Dune [2021]

Wertung: 6 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 7. September 2021
Genre: Science Fiction

Originaltitel: Dune
Laufzeit: 155 min.
Produktionsland: USA / Kanada
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Denis Villeneuve
Musik: Hans Zimmer
Besetzung: Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Jason Momoa, Oscar Isaac, Josh Brolin, Zendaya, Dave Bautista, Stellan Skarsgård, Javier Bardem, Sharon Duncan-Brewster, Chen Chang, Charlotte Rampling, David Dastmalchian, Stephen McKinley Henderson, Michael Nardone, Babs Olusanmokun


Kurzinhalt:

Im Jahr 10.191 beherbergt der unscheinbare Wüstenplanet Arrakis den wichtigsten Rohstoff des bekannten Universums: Das Spice. Ohne das Spice ist die interstellare Raumfahrt nicht möglich. Beinahe ein Jahrhundert lang wurde das Spice durch das Haus Harkonnen, unter der Leitung des Barons (Stellan Skarsgård), abgebaut. Dann hat der Imperator die Unterdrücker abgezogen und übergibt die Verwaltung dem ehrwürdigen Haus Atreides, angeführt von Herzog Leto (Oscar Isaac). Er bricht mit seinem einzigen Sohn Paul (Timothée Chalamet) und Pauls Mutter Jessica (Rebecca Ferguson) sowie einem großen Gefolge auf zum Wüstenplaneten. Seit langem von Träumen und Visionen von Arrakis heimgesucht, führt Pauls Weg zu den ursprünglichen Bewohnern des Wüstenplaneten, den Fremen. Unter ihnen Chani (Zendaya), die Paul bereits in seinen Visionen gesehen hat. Der Glaube der Fremen spricht von „Lisan al-Gaib“, einem Propheten von jenseits ihrer Welt, der kommen soll, um sie ins Paradies zu führen. Doch wird das Haus Atreides auf Arrakis Opfer eines Komplotts …


Kritik:
Denis Villeneuves lang erwartete Verfilmung des Genre prägenden Science Fiction-Werkes Dune – Der Wüstenplanet [1965] von Frank Herbert ist ein Film, den man auf der größten Leinwand sehen sollte, die man finden kann. Nach mehreren mehr oder weniger erfolgreichen Adaptionen, ist Dune alles, was sich Fans des Genres erhoffen können. Es ist das erste Kinoerlebnis seit weit über 10 Jahren, das ein wahrlich episches Flair versprüht. Handwerklich fantastisch umgesetzt, ist es ein erster Schritt in eine Welt, die anders und so vielschichtig ist, dass man nicht mehr zurückkehren möchte.

Die Geschichte spielt im Jahr 10.191. Das bekannte Universum wird von einem Imperium regiert, doch ist ein Planet wertvoller als alle anderen: Arrakis, auch genannt Dune, ein Wüstenplanet. Denn nur dort existiert das Spice, das von den Navigatoren für die interstellare Weltraumfahrt benötigt wird. Acht Jahrzehnte lang hat das Haus Harkonnen mit unermesslicher Brutalität Arrakis verwaltet. Sie haben die Ressourcen geplündert und die einheimischen Bewohner, die Fremen, unterdrückt. Bis auf Geheiß des Imperators das Haus Atreides vom Planeten Caladan überraschend die Verwaltung übertragen bekommt. Herzog Leto Atreides vermutet ein politisches Manöver und sucht ein Bündnis mit den Fremen. Es ist die große Bühne, auf der sich in Dune ein ebenso politisches wie persönliches Drama abspielt. Im Zentrum steht Letos Sohn und einzig möglicher Thronfolger des Hauses, Paul. Seine Mutter Jessica ist eine Bene Gesserit, Mitglied einer religiösen Schwesternschaft, deren Orden eine besondere Gabe besitzt und die seit vielen Generationen nicht nur als Seherinnen des Imperators die Geschicke des Universums beeinflussen. Auch Paul hat diese Gabe und er ahnt, dass er auf Arrakis sein Schicksal finden wird.

Dabei erzählt Villeneuve, und dies ist der einzig frustrierende Aspekt an Dune, nicht seine ganze Geschichte. Vielmehr ist er damit beschäftigt, dieses stark verzweigte und Jahrtausende umspannende Universum auf eine begreifbare Art und Weise zum Leben zu erwecken. Darin wird Paul zwar die Richtung gezeigt, mehr als einen ersten Schritt geht er auf seinem Weg aber noch nicht. „Träume sind Botschaften aus der Tiefe“ heißt es, noch bevor das erste Logo des Films zu sehen ist. Es ist ein Zitat, das treffend die Stimmung setzt für eine Story, die stark von spirituellen Einflüssen geprägt ist und davon, wie sehr Pauls Schicksal sich ihm aus seinen Träumen heraus erschließt. So sieht er in Visionen nicht nur den Planeten Arrakis, sondern immer wie eine junge Fremin, Chani. Und Tod, sehr viel Tod und Zerstörung. Es sind Vorboten dessen, was ihn erwarten wird. Ihn auf diesem ersten Abschnitt seiner Reise zu begleiten, macht den Reiz dieser im allerbesten Sinne klassischen Science Fiction-Geschichte aus.

