Dogma [1999]

Wertung: 6 von 6 Punkten  |   Kritik von Dominik Starck  |   Hinzugefügt am 19. Juni 2003
Genre: Komödie

Originaltitel: Dogma
Laufzeit: 120 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1999
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Kevin Smith
Musik: Howard Shore
Darsteller: Ben Affleck, Matt Damon, Linda Fiorentino, Salma Hayek, Jason Lee, Alan Rickman, Chris Rock, Jason Mewes, Kevin Smith, George Carlin und Alanis Morissette


Kurzinhalt:
Bartleby (Ben Affleck) und Loki (Matt Damon), zwei gefallene Engel, die dazu verdammt sind, bis in alle Ewigkeit am sprichwörtlichen Ende der Welt (Wisconsin, USA) festzusitzen, sehen ein Licht am Ende des Tunnels, als die katholische Kirche infolge schwindender Mitgliederzahlen eine Kampagne ins Leben ruft, welche die Kirche den Menschen wieder näher bringen soll.
Mit Dingen wie der "Kumpel Jesus"-Figur und Slogans wie "Katholizismus Wow!" wird kräftig die Werbetrommel gerührt, und wer in einer bestimmte Kirche in New Jersey über die Schwelle tritt, dem werden automatisch sämtliche Sünden vergeben.
Im Fall der beiden Ex-Engel würde dieses Dogma bedeuten, dass ihre Frevel vergeben und Gott damit Fehlbarkeit nachgewiesen wäre, denn dieser hatte sie einst aus dem Himmelreich verbannt. Da Gott aber nicht fehlbar ist, würde das Überschreiten der Türschwelle für die Welt die totale "Negation allen Seins" bedeuten.
Aus diesem Grund bietet der Himmel alles auf, was er zu bieten hat, um die beiden von ihrem Vorhaben abzubringen. Der Metradon (Alan Rickman) – ein Engel und Sprachrohr Gottes – mobilisiert im Eilverfahren die letzte Nachfahrin Christi, die ironischerweise in einer Abtreibungsklinik arbeitende Bethany (Linda Fiorentino), die zwei sexorientierten Möchtegern-Propheten Jay (Jason Mewes) und Silent Bob (Kevin Smith), sowie den aufgrund seiner Hautfarbe in der Bibel unerwähnten dreizehnten Apostel Rufus (Chris Rock), und die selbstständige Muse Serendipity (Salma Hayek). Sie werden gegen Bartleby und Loki zu Felde geschickt. Keine leichte Aufgabe für die alles andere als göttliche Truppe, die zudem noch weitere Schwierigkeiten aufgrund der Interaktion des fiesen Azrael (Jason Lee) bekommt.

 
Kritik:
Schon diese knappe Umschreibung des Inhalts verdeutlicht mehrere Dinge. Zum einen dürfte klar sein, dass dieser Film ein recht kontroverses Thema auf sehr kontroverse Weise angeht und was für die einen schon nach diesen wenigen Zeilen zum Schreien komisch ist, könnte für manch andere ein empfindlicher Schlag in die konfessionelle Magengrube sein. Dementsprechend hagelte es bei Veröffentlichung des Films tonnenweise Kritik von Seiten der katholischen Kirche, respektive einiger selbsternannter Vertreter derselben, und darüber hinaus versuchten sich einige dieser Leute daran, ihre Mitmenschen vom Kinobesuch abzuhalten.
Nicht nur, dass ihnen dies nicht gelang, und Dogma zum bis dahin einträglichsten Film von Regisseur/Autor Kevin Smith avancierte, die von diesen sogenannten 'Interessenvertretern der Kirche' vorgebrachten Anschuldigungen hinsichtlich angeblich blasphemischer Dialoge, welche den Glauben von Menschen mit Füssen treten würden, sind völlig unbegründet und an den Haaren herbei gezogen.

