Einfach mal was Schönes [2022]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 10. November 2022
Genre: Komödie / Drama

Laufzeit: 116 min.
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Karoline Herfurth
Musik: Annette Focks
Besetzung: Karoline Herfurth, Nora Tschirner, Jasmin Shakeri, Milena Tscharntke, Ulrike Kriener, Herbert Knaup, Kathrin Angerer, Aaron Altaras


Kurzinhalt:

Seit Langem ist Karlas (Karoline Herfurth) größter Wunsch ein Kind, doch die Männer, die sie trifft, wollen keine Väter sein. Nach ihrem 39. Geburtstag sieht die Moderatorin einer nächtlichen Radiosendung ihre biologische Uhr immer schneller laufen und beschließt, allein ein Kind zu bekommen. Ihre Freundin Senay (Jasmin Shakeri) unterstützt das Vorhaben, während Karlas Schwestern Jule (Nora Tschirner), selbst Mutter dreier Kinder, und Johanna (Milena Tscharntke), die kurz vor ihrer Hochzeit steht, die Entscheidung nicht gutheißen. Auch ihre geschiedenen Eltern Marion (Ulrike Kriener) und Robert (Herbert Knaup) wollen Karla davon abbringen. Gewissermaßen als letzte Affäre will sich Karla auf den jüngeren Ole (Aaron Altaras) einlassen, aber beide entwickeln stärkere Gefühle füreinander. Als Ole jedoch von Karlas Schwangerschaftsplänen erfährt, fühlt er sich hintergangen. Während er derzeit noch kein Kind haben möchte, läuft Karla die Zeit davon …


Kritik:
Nach ihrem facettenreichen und sehenswerten Drama Wunderschön [2022] präsentiert Karoline Herfurth mit der Dramödie Einfach mal was Schönes einen Film, der Vieles versucht, seine Ziele aber (zu) niedrig steckt. Was beginnt als Geschichte um eine Frau, die um jeden Preis ein Kind haben möchte, entwickelt sich zu einem Familiendrama, das weibliche Geschlechterrollen in der Gesellschaft thematisiert und Beziehungen mit Altersunterschieden in den Blick nimmt. Nur führt nichts davon irgendwo hin, damit sich der Titel am Ende bewahrheiten kann.

Zu Beginn stellt die Filmemacherin, die auch am Drehbuch mitschrieb, die von ihr verkörperte Hauptfigur Karla vor, die ihrem Freund einen positiven Schwangerschaftstest präsentiert. Auf seine panische Reaktion hin, entscheidet sich Karla gegen ihren Wunsch gegen das Kind, findet aber kurz darauf heraus, dass ihr Freund sie betrügt. Zwei Jahre später ist Karla 39 Jahre alt, Single und will um jeden Preis ein Kind bekommen. Nach vielen erfolglosen Dates und einem Blick auf Konzepte wie eine Co-Elternschaft, bei der sich zwei Erwachsene für ein Kind entscheiden, aber keine Beziehung führen, plant sie eine künstliche Befruchtung, als sie den beinahe zehn Jahre jüngeren Ole kennenlernt. Sie verbringen viel gemeinsame Zeit, doch als Ole erfährt, dass Karla eine Schwangerschaft vorgesehen hat und er für sie nicht mehr als eine Affäre ist, fühlt er sich hintergangen.
Das allein wäre im Grunde Story genug, insbesondere mit der Möglichkeit, aktuelle, gesellschaftlich relevante Beiträge zu liefern. Im Film wird die Aussage in den Raum gestellt, ob eine solche Schwangerschaft ein Zeichen von Egoismus ist, immerhin stehe nicht das Wohl des Kindes an erster Stelle, sondern der unbedingte Wunsch der Mutter. Auch könnte man ausloten, wie sich der Altersunterschied auf den Kinderwunsch auswirkt und die Erwachsenen hier einen gemeinsamen Weg suchen. Doch Einfach mal was Schönes wirft diese Aspekte und Aussagen in den Raum, ohne sich damit zu beschäftigen. Vor allem jedoch nimmt mit Karlas Familie noch ein weiterer Storyaspekt viel Platz ein. Angefangen bei ihren beiden Schwestern, der von Nora Tschirner gespielten Jule und der von Milena Tscharntke verkörperten Johanna. Jule hat eine Familie mit drei Kindern, ist aber zynisch und betrügt ihren Mann. Johanna hingegen will in Kürze ihre Lebensgefährtin heiraten und ist auch beruflich sehr erfolgreich. Beide haben jedoch in ihrem Leben zu kämpfen, ganz zu schweigen von ihrer alkoholsüchtigen Mutter Marion, die nun, da ihr Ex-Mann Robert die jüngere Sandy heiratet, noch verbitterter ist, als zuvor.

