Der Mann, der niemals aufgibt [1977]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 21. Mai 2012
Genre: Action / ThrillerOriginaltitel: The Gauntlet
Laufzeit: 109 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1977
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Clint Eastwood
Musik: Jerry Fielding
Darsteller: Clint Eastwood, Sondra Locke, Pat Hingle, William Prince, Bill McKinney, Michael Cavanaugh, Carole Cook, Mara Corday, Doug McGrath, Jeff Morris, Samantha Doane, Roy Jenson, Dan Vadis, Carver Barnes
Kurzinhalt:
Von Commissioner Blakelock (William Prince) des Police Department in Phoenix persönlich erhält Polizist Ben Shockley (Clint Eastwood) den Auftrag, einen Gefangenen aus Las Vegas zu einem Gerichtstermin nach Phoenix zu eskortieren. Eigentlich eine Routinearbeit, bekommt Shockley gesagt, er wäre der Richtige für den Job, weil er seine Arbeit immer zu Ende bringt. Dabei ist der alkoholsüchtige Polizist kein Mustervertreter seiner Zunft. Sein Partner Josephson (Pat Hingle) wünscht ihm noch eine schöne Zeit im Glücksspielparadies.
Doch in Las Vegas angekommen warten einige Überraschungen auf Shockley. Nicht nur, dass der Gefangene eine Frau ist, Gus Mally (Sondra Locke) weigert sich, mit Shockley mitzukommen. Sie fürchtet, dass ihr Leben in Gefahr sei, wenn sie sich auf den Weg nach Phoenix macht. Als kurz danach das für Shockley bereitgestellte Auto explodiert, ahnt er schon, dass er sich auf etwas eingelassen hat, dessen Zusammenhänge er noch nicht versteht. Und als wenig später ein weiterer Anschlag auf die beiden verübt wird, scheint es vielmehr, als wäre Shockley für den Auftrag ausgewählt worden, weil man gar nicht damit rechnet, dass er ihn zu Ende bringen würde ...
Kritik:
Nach Rollen in Genre prägenden Western oder als Polizist Harry Callahan scheint Clint Eastwoods Ben Shockley ein regelrechter Imagebruch zu sein. Kaum ein Darsteller hat sich so sehr die Figur des maskulin-kantigen Raubeins zu Eigen gemacht, wie er. Doch in Der Mann, der niemals aufgibt erleben wir ihn als Alkoholiker, der seinen eigenen Zielen nicht gerecht wurde und darum nur von der Erinnerung seiner eigenen Persönlichkeit lebt. Er nimmt einen Auftrag an, der ihn zwingt, zu sich zu finden, ohne dass er dabei aber die Person verurteilen würde, zu der er geworden ist. Das mündet in einem Feuergefecht, das in die Filmgeschichte einging, auch wenn The Gauntlet, so der Originaltitel, aus heutiger Sicht unnötig viel von den kantigen Charakterzügen seines Protagonisten besitzt.
Das Alter des Actionthrillers erkennt man dabei nicht an den Bildern oder den Dialogen, sondern vielmehr daran, dass die Straßen, auf denen Shockley fährt, viel mehr freien Asphalt als Autos zeigen. Sei es die Innenstadt von Phoenix, wo Ben arbeitet, oder aber Teile von Las Vegas, wo er einen Gefangenen abholen soll, um ihn zu einer Gerichtsverhandlung zu bringen – heutige Aufnahmen jener Metropolen lassen keinen Zweifel, dass sie schneller gewachsen sind als die Verkehrsinfrastruktur. Der Whiskey begleitet Shockley nicht nur in seinem Dienstwagen, sondern sogar bis nach Las Vegas, wo er zu seiner Verwunderung erfährt, dass der Gefangene Gus Mally kein Mann ist, sondern eine Frau. Und die weigert sich sogar, von ihm nach Phoenix eskortiert zu werden. Man hätte es auf sie abgesehen und da er in ihrer Nähe sei, wäre auch er ein Ziel. Dass darauf, dass sie nicht bei Gericht erscheinen würde sogar Wetten abgeschlossen wurden, kann Ben sogar bestätigen, doch hindert es ihn nicht daran, sie trotzdem überstellen zu wollen.
