Die Piratenbraut [1995]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 4. Dezember 2023
Genre: Action / UnterhaltungOriginaltitel: Cutthroat Island
Laufzeit: 124 min.
Produktionsland: USA / Italien / Deutschland / Frankreich
Produktionsjahr: 1995
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Renny Harlin
Musik: John Debney
Besetzung: Geena Davis, Matthew Modine, Frank Langella, Maury Chaykin, Patrick Malahide, Stan Shaw, Rex Linn, Paul Dillon, Chris Masterson, Jimmie F. Skaggs, Harris Yulin
Kurzinhalt:
Kurz vor seinem Tod verrät Pirat Black Adams (Harris Yulin) seiner Tochter Morgan (Geena Davis), wo sein Teil der Schatzkarte versteckt ist, derentwegen Morgans Onkel Dawg Brown (Frank Langella) ihren Vater getötet hat. Die Karte, die zur verborgenen Insel Cutthroat Island führt, wurde in drei Stücke aufgeteilt. Ein Teil hat nun Morgan, der zweite befindet sich bereits im Besitz von Dawg Brown, während ein weiterer von Morgans Onkeln den dritten Teil besitzt. Um Dawg Brown zuvor zu kommen und den sagenumwobenen Schatz, der sich auf Cutthroat Island befinden soll, zu finden, übernimmt Morgan die Crew ihres Vaters auf dem Schiff Morning Star. Bei der Übersetzung der Karte soll ihr der Gefangene William Shaw (Matthew Modine) behilflich sein. Aber nicht nur, dass Dawg Brown ihnen dicht auf den Fersen ist, auch der britische Gouverneur Ainslee (Patrick Malahide) hat von dem Schatz und der Karte Wind bekommen und setzt einen Spion in Morgans Crew darauf an. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, bei dem Morgan nicht weiß, wer auf ihrer Seite steht – und bei dem sie zahlenmäßig weit unterlegen ist …
Kritik:
Es gibt kaum eine große Hollywoodproduktion, die so berüchtigt ist wie Renny Harlins Die Piratenbraut. Ein Abenteuerfilm, in den insbesondere von Seiten des produzierenden Studios so hohe Erwartungen gesetzt wurden, dass es sich in Anbetracht eines explodierenden Budgets durch Verzögerungen und Umarbeiten noch weiter verschuldete, um ihn zu realisieren, nur um nach einem der größten Flops der Kinogeschichte endgültig bankrott zu gehen. Drei Kameramänner, Crewmitglieder, die aus Protest das Handtuch geworfen haben und eine Notbesetzung, weil die ursprünglichen Stars entweder zurückzogen oder gefeuert wurden. Die Entstehungsgeschichte von Cutthroat Island, so der Originaltitel, ist so faszinierend wie turbulent. Dass das Ergebnis dennoch als Piratenfilm unterhält, liegt nicht zuletzt an der sichtbar aufwändigen Inszenierung und der teils einfallsreichen Action, von der sich auch Fluch der Karibik [2003] später inspirieren ließ.
Im Jahr 1668 genießt die Piratin Morgan Adams in der Karibik zweifelhaften Ruhm und wird von den britischen Behörden gesucht. Als sie mitansehen muss, wie ihr Vater Black Harry von ihrem Onkel Dawg Brown getötet wird, schwört sie Rache. Dabei hat ihr Vater ihr einen von drei Teilen einer Schatzkarte hinterlassen. Ein weiterer Teil befindet sich bei einem weiteren Onkel, Mordechai, der dritte Teil ist im Besitz von Dawg Brown selbst. Die Karte führt zu einem Schatz, der auf der nirgendwo eingezeichneten Insel Cutthroat Island versteckt ist. Doch der Teil, den Morgan in Händen hält, ist auf Latein verfasst, das sie nicht lesen kann. Zusammen mit der Crew ihres verstorbenen Vaters und dessen Schiff Morning Star macht sie sich auf, in Port Royal einen Übersetzer zu finden, um danach die beiden fehlenden Teile der Karte zu suchen. Sie findet den Betrüger William Shaw, der als Sklave verkauft werden soll. Aber nicht nur, dass der britische Gouverneur Ainslee von dem Schatz erfahren hat und Morgan mit Hilfe eines bei ihnen segelnden Chronisten ausspioniert, auch Dawg Brown macht in seinem ebenbürtigen Schiff Reaper Jagd auf sie und hat ebenfalls Verbündete in Morgans Crew. Ob sie überhaupt Shaw trauen kann, weiß Morgan ebenfalls nicht.
