Focus [2015]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 9. Januar 2016
Genre: Unterhaltung

Originaltitel: Focus
Laufzeit: 105 min.
Produktionsland: USA / Argentinien
Produktionsjahr: 2014
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Glenn Ficarra, John Requa
Musik: Nick Urata
Darsteller: Will Smith, Margot Robbie, Adrian Martinez, Gerald McRaney, Rodrigo Santoro, BD Wong, Brennan Brown, Robert Taylor, Dotan Bonen, Griff Furst, Stephanie Honoré


Kurzinhalt:

Zusammen mit Horst (Brennan Brown), Farhad (Adrian Martinez) und zwei Dutzend anderen betreibt der Trickbetrüger Nicky (Will Smith) in New Orleans eine erfolgreiche Unternehmung. Gemeinsam nehmen sie unzählige ahnungslose Dritte aus. Als die lernbegierige Jess (Margot Robbie) einsteigen möchte, lehnt Nicky zunächst ab, doch Jess ist talentiert. Jahre nach New Orleans verschlägt es Nicky nach Buenos Aires, doch bei seinem nächsten Kunden läuft ihm Jess wieder über den Weg. Ob das nur Zufall ist?


Kritik:
Für einen Film mit dem Titel Focus besitzt seine Erzählung erstaunlich wenig davon. Zugegebenermaßen ein billiges Wortspiel, das sich die Filmemacher Glenn Ficarra und John Requa (I Love You Phillip Morris [2009], Crazy, Stupid, Love. [2011]) redlich verdient haben. Ihr Film ist so lustlos erzählt und inhaltlich von sich selbst gelangweilt, dass die erzwungenen Twists alles möglich werden lassen. Nur einen guten Film leider nicht.

Wie gut es gelingen kann, dass Geschichten über Betrüger mitreißen, sieht man am Klassiker Der Clou [1973] oder auch modernen Vertretern wie Catch Me If You Can [2002] oder Ocean's Eleven [2001]. Nur braucht es in jedem Fall Figuren, mit denen man mitfiebert, die einem sympathisch sind. Schon das ist etwas, was Focus schmerzlich vermissen lässt. Hauptdarsteller Will Smith spielt den Betrüger Nicky, der Teil einer 30köpfigen Bande ist, die in New Orleans Touristen und alle anderen willigen Opfer ausnimmt. Taschendiebstahl, Kreditkartenklau – in einer Woche kommt so eine siebenstellige Summe zusammen. Die charismatisch-sympathische Margot Robbie mimt Jess, eine junge Frau, die groß in dem Geschäft herauskommen will. Wer möchte nicht gern ein Taschendieb und professioneller Lügner sein? Ihre Figur selbst sagt in einer Szene, es sei ein Wunder, dass sie keine Nutte geworden sei. Zumindest würden ihre Kunden so eine Gegenleistung erhalten, anstatt von ihr nur das Geld aus der Tasche gezogen zu bekommen. Das Skript beweist hier eine seltsame Moralvorstellung. Doch ich weiche ab.

Jess wird zur Praktikantin der Unternehmung und erweist sich als überaus talentiert. So plätschert der Film die erste Stunde vor sich hin, ehe es einen inhaltlichen Schnitt gibt und die Story drei Jahre nach vorn springt. Dann werden bis auf drei bekannte Gesichter ausschließlich neue Figuren eingeführt und es beginnt ein neuer Auftrag von Nicky, der für den Rennstallboss Garriga tätig werden und seiner Konkurrenz eine nutzlose Technologie verkaufen soll.
Für einen reinen Prolog sind die Geschehnisse in New Orleans viel zu lang, um nach ca. einer Stunde inhaltlich neu anzufangen, ist es viel zu spät. Focus drückt inhaltlich einen Resetknopf und erwartet, dass man sich als Zuschauer aufs Neue auf die Figuren einlässt, die sich so absurd verhalten, dass es beinahe kaum auszuhalten ist.

So hatte – ohne etwas vorwegzunehmen – Nicky Jess nach New Orleans abserviert, gibt sich dann (denn die Story verlangt es, dass sich die Figuren per Zufall in Buenos Aires wiedersehen) aber so anhänglich und verletzt, als hätte es ihm das Herz gebrochen, dass man sich fragt, was für eine Art Mensch Nicky überhaupt sein soll. Was später erklärt wird, ergibt ewig lange keinen Sinn und ist selbst nach der Auflösung noch an den Haaren herbeigezogen.

Nicht nur, dass es keine wirkliche Sympathiefigur im gesamten Film gibt, gerade Smiths Nicky ist so schwammig und unscharf gezeichnet, dass man ihn nicht einordnen kann. An den Darstellern liegt das zwar nicht, sind sie doch wenn schon nicht übermäßig gefordert, dann zumindest engagiert genug bei der Sache. Auch die handwerkliche Umsetzung lässt keine Wünsche offen und dürfte mit der natürlichen Lichtgebung und den knackigen Neonfarben in den Nachtaufnahmen insbesondere Fans von Michael Manns Stil überraschen.

Aber inhaltlich ist Focus ein solcher Schlamassel, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Sei es bei dem ständigen Gelaber darum, wie einfach es ist, Menschen abzulenken und ihnen Uhr und Handtasche zu klauen, ohne aber eine solche Aktion ein einziges Mal am Stück ohne verwackelte Einstellungen oder Schnitte zu zeigen. Oder dass bei der Geschichte rein zufällig alles so zusammenfällt, wie es das tut. In einer optisch eindrucksvollen Sequenz kauft sich ein Handlanger des Rennstallbosses alle möglichen Utensilien, setzt sich ins Auto und fährt mit voller Wucht auf ein anderes drauf. Woher er wusste, dass sein Ziel zu genau dem Moment an dem Ort sein würde, verstehe aber wer will. Es sieht gut aus, ist inhaltlich aber abstrus und nur ein Tropfen auf den heißen Stein.


Fazit:
Entpuppt sich eine an sich interessante Sequenz als großer Bluff, in den man als Zuschauer nicht eingeweiht war, findet man das noch interessant. Stellt sich später ein weiterer Moment als gezinkt heraus, ist das schon weniger packend, zumal einem als Zuseher wieder die notwendigen Informationen gefehlt haben, um selbst hinter den Betrug zu kommen. Geschieht das beim Finale dann aber erneut, ist es nur noch ermüdend. Das Skript von Focus ist so sehr darum bemüht, unvorhersehbare Wendungen einzubauen, dass es vergisst, dass diese auch Sinn ergeben sollten.
So basiert das meiste auf Vermutungen oder wundersamen Zufällen. Die Darsteller sind bemüht, das Setting besitzt durchaus Charme und die Bilder sind gut ausgewählt. Die langsame Erzählung allerdings lässt zu spät erkennen, wohin sich die Geschichte entwickeln soll und verlangt der Film nach der Hälfte einen Neustart, so dass das Ziel wieder nicht absehbar ist, hat man längst das Interesse verloren. Mag sein, dass der eine große Coup ein Mythos ist, wie Nicky selbst sagt. Aber zu sehen, wie das Team diesem nachjagt und improvisieren muss, hätte bedeutend mehr Spaß gemacht.