Dune ist keine spaßige Genre-Achterbahnfahrt im Stile eines Avengers-Films. Wie Denis Villeneuves vorige Filme Arrival [2016] oder Blade Runner 2049 [2017] ist dies ein über weite Strecken ruhiger, eine dichte Atmosphäre aufbauender Science Fiction-Film, der sich, seine Figuren und was auf dem Spiel steht, vollkommen ernst nimmt. Handwerklich ist das auf eine Art und Weise beeindruckend, die man kaum beschreiben kann. Die riesigen, überlebensgroßen Bauten, ausschweifende Landschaften, in denen die Menschen oft geradezu verloren scheinen, die stets präsenten Umwelteinflüsse – Sand und Hitze auf Arrakis, Regen und Grün auf Caladan – sind einnehmend und gleichermaßen unaufdringlich opulent. Sieht man auf dem großen, steinernen Platz beim Haus Atreides einen riesigen Holztisch aufgebaut, auf dem ein Vertrag besiegelt wird, verbindet das auf eine natürliche Weise moderne Architektur mit althergebrachten Elementen. Der wie eine Libelle gebaute „Ornithopter“ auf Arrakis spiegelt das organische Design aus geradezu in den Hintergrund tretender Technologie wider, wie auch die schwebenden Lichter auf Caladan. Es ist ein zum Leben erweckter Traum für Science Fiction-Fans. Kenner von David Lynchs Interpretation der Buch-Vorlage in Dune: Der Wüstenplanet [1984], die einige Schlüsselelemente der Geschichte hier erwarten, werden nicht enttäuscht. Allerdings verleiht Villeneuves Herangehensweise den Momenten ein anderes Gewicht.

Dune besitzt eine Größe und Anmut im Design, in der sich die hervorragende Besetzung regelrecht verlieren kann. Als Paul Atreides lastet ein Großteil der Verantwortung auf den Schultern von Timothée Chalamet, dem die Wandlung seiner Figur auf eindrucksvolle Weise gelingt, selbst wenn er von Beginn an unterkühlt erscheint. Als dessen Vater entwickelt Oscar Isaac ein Charisma, das gerade im letzten Drittel zu einigen eindrucksvollen Momenten führt. Die vielleicht größte Überraschung ist Rebecca Ferguson als Lady Jessica. Die Zerrissenheit zwischen ihrer Loyalität zur Schwesternschaft und der Liebe zu ihrem Sohn, ist oscarwürdig zum Leben erweckt. Gleichzeitig offenbaren kurze Dialoge wie derjenigen zwischen Jessica und der Ordensschwester Gaius Helen Mohiam eine Vielschichtigkeit, die man nicht nur im diesem Genre heute oftmals vermisst. Abgerundet wird das durch fantastische Gastauftritte wie den intensiven Josh Brolin als Waffenmeister des Hauses Atreides. Die Modernisierung des übermächtig und niederträchtig erscheinenden Barons Harkonnen mit Stellan Skarsgård könnte zudem beunruhigender kaum sein.

Trotz der Laufzeit von mehr als zweieinhalb Stunden, ist Dune keine Minute zu lang. Anstatt von einem Actionmoment zum nächsten zu hetzen, nimmt sich Filmemacher Villeneuve die Zeit, in beinahe meditativen Bildern nicht nur jenes Universum mit Leben zu füllen, sondern seinem Publikum ein „Gespür“ zu vermitteln, was in seinen Figuren vorgeht und weshalb. Das heißt nicht, dass es kein Actionfeuerwerk mit großen Schlachten gibt, doch nehmen sie keinen großen Teil der Erzählung ein – noch sind sie dafür übermäßig wichtig. Wie beim Titel am Anfang bereits zu sehen, ist Dune lediglich Teil eins der Erzählung, die auf eine große Konfrontation um die Zukunft von Arrakis und das Überleben des Hauses Atreides hinausläuft. Um zu verstehen, wie es dazu kam und weswegen das Schicksal der Figuren wichtig ist, braucht es aber diese Vorarbeit. Wer sich darauf einlässt, bekommt ein Science Fiction-Epos zu sehen, das die allermeisten aktuellen Genrefilme mühelos in den Schatten stellt hinsichtlich Größe und Ambition. Ob der überlegte, teils bedächtige Aufbau am Ende so aber notwendig ist, kann man erst beurteilen, wenn Denis Villeneuves Vision der Romanverfilmung vollendet ist.


Fazit:
In visuell atemberaubenden Bildern, Eindrücken einer fernen Welt, die lebensfeindlicher und doch faszinierender kaum sein könnte, erschafft Filmemacher Denis Villeneuve einen der ambitioniertesten und gleichzeitig eindrucksvollsten Science Fiction-Filme der vergangenen zehn Jahre. Ein stimmiges, fantastisches Design, eine überragende Besetzung und ein ebenso einnehmender Soundtrack stoßen hier die Tür in ein Universum auf, das viel, viel größer erscheint, als man in einem Film erzählen könnte. Mit einem enormen Aufwand gelingt den Beteiligten ein atmosphärisch dichtes, mit religiösen Untertönen gespicktes Epos, das neben der klassischen Science Fiction-Story auch aktuelle Themen unserer Welt über das Erwachsenwerden und die Ausbeutung des Planeten verknüpft. Jetzt bereits einer der am besten ausgestatteten und gemachten Filme des Jahres, ist Dune eine Erfahrung, bei der man gerade auf der großen Leinwand buchstäblich eine andere Welt eintauchen kann. Man kann nur hoffen, dass die Verantwortlichem ihr Versprechen einlösen dürfen, wenn es als letzter Satz hier heißt, „dies war erst der Anfang“. Denn so ist es leider nur die halbe Geschichte.