Doctor Strange [2016]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 6. November 2016
Genre: Fantasy / ActionOriginaltitel: Doctor Strange
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Scott Derrickson
Musik: Michael Giacchino
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Chiwetel Ejiofor, Rachel McAdams, Benedict Wong, Mads Mikkelsen, Tilda Swinton, Michael Stuhlbarg, Benjamin Bratt, Scott Adkins, Zara Phythian
Kurzinhalt:
Dr. Stephen Strange (Benedict Cumberbatch) ist ein brillanter, aber grenzenlos überheblicher Chirurg. Bei einem selbst verursachten Autounfall werden insbesondere seine Hände sehr schwer verletzt und die Chance auf eine vollständige Heilung sinkt mit jedem Tag. Auf der Suche nach Hilfe führt ihn sein Weg in eine verborgene Lehrstätte für Zauberer in Nepal, dem Kamar-Taj. Dort unterweist die Älteste (Tilda Swinton) in den Künsten der Magie und konnte sogar einen querschnittsgelähmten Mann heilen. Doch als Strange die Augen geöffnet werden, für die Möglichkeiten, die in einem unendlichen Multiversum schlummern, ist er fasziniert. Gleichermaßen groß sind die Gefahren – so schreckt der ehemalige Schüler der Ältesten, Kaecilius (Mads Mikkelsen), vor nichts zurück, um die Erde in die dunkle Dimension zu führen. Ehe er sich versieht, ist Strange in einen Kampf verwickelt, den er nicht kämpfen will und bei dem das Schicksal der Welt auf dem Spiel steht ...
Kritik:
Mit Stephen Strange stößt ein weiterer Comic-Held des schier unendlichen Marvel-Universums in das minutiös durchgeplante MCU, das Marvel Cinematic Universe, das mit Iron Man [2008] begann und mindestens bis zum Ende dieses Jahrzehnts klar definiert ist. Es umfasst inzwischen mehr als ein Dutzend Figuren, die alle zum nächsten großen Treffen in Avengers: Infinity War [2018] zusammenkommen. So auch Doctor Strange, dessen Leinwandeinstand gleichermaßen von Benedict Cumberbatch in der Titelrolle lebt, der spürbar in seinem Element ist, wie auch von dem unerwarteten Humor. Doch mehr Überraschungen gibt es leider nicht.
Dass Cumberbatch, der in und als Sherlock [seit 2010] mit einer schimmernd arroganten Figur, die gleichermaßen brillant wie sozial unnahbar ist, international bekannt wurde, als Dr. Strange Teil des milliardenschweren Comic-Franchise werden würde, war eines der am schlechtesten gehüteten Geheimnisse Hollywoods. Abgesehen von der optischen Ähnlichkeit, spielt ihm hier das arrogante Auftreten von Strange ebenso zu, so dass stellenweise die Grenzen zwischen Strange und Sherlock zu verschwimmen beginnen. Was Doctor Strange dafür auszeichnet und ihn merklich von anderen Marvel-Filmen abhebt, ist der Humor.
Der Wortwitz geht dabei in der deutschen Übersetzung zwar stellenweise verloren, doch die lockeren Sprüche des Titelhelden und auch die situationsbedingte Komik mit der von Rachel McAdams gespielten Ärztin Christine, machen Doctor Strange zu einem erstaunlich leichtfüßigen Comic-Film. Dass es dem Skript gelingt, der üblichen Materialschlacht von Filmen wie Marvel's The Avengers [2012] oder The First Avenger: Civil War [2016] etwas entgegen zu setzen, das inzwischen (erschreckend und trauriger Weise) übliche "Städte-Zerstören" auf den Kopf zu stellen, ist eine erfreuliche Abwechslung.
Dass, wie vielfach zitiert, Doctor Strange in gewisser Weise eine Abkehr von der bisherigen Aussage der Marvel-Comicfilme darstellt, die immer auf futuristische Technik, also auf Science Fiction setzten und man sich der mystischen Fantasyelemente bislang verweigerte, selbst wenn sie in der Vorlage enthalten waren, ist fraglos richtig. Bei einem Autounfall erleidet der begnadete Chirurg Stephen Strange so schwere Verletzungen an den Händen, dass er seinen Beruf nicht weiter ausüben kann. Auf der Suche nach einer Heilungsmöglichkeit, findet er schließlich in Kathmandu die Wirkungsstätte der Ältesten, einer sehr, sehr alten Magierin, wo Strange die Augen für eine Welt geöffnet werden, die jenseits der unseren liegt.
Zusammen mit Mordo, Wong und anderen Meistern der Magie beschützt die Älteste die Erde vor dem Wesen Dormammu, das alle Welten in eine dunkle Dimension führen will. Der ehemalige Schüler der Ältesten, Kaecilius, ist der Aussicht auf ewiges Leben, das die dunkle Dimension bietet, verfallen und darauf aus, die drei Tempel zu zerstören, die als einzige die Erde vor Dormammu beschützen.
Das klingt, wenn man es nüchtern betrachtet, alles arg absurd, aber immerhin nicht mehr oder weniger als ein Bifröst, mit dem man zwischen Welten hin und herreisen kann. Regisseur Scott Derrickson versieht die von der Ältesten oder Kaecilius manipulierten Realitäten, in denen sich Gut und Böse hier als Highlight des Films einen Kampf liefern, bei dem sie mit seltsamen Handbewegungen ständig magische Waffen und Schilde entstehen lassen, mit einer interessanten Optik, die jedoch sehr stark an Inception [2010] erinnert.
Der größte Vorwurf, den man Doctor Strange machen kann ist, dass die Ursprungsgeschichte des Comic-Superhelden die üblichen Wegstationen abhakt, die viele andere Comic-Superhelden vor ihm bereits bereist haben, ohne neue hinzuzufügen. Angefangen von dem traumatischen Unfall, bis hin zum obligatorischen Training, der ersten Konfrontation mit dem Bösewicht und der zweiten Auseinandersetzung beim Finale. Selbst die Szenen mitten im und nach dem Abspann, die auf die nächsten Filme des MCU hinweisen, dürfen nicht fehlen. All das ist tadellos dargebracht, geht dafür aber auch in keinerlei Hinsicht irgendwelche Risiken ein. Immerhin ist die Geschichte durchweg unterhaltsam und von einer gut aufgelegten, namhaften Besetzung vorgetragen.
Fazit:
Über den Werdegang der Figuren verrät Doctor Strange weniger, als manch andere Ursprungs-Geschichten der Marvel-Comic-Filmreihe. Dafür zeichnet Benedict Cumberbatch in der Titelrolle einen klar umrissenen Helden, der weniger moralische Angriffsfläche bietet als beispielsweise Tony Stark. Das überhebliche Auftreten gepaart mit den vielen witzigen Einlagen, inklusive einem Schwebeumhang mit Eigenleben, machen die absehbare Story lohnenswert. Fans der Comic-Verfilmungen werden wie gewohnt viele Anlehnungen an die Vorlage finden und die Entdeckung des nächsten Infinity-Steins in Vorbereitung auf das kommende Avengers-Abenteuer ohnehin schon vorhersehen. Als Einstieg in das weitläufige Franchise eignet sich das wenig überraschend kaum, doch insbesondere angesichts des sich ständig wiederholenden Materialinfernos der letzten Filme, ist der persönlichere Fantasy-Aspekt hier eine willkommene Abwechslung.