mit so viel Augenzwinkern zum Leben erweckt, dass man dabei viel Spaß haben kann. Nur mitreißend ist es spürbar wenig.
Fazit:
Nicht nur, dass Filmemacher Rian Johnson ein hervorragendes Händchen beweist, wenn es um das Aussehen seiner Krimikomödie geht, angefangen vom grundsätzlichen Design, den Kostümen, Sets oder der exzellenten, komponierten Bilderauswahl, er nutzt all dies, um zahlreiche Hinweise einzustreuen. Beispielsweise, wenn eine Figur in einer Szene zu sehen ist, während im Hintergrund ein Gemälde hängt, das andeutet, was mit ihr geschieht. Oder Mord und Mordwerkzeug bildlich widergespiegelt werden. Die Optik ist eine Wucht und die Besetzung, so erlesen sie ist, nicht nur über jeden Zweifel erhaben, sondern hervorragend aufgelegt. Daniel Craig beweist so viel Humor wie Selbstironie in der Rolle eines Meisterdetektivs, der unter anderem an Cluedo verzweifelt und in der Gruppe der Superreichen ebenso fehl am Platz erscheint, wie wenn er im Pool bekleidet seinen Drink zu sich nimmt. Edward Norton und Kate Hudson sind gleichermaßen fantastisch, die überraschendste und gleichzeitig mysteriöseste Figur darf jedoch Janelle Monáe verkörpern, der dies eindrucksvoll gelingt. Glass Onion: A Knives Out Mystery ist sich der Genreklischees wohl bewusst und weiß, mit der Erwartungshaltung eines Publikums zu spielen, das bereit ist, sich auf einen dialoggetriebenen Krimi einzulassen. Das ist für sich genommen kein Kritikpunkt, doch die nichtlineare Erzählung reißt die Handlung (zu) lange auseinander, so dass die Dramaturgie merklich leidet. So ist der Film trotz der erstklassigen Stimmung dennoch zu lang und sich seiner Cleverness sicherer, als er sein sollte. Dem Spaß am Zusehen schadet das aber kaum.