Vor Dogma erreichte der begeisterte Comic-Fan Kevin Smith sowohl Kritiker, als auch Publikum bereits mit seinem Debütfilm, der in völliger Eigenleistung finanzierten Schwarz/Weiß-Komödie Clerks - Die Ladenhüter [1994], die in Deutschland bisher leider nur im Originalton mit deutschen Untertiteln auf VHS erhältlich ist. Der billig produzierte Film über eine Gruppe nichtsnutziger Comic- und Filmfreaks bestach durch ein äußerst intelligentes und pointenreiches Drehbuch, welches durch seine jungen Charaktere und sehr umgangssprachlichen Dialoge ein jugendliches Publikum in seinen Bann ziehen konnte, mit den vielen Anspielungen und Zitaten, vor allem aber durch die glaubwürdigen Figuren, jedoch auch die "älteren" Zuschauer ansprach.
Clerks bedeutete für Smith gleichzeitig Einstieg und Durchbruch im Showgeschäft; schon sein zweiter Film Mallrats [1995] wurde wesentlich professioneller produziert und verfügte sogar über ein kleines Budget. Obwohl Mallrats durchaus sehr spaßig geworden ist (im Grunde noch witziger als Clerks, wenn auch nicht ganz so hintergründig), war dessen Erfolg leider trotz bekannteren Darstellern wie Shannen Doherty und Ben Affleck eher bescheiden, was jedoch mit dem dritten Film sofort wieder wettgemacht wurde. Chasing Amy [1997] gilt bis heute als der wohl beste Film von Smith, auf jeden Fall war es aber der emotionalste; ein echtes Meisterwerk über Liebe, Sex, Beziehungen und alles was dazwischen liegt.
Wie Clerks, spielten auch Mallrats und Chasing Amy in Smiths Heimat New Jersey, und da es unter den Filmen einige Verknüpfungen und Querverweise gab, wurden sie zusammen zur sogenannten "New Jersey"-Trilogie.

Der nächste Film des praktizierenden Katholiken wurde dann Dogma, der aus der Trilogie ein "New Jersey"-Quartett machte. Auch setzte sich hier das fort, was bereits in den vorherigen Filmen zu bemerken war, nämlich dass Smith sich mit diesen Filmen ein eigenes kleines Universum geschaffen hat, das untereinander sehr stark verwoben ist, teilweise Charaktere zurückbringt und vor allem eine ganze Menge Schauspieler "recycled", also in neuen Rollen in späteren Filmen wieder einsetzt. So war beispielsweise Smiths guter Freund Ben Affleck, der dank Filmen wie Der Anschlag [2002], Daredevil [2003] und Good Will Hunting [1997] (für den er zusammen mit seinem Jugendfreund Matt Damon einen Oscar für das beste Drehbuch erhielt) inzwischen zu einem der Stars des jungen Hollywood aufgestiegen ist, zuvor als fieser Herrenmodeverkäufer in Mallrats zu sehen und spielte die männliche Hauptrolle in Chasing Amy.
Ein weiteres Markenzeichen aller bisherigen Filme sind auch die beiden meist bekifften "Hetero-Lebensgefährten" Jay und Silent Bob. Während der geschwätzige und dauergeile Jay von Smiths Freund Jason Mewes gespielt wurde, schlüpfte der Regisseur und Autor aller seiner Filme selbst in die Rolle von Silent Bob, der (wie der Name schon nahe legt) nur ungern viele Worte verliert.
Auch Schauspieler wie Jason Lee, der hier als Schurke Azrael auftaucht und zuletzt mit Dreamcatcher [2003] in deutschen Kinos zu sehen war, war in jedem Smith-Film seit Mallrats dabei, Brian O'Halloran (Hauptrolle in Clerks) war sogar in jedem Streifen mit von der Partie und ist in Dogma in einer kleinen Rolle als Reporter zu sehen.
Dies alles sind nur wenige der fast unzähligen Beispiele für die starke Vernetzung der einzelnen Filme untereinander, die dennoch völlig eigenständige Geschichten erzählen. Man muss noch nie einen der Filme gesehen haben, um einen anderen zu verstehen, wobei einem natürlich auf diese Weise der eine oder andere "A-ha"-Effekt entgeht.

Ganz ohne Zweifel stellt Dogma ein Meisterwerk innerhalb von Smiths Filmographie dar, vor allem, weil der Film auf vielen verschiedenen Ebenen funktioniert und damit alles andere als flach und eindimensional ist. Egal, ob als Komödie, Groteske, Road Movie oder Satire, jedes Element fügt sich mit den anderen nahtlos ineinander, was in erster Linie dem intelligenten – man möchte fast sagen genialen – Drehbuch zu verdanken ist.