Allein schon die Political Correctness würde es heute verbieten zu zeigen, wie der großgewachsene Polizist die hysterische Gefangene mit einer Ohrfeige zur Ruhe bringt. Und auch, dass er sie kurzerhand fesseln und knebeln lässt, wirkt angesichts der vielzitierten Verfassungszusätze in den USA weit hergeholt, doch geht es Eastwood nicht darum, Gus Mally als unnötiges oder lästiges Anhängsel seines Helden zu porträtieren. Als er sie ein weiteres Mal ohrfeigt, setzt sie sich überaus erfolgreich zur Wehr und zeigt auch in einem in den Fernsehausstrahlungen häufig gekürzten Dialog mit einem Constable in dessen Streifenwagen, dass sie sich ihrer Situation bewusst und den Männern ebenbürtig ist. Insofern ist es erfreulich und erstaunlich, dass Der Mann, der niemals aufgibt keine One-Man-Show ist, auch wenn Ben Shockley mit seinen trockenen Sprüchen und seiner direkten Art die meiste Aufmerksamkeit bekommt.
Der Transport wird wiederholt sabotiert, das Auto, mit dem Ben und Gus hätten zum Flughafen fahren sollen, explodiert und selbst vor Polizistenmord scheinen die Verbrecher nicht zurückzuschrecken. Vor allem jedoch wird Ben als Sündenbock vorgestellt und gerät damit auch in das Visier seiner eigenen Leute. Die eigentliche Hintergrundgeschichte um Gus wird dabei zwar angedeutet, aber nicht vollends erläutert. Ein komplexes Netz aus Intrigen und Korruption schimmert damit in wenigen Momenten durch die Action hindurch, ohne dass es ausgenutzt würde. Stattdessen konzentriert sich das Drehbuch auf eine Reihe von Schusswechseln, bei denen nicht nur ein Haus, sondern auch ein Linienbus durchsiebt werden. Was Der Mann, der niemals aufgibt hier vermissen lässt ist eine Dramaturgie in jenen Momenten. So plötzlich wie sie beginnen sind sie schließlich auch vorbei und was dazwischen geschieht ist zwar ohrenbetäubend und eindrucksvoll, aber selten spannend.
So lückenhaft die Hintergrundgeschichte und das Geschehen auch sein mögen, dank der ungleichen Figuren von Ben Shockley und Gus Mally und der schieren Übermacht, die ihnen entgegengestellt wird, fesselt der Actionthriller dennoch. Und wenn Regisseur und Darsteller Clint Eastwood sein eigenes Image so verdreht, dann können wir am Ende auch nicht sicher sein, ob die beiden den Kugelhagel überleben werden. Das macht den Thriller für Fans des charismatischen Filmemachers zweifellos sehenswert, auch wenn es nicht schwer fällt sich vorzustellen, wie daraus ein zeitloser Klassiker hätte werden können.
Fazit:
Man könnte meinen, dass Ben Shockleys Starrsinn allein schon die Kugeln von ihm abprallen lässt. Und wäre es nicht um Gus Mally, dann wäre er mehr als einmal offen in eine Falle getappt. Trotz seines rauen Benehmens begegnet er der Gefangenen mit mehr Respekt als viele andere, wobei es bei Clint Eastwoods steinerner Miene schwer fällt, zwischen Respekt und Gleichgültigkeit zu unterscheiden. Der Mann, der niemals aufgibt ist ein geradliniger Actionthriller, bei dem die Geschichte nicht viel mehr bietet als die Verbindungspunkte zwischen den Shootouts. Das ist insofern bedauerlich, da daraus ein verzwickter Thriller hätte werden können.
Fulminant inszeniert kann man sich kaum vorstellen, wie das ungleiche Duo der geballten Feuerkraft standhalten soll. Und auch wenn die Mittel und Wege, die Shockley findet, nicht überzeugen, dank der Darsteller bleiben wir trotzdem interessiert. Clint Eastwood als gescheiterten Helden zu sehen, der durchaus in der Lage ist zu erkennen, woran er zerbrochen ist, scheint wie ein Zwischenschritt zu seiner in sich gekehrten und in ihrer Aussage unmissverständlichen Charakterstudie Gran Torino [2008].