Der große Trip - Wild [2014]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 14. September 2015
Genre: DramaOriginaltitel: Wild
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2014
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Jean-Marc Vallée
Musik: Susan Jacobs
Darsteller: Reese Witherspoon, Laura Dern, Thomas Sadoski, Keene McRae, Michiel Huisman, W. Earl Brown, Gaby Hoffmann, Kevin Rankin, Brian Van Holt, Cliff De Young, Mo McRae
Kurzinhalt:
Der Pacific Crest Trail, den Cheryl Strayed (Reese Witherspoon) wandern möchte, hat eine Länge von mehr als 1.500 Kilometern. Er führt sie von Kalifornien über Oregon bis nach Washington. Ohne Vorbereitung oder Erfahrung macht sich Cheryl auf, um auf dem Weg wiederzufinden, was sie aus den Augen verloren hat: Sich selbst. Dabei stellen verschiedene Weggefährten oder die Naturgewalten nicht ihre größten Herausforderungen dar, denn am Ende muss sie sich ihren eigenen Dämonen stellen ...
Kritik:
Der große Trip - Wild ist ein Film mit zwei herausragenden, ergreifenden Darbietungen und grandiosen Landschaftsaufnahmen. Aber auch wenn Hauptdarstellerin Reese Witherspoon die Selbstfindungsreise von Cheryl Strayed packend verkörpert, die Geschichte lässt einen wirklichen Einblick in ihre Figur vermissen. Regisseur Jean-Marc Vallée gelingt ein tadellos umgesetzter Film, der an so vielen Ecken und Enden darauf getrimmt scheint, Preise zu gewinnen, dass er aus den Augen verliert, was er sein sollte.
Dreh- und Angelpunkt ist die für den Oscar nominierte Reese Witherspoon, deren Wandlungsfähigkeit in der Tat beeindruckend ist. Wir sehen sie als Drogenabhängige, als junge Erwachsene voller Potential und als gebrochene Person, die sich benutzen lässt, nur um den Schmerz zu betäuben, der sie alltäglich heimsucht. Während ihrer Wanderung des Pacific Crest Trails sucht sie zu sich selbst und findet im Laufe der beinahe 1.800 Kilometer, was sie verloren glaubte.
Der Film basiert auf der Autobiographie der wirklichen Cheryl Strayed. Die Frage ist, ob ihre Perspektive die beste ist, ihr Erlebtes zu erzählen?
Die Geschichte von Der große Trip - Wild wird in Fragmenten dargebracht, die Cheryl in den Sinn kommen, während sie durch die fordernde Landschaft schreitet. Sie erinnert sich an ihre Ehe, die sie nach eigener Aussage selbst ruinierte. Vieles von dem, was sie nicht verarbeiten kann, dreht sich um ihre Mutter Bobbi, verkörpert von einer beeindruckenden Laura Dern. Sie wurde, gerade als sie Hoffnung im Leben schöpfte und ein neues Ziel vor Augen hatte, von einer Krankheit heimgesucht, gegen die sie nicht ankommen konnte. Danach folgte Cheryls Drogenabsturz zusammen mit zahlreichen Seitensprüngen.
Aber auch wenn wir diese verschiedenen Facetten von Cheryl gezeigt bekommen, auf Grund der bruchstückhaften Erzählung wirken sie nicht in dem Maße schockierend oder ergreifend, wie sie sein sollten. Es ist nicht, dass wir sie als unschuldige Heranwachsende sehen, die in einen Abgrund fällt, aus dem es kein Entkommen gibt. Wir erleben sie in ihrem tiefsten Punkt, aber der Weg dorthin fehlt. Wann fand sie zu ihrem Ehemann? Wieso konnte er sie aus der Situation nicht retten? Der große Trip - Wild beleuchtet einige Momente intensiv, lässt dafür das große Ganze aber vermissen.
Bis zum Schluss wird nicht wirklich deutlich, wie Cheryl die Drogensucht hinter sich lässt und sich entschließt, eine 1.800 Kilometer lange Wanderung auf sich zu nehmen, um zu sich selbst zu finden.
Ihre eigentliche Reise ist grandios bebildert und mit einem eingängigen, melancholischen und vielschichtigen Soundtrack versehen. Wenn sich Cheryl zwei alkoholisierten Jägern gegenübersieht, ist die Gefahr deutlich zu spüren und wenn sie fernab der Zivilisation kein Trinkwasser mehr vorrätig hat, überträgt sich auch ihre Verzweiflung.
Doch so gelungen das ist, der Film passiert die zu erwartenden Stationen der Höhen und Tiefen, bringt alle Arten von Weggefährten zutage, die in einem solchen Film präsent sein müssen und endet auf einer Note, die Cheryl Strayed als Geläuterte darstellt, die all das durchmachen musste, um zu dem Mensch zu werden, der sie ist. Auch diese Aussage ist nicht neu – und ein weniger selbstzerstörerischer Weg wäre ebenfalls empfehlenswert gewesen. Doch diesen Ratschlag gibt Cheryl nicht.
Fazit:
Es gibt viele Arten der Trauer und viele Mittel und Wege, die Leere, die man nach einem Verlust spürt, auszugleichen. Cheryls Weg führt sie an einen der dunkelsten Orte und dass sie wieder herausgefunden hat, ist in der Tat beeindruckend und inspirierend. Nur lässt Der große Trip - Wild vermissen, wie es ihr gelang. Die Geschichte zeigt viele Stationen und den Weg der Läuterung, aber was sie dazu bewogen hat, verschweigt Regisseur Jean-Marc Vallée.
Reese Witherspoon verleiht Cheryl ein Gesicht und ihre Reise ist für sie wie für den Zuschauer anstrengend. Laura Dern ist ein so unerwarteter Gegenpol, dass ihre Glanzleistung beinahe übersehen werden könnte. Doch so fantastisch beide Darstellerinnen agieren, kein Moment ist wirklich unerwartet und die Selbstfindungsreise bis ins Detail perfekt durchgeplant. Wenn uns das Leben jedoch eines lehrt, dann dass sich kein Weg wirklich planen lässt – oder ohne Richtungswechsel auskommt.