Dank ihm kann man jeden Vorwurf der Blasphemie weit von sich weisen, denn im Grunde ist der Film sogar sehr gläubig. Der Glaube wird hier als etwas sehr Starkes und Erstrebenswertes, als eine "gute Idee" dargestellt, wohingegen eindeutige Kritik an dem geübt wird, was die Menschen im Laufe der Zeit aus diesem Glauben an etwas Höheres und Besseres tatsächlich gemacht haben. Dass dies in erster Linie auch die Kirche und deren Doktrinen betrifft, ist freilich zutreffend und macht zumindest nachvollziehbar, weswegen sich manche Katholiken scheinbar auf die Füße getreten fühlten, obwohl die Religion hier geradezu glorifiziert wird.
Dogma sagt ganz klar, es gibt Gott, er ist unfehlbar und gut. Derlei Dinge werden nie in Frage gestellt. Aufgeworfene Fragen wie "Gab es farbige Apostel?" oder "Ist Gott eine Frau?" sind nicht böse meinend provokativ, sondern geben lediglich einen Anstoß zum Nachdenken über das, was am Glauben letzten Endes wirklich essentiell ist.
Schließlich sollte sich manch voreiliger Kritiker vielleicht ins Gedächtnis rufen, dass sich auch niemand über den wunderbaren Monty-Python-Klassiker Das Leben des Brian [1979] mokiert hatte, der weit weniger respektvoll mit dem Thema umgegangen ist.

Darüber hinaus ist Dogma natürlich auch einfach umwerfend komisch, sowohl was die treffsicheren Dialoge, als auch die Situationskomik angeht. Die strippende Muse, ein Golf spielender Gott, gefallene Engel, die "Gottes Zorn" über die Chefetage eines die Disney-Studios parodierenden Unternehmens bringen, und vom Himmel fallende Apostel – Dogma gehen nie die Ideen aus. Auch die "üblichen" Witze über Star Wars, Comic-Superhelden & Co., die man in allen Filmen des Regisseurs findet, fehlen hierbei natürlich nicht.
Einen großen Teil seines Charmes entwickelt Dogma auch durch seine hervorragenden Darstellerinnen und Darsteller, die sich wie ein "Who is who" Hollywoods lesen. Affleck und Kumpel Matt Damon sind schon seit Jahren Hollywoods liebster Nachwuchs, die tolle Linda Fiorentino konnte man zuvor u.a. in Men in Black [1997] sehen, Alan Rickman liefert eine wunderbare Darbietung ab, mit der nahtlos an seine Erfolgsrollen in Filmen wie Robin Hood - König der Diebe [1990], Stirb langsam [1988] oder Galaxy Quest [1999] anknüpfen kann. Auch die anderen Mimen, wie die Quasselstrippen Chris Rock (Lethal Weapon 4 - Zwei Profis räumen auf [1998]) und Jason Mewes, oder Latino-Superstar Salma Hayek (die sich hier mit ihrer Tanzdarbietung in Hinblick auf From Dusk Till Dawn [1996] beinahe selbst parodiert) brillieren in ihren Rollen, ebenso Smith-Dauergast Jason Lee (Gelegenheit macht Liebe [2003]) oder George Carlin, den man wohl als Rufus aus den Bill & Ted-Filmen mit Keanu Reeves kennt und der hier als hipper Geistlicher für den einen oder anderen Schmunzler sorgt.
Sängerin Alanis Morissette hat als "Gott" zwar nur vergleichsweise wenig Leinwandpräsenz, dafür hat es dieser Auftritt aber wirklich in sich.

An der Optik und der handwerklichen Umsetzung gibt es nichts zu bemängeln. Bilder und Soundeffekte sind besser als in allen anderen Smith-Filmen zuvor, die Tricktechnik ist sehr ordentlich (auch wenn fliegende Menschen immer etwas leicht "Falsches" an sich haben) und der Score des seit Der Herr der Ringe - Die Gefährten [2001] oscarprämierten Howard Shore kann sich hören lassen. Die Regieleistung von Smith ist ebenfalls gut, wobei er hier bewiesen hat, dass er auch mit einem höher budgetierten Film (sein verständlicherweise teuerster bisher) und Spezialeffekten klarzukommen weiß, obwohl er sicherlich als Autor noch wesentlich begabter ist, als in Bezug auf die visuelle Umsetzung.
Egal ob man nun religiös ist oder nicht, Smith ist hier ein Werk gelungen, das man einfach gesehen haben sollte – idealerweise mehrmals.


Fazit:
Auch wenn der Film wohl kaum jemanden bekehren wird, wie es der Trailer-Slogan seinerzeit verkündete, schickt er einen mitunter auch auf eine Reise auf den Spuren des eigenen Glaubens.
Und selbst wenn dieser bei jemandem nicht vorhanden ist, so bleibt Dogma trotzdem eine wunderbar schwarzhumorige und hintergründige, gut geschriebene und superb besetzte Komödie, wie man sie sich in Zeiten allzu flacher Kalauer-Komik öfter wünschen würde.
Eine echte Empfehlung, und vor allem inhaltlich ein kleines Meisterwerk.