Die Piratenbraut wartet mit allem auf, was man in Anbetracht des Titels und des Genres erwarten würde. Grobe Piraten, die aussehen, als wären sie über alle sieben Weltmeere gesegelt, riesige, schwerbewaffnete Segelschiffe, ein sagenumwobener Schatz und eine Karte, die den Weg dorthin führt. Im Gegensatz zum vorgenannten Fluch der Karibik fehlt auch ein Fantasy-Element, so dass die Story selbst beinahe realistisch sein könnte. Was das Publikum genau erwartet, verdeutlicht bereits die Flucht aus Port Royal zu Beginn, bei der Morgan und William nicht nur zur Kutsche einer ganzen Bataillon an britischen Soldaten entkommen müssen, sondern vom Schiff aus auch noch beschossen werden, so dass der halbe Hafen in Schutt und Asche gelegt wird. Es ist eine Sequenz mit so vielen Details bei den einzelnen Stunts, unzähligen Schüssen und Explosionen, dass man aus dem Staunen kaum herauskommt. Immerhin warten die wenigsten Filme beim Finale mit einem solchen Anblick auf, hier ist es der erste richtige Actionmoment. Was das Gezeigte noch eindrucksvoller macht, ist die Tatsache, dass man zumindest in diesen Abschnitten so gut wie keine Trickeffekte erkennen kann. Ausstattung und Bauten sind herausragend, die Stunts, die teilweise sichtbar von der Besetzung selbst durchgeführt werden, schlicht bemerkenswert.
Die wird angeführt von einer überraschenden Geena Davis, damals Ehefrau von Regisseur Harlin (Stirb langsam 2 - Die Harder [1990]), von der er hoffte, sie als Actionheldin etablieren zu können. Ihre Morgan Adams hält mit nichts zurück, kämpft, schießt und ficht mit dem Degen durch eine Abenteuerstory, die die Crew der Morning Star in verschiedene Gewässer und schließlich auf die Insel Cutthroat Island führt. Es gibt Meutereien und Schlachten, bei denen die Nebenfiguren ebenso eingebunden werden, wie die vielen Komparsen. In der Rolle des Schurken Dawg Brown zeigt Frank Langella eine gewohnt routinierte Darbietung, ungeachtet der zahlreichen Klischees, die mit seiner Rolle einhergehen. Diese bekannten Versatzstücke finden sich gleichermaßen in der Story selbst wieder, die nur selten überraschend genug gerät, um wirklich packen zu können. In gewisser Hinsicht hilft das Übermaß an Action bei Die Piratenbraut nicht, um die Spannung zu erhöhen, selbst wenn die Erzählung immer leichtfüßig und augenzwinkernd genug bleibt.
Dass die Erzählung nur selten das Tempo aufbaut, das man erhoffen würde, ist auch der Inszenierung selbst geschuldet, die zwar das Inferno in passenden Perspektiven durchaus gelungen einfängt, aber derart vehement auf Zeitlupen setzt, dass ganze Abschnitte regelrecht in die Länge gezogen scheinen. Zum großen Teil wiegt das Komponist John Debney mit seinem vermutlich besten und einem ungemein mitreißenden Soundtrack auf, der in jedem Thema von draufgängerischem Abenteuergeist übersprüht. Es ist eine akustische Untermalung für einen Piratenfilm, der die Versprechungen Hollywoods in den 1990er-Jahren insoweit erfüllt, dass er überlebensgroße Action verpackt in einer Achterbahnfahrt präsentiert. Dass die erzählerische Struktur von Die Piratenbraut unter dem fehlenden Tempo ebenso leidet wie unter den allgemein schwachen Figuren, tut dem reinen Unterhaltungswert keinen Abbruch, solange man weiß, worauf man sich einlässt.
Fazit:
Wäre es nicht um die ausufernden Zeitlupen, die kurioserweise spürbar das Tempo aus den halsbrecherischen Actionszenen herausnehmen, könnte man Filmemacher Renny Harlin handwerklich keinen Vorwurf machen. Die riesigen Sets und das Feuerwerk, das er darin abbrennt, orchestriert er mehr als nur beeindruckend. Sei es zu Wasser oder an Land, mit Degen oder Gewehren, Stunt-Koordinator Vic Armstrong (Indiana Jones und der letzte Kreuzzug [1989], Der MORGEN stirbt nie [1997]) zieht alle Register und verlangt auch von Hauptdarstellerin Geena Davis ganzen Körpereinsatz ab. Der Lohn sind Eindrücke, wie man sie in der Finesse bis dahin nicht auf der großen Leinwand gesehen hat und die auch heute schon deshalb noch überzeugen, da sie sichtbar real und nicht computergeneriert sind. Die Story selbst hat dabei das Nachsehen und gerät auch deshalb nie in dem Maße mitreißend, da die Figuren allesamt zu oberflächlich bleiben und kein Zweifel daran aufkommt, wie die Situationen für sie enden werden. Sieht man Die Piratenbraut jedoch als das, was er ist, erwartet das Publikum ein aufwändiger und durchweg unterhaltsam leichtfüßiger Abenteuerfilm in einem Genre, in dem es bis dahin kaum derart große Produktionen zu sehen gab. Mit einer weiblichen Hauptfigur im Zentrum einer actionreichen Story war er darüber hinaus geradezu fortschrittlich und womöglich einige Jahre vor seiner Zeit.
Die überaus sehenswerte und gelungene Restaurierung von STUDIOCANAL in 4K bietet inzwischen die beste Gelegenheit, den Film neu zu entdecken.