Einfach mal was Schönes beginnt verschiedene Erzählstränge und lange Zeit ist nicht absehbar, wohin sich all das entwickeln soll. Ob nun Karlas Kinderwunsch und ihre Beziehung mit Ole im Mittelpunkt steht, oder das komplizierte Familienverhältnis, ist nur schwer zu greifen. Setzt sich die Familie auf Johannas Wunsch hin zusammen, um sich auszusprechen, gäbe es genug Möglichkeiten, treffende Beobachtungen zu präsentieren und in einigen bissigen Kommentaren schwingt viel Wahrheit mit. Doch scheut sich das Drehbuch, die zentralen Figuren wirklich zu demaskieren. Dabei sind die vier Frauen allesamt auf sich selbst bezogen, angefangen von Marion, die stets in der Vergangenheit lebt und erzählt, worauf sie verzichtet hat. Aber auch Johanna, der ihre eigene Hochzeit wichtiger ist als das Wohl aller anderer (selbst an der Hochzeit beteiligter) Personen. Jule ohnehin mit ihrem Seitensprung, bei dem sie offenbar keine Reue empfindet, und auch Karla lässt Ole im Unklaren und will allein sich selbst verwirklichen. Eine wirkliche Entwicklung gibt es bei ihnen auch nicht, sie verharren in ihrem Zustand und haben am Ende keine greifbare Erkenntnis vorzuweisen.

All das ist chic inszeniert mit vielen beliebten Songs, die prominent eingespielt werden, Tanzszenen, hip gekleideten Figuren und zahlreichen Zeitlupen. Nur erscheint es so künstlich wie die teils romantisierende Darstellung von Tabakkonsum in der heutigen Zeit schlichtweg fehlplatziert. Sagt Jule in einem Moment zu ihrer jüngsten Schwester noch, dass es Happy Ends nur im Kino gebe, begibt sich Einfach mal was Schönes schließlich genau auf diesen Pfad. Ein aufdringlich kitschiges Ende folgt auf eine Hochzeit, deren Katastrophen so überzogen sind, als stamme die Sequenz aus einer Filmparodie. Doch da dies nicht die zentrale Figur betrifft, interessiert das Geschehen das Publikum kaum. Nimmt man dann noch die gestellt wirkenden Dialoge hinzu, wie beispielsweise die Hausflurbegegnung von Karlas Mutter mit der Nachbarschaft, erscheint das Geschehen so unwirklich, dass es beinahe jeden Realitätsbezug verliert. Wer nicht auf mehr aus ist, kann sich dabei von der guten Besetzung unterhalten lassen.


Fazit:
Jede der unterschiedlichen Ausrichtungen der Story besitzt Szenen, in denen überzeugend deutlich wird, was daraus hätte werden können. Wenn sich die drei Schwestern, deren Akteurinnen allesamt toll spielen, über ihre Lebensvorstellungen oder ihre Mutter unterhalten, beispielsweise. Oder Karlas Mutter, die viele treffende Kommentare über die Rolle der Frau in Familien preisgibt. Auch Karlas Liebesgeschichte mit Ole besitzt Momente, in denen sich die Chemie herauskristallisiert. Nur scheint all das kaum zusammen zu passen. Wichtige, gesellschaftlich relevante Themen werden aufgeworfen, aber anstatt sie zu thematisieren und sich damit zu beschäftigen, werden sie nur in den Raum gestellt. Das soll Bedeutung verleihen, wirkt aber letztlich nur oberflächlich. Für die Figuren bleibt ihr Handeln ohne Konsequenz und mit zunehmendem Verlauf häufigen sich Situationen, die es so nur im Film gibt. Einfach mal was Schönes ist als Wohlfühlkino mit Herz gedacht, wie der Filmtitel verlauten lässt und der kitschige Schluss noch unterstreicht. Aber da die Geschichte nichts wirklich auflöst, funktioniert das – zumindest für diesen Kritiker – leider nicht.