Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch [2022]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. Dezember 2022
Genre: Animation / Komödie / Fantasy

Originaltitel: Puss in Boots: The Last Wish
Laufzeit: 102 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2022
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Joel Crawford, Januel Mercado
Musik: Heitor Pereira
Stimmen: Antonio Banderas (Benno Fürmann), Salma Hayek (Carolina Vera), Harvey Guillén (Riccardo Simonetti), Wagner Moura (Michael Lott), Florence Pugh (Ronja Peters), John Mulaney (Oliver Kalkofe), Olivia Colman (Bianca Krahl), Samson Kayo (Leonhard Mahlich), Ray Winstone (Douglas Welbat), Da’Vine Joy Randolph (Regina Lemnitz)


Kurzinhalt:

Der gestiefelte Kater (Antonio Banderas / Benno Fürmann) ist mehr als nur ein Held, er ist eine unsterbliche Legende. Doch nachdem er bei seiner jüngsten Heldentat erneut sein Leben gelassen hat, wird ihm vom Dorfdoktor mitgeteilt, dass er acht seiner neun Katzenleben aufgebraucht hat. Er lebt somit sein letztes und fühlt, als ihm der böse Wolf (Wagner Moura / Michael Lott) auflauert, zum ersten Mal seit langer Zeit Angst. So zieht er sich zurück, wird allerdings von Goldlöckchen (Florence Pugh / Ronja Peters) und den drei Bären aufgesucht, die seine Hilfe benötigen, um eine sagenumwobene Karte von „Big“ Jack Horner (John Mulaney / Oliver Kalkofe) zu stehlen. Damit soll sich der sogenannte Wunschstern finden lassen, mit dem sich der Kater seine neun Leben zurückwünschen könnte. Ebenfalls auf der Suche nach der Karte ist Kitty Samtpfote (Salma Hayek / Carolina Vera), mit der sich der Kater überworfen hat. Zusammen mit ihr und dem namenlosen Therapiehund (Harvey Guillén / Riccardo Simonetti), der nicht von seiner Seite weicht, begibt sich der gestiefelte Kater auf in den Dunklen Wald, um den Wunschstern zu finden. Doch der Weg ist gefährlich und Goldlöckchen ist ihnen ebenso auf den Fersen wie der gewissenlose Jack Horner mit seinem Bäckerdutzend …


Kritik:
Ganze elf Jahre, nachdem der gestiefelte Kater aus dem Shrek-Filmuniversum sein erstes eigenständiges Leinwandabenteuer bestritt, kehrt der ehemals Flüchtige vor dem Gesetz, der zum Volkshelden wurde, in Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch zurück. Im letzten seiner neun Leben angekommen, ist nicht nur der Gedanke an, sondern buchstäblich der Tod sein ständiger Begleiter, was den Film in ein deutlich düstereres Ambiente taucht. Nichtsdestotrotz besitzt die Geschichte schöne Botschaften und viel Herz, verpackt in eine ganz eigene visuelle Handschrift.

Letztere fällt bereits zu Beginn auf, wenn das Publikum auf die Stimmung der folgenden Geschichte vorbereitet wird. Mit einem Song unterlegt, dessen deutscher Text schwer zu verstehen ist, wird der gestiefelte Kater gezeigt, der mit den Dorfbewohnern ein rauschendes Fest in einem Anwesen feiert, das ihm nicht gehört. Als dabei auch noch ein Waldriese zum Leben erweckt wird, muss der Kater seinem Ruf als Legende gerecht werden und das Dorf beschützen. Das gelingt durch viel Humor und halsbrecherische Akrobatik, wobei der Kater am Ende unter der Kirchenglocke begraben wird. Handwerklich ist das in vielen Belangen sehr detailreich umgesetzt, ebenso viele Oberflächen haben jedoch den Anschein, als wären sie wie ein Aquarell gemalt. Gleichzeitig werden manche Geräusche optisch wie in Comics hervorgehoben. Das Aussehen erinnert an Die Gangster Gang [2022], mit dem Unterschied, dass hier nicht Teile des Bildes mit einer niedrigeren Bildwiederholrate umgesetzt sind, sondern actionreiche Szenen mitunter teilweise, manchmal vollständig mit weniger Bildern pro Sekunde und im Aussehen stark abstrahiert inszeniert werden. Ganz so, als würde man ein Zeichentrickmanga ansehen, oder Storyboards, die noch nicht fertig sind. Das Ergebnis ist so interessant künstlerisch einzigartig wie gewöhnungsbedürftig. Einerseits verleiht es Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch einen ganz eigenen Look, andererseits erscheint der Wechsel, der von Einstellung zu Einstellung passieren kann, wie ein Stilbruch. Nicht zuletzt das ständige Abwechseln von regulären Bewegungen zu abgehackt erscheinenden Bildfolgen und normalen Zeitlupen sorgte bei diesem Kritiker in manchen Momenten gar für Unwohlsein.

Abgesehen davon ist die Geschichte von Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch in bunte, fantasievolle Bilder gekleidet, denn nach seinem jüngsten Ableben stellt der Titel gebende Kater fest, dass er nunmehr acht seiner neun Leben aufgebraucht hat. Als ihm zudem ein bedrohlicher Kopfgeldjäger in Form eines riesigen Wolfs mit rotleuchtenden Augen und tödlichen Sicheln auflauert, entscheidet sich der Kater, die Stiefel an den Nagel zu hängen und bei einer Katzenliebhaberin unterzukommen. Dort lernt er einen namenlosen Therapiehund kennen, der sich als Katze verkleidet eingeschlichen hat, um Freunde zu finden. Doch als Goldlöckchen und die drei Bären auftauchen und den gestiefelten Kater suchen, ist es vorbei mit dem ruhigen Lebensabend. Die wollen nämlich eine Karte von Big Jack Horner stehlen, mit der sich der sagenumwobene Wunschstern finden lässt. Damit könnte sich der Kater nämlich seine neun Leben zurückwünschen. Doch er ist nicht allein auf seiner Suche. Nicht nur Goldlöckchen hat einen Wunsch, von Big Jack Horner abgesehen, der als Tyrann mit Zauberkräften die Welt beherrschen will. Auch die ehemalige Partnerin des Katers, Kitty Samtpfote, ist auf der Suche nach dem Wunschstern. Als ungleiches Duo gelangen sie mit dem namenlosen Hund als Katers Begleiter zuerst in den Dunklen Wald, der je nachdem, wer die magische Karte benutzt, einen anderen Weg zum Wunschstern zeigt.

Nicht nur hier, auch bei den vorgestellten, bekannten Märchenfiguren beweist Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch viel Fantasie, selbst wenn der Humor mitunter recht düster gerät. Mit getöteten Einhornbabys, in Glitzerwolken explodierenden Schurken und auf Skelette reduzierte Bösewichte, ist das teils durchaus makaber und für ein ganz junges Publikum nicht wirklich geeignet. Kann man die Märchenadaption aber als das annehmen, was sie ist, ist sie durchaus amüsant und dank der sympathischen Hauptfiguren auch witzig. Vor allem bewahren sich die Verantwortlichen die lehrreichen Aussagen der Vorlagen. Dabei haben alle Parteien einen Wunsch, der sie diese Reise beginnen lässt. Alle, bis auf einen: Der namenlose Hund, der an sich am ehesten Grund genug hätte, angesichts seines Werdegangs. Doch er ist allein glücklich, Kater und Kitty bei diesem Abenteuer begleiten zu dürfen. Gerade bei ihm, aber auch bei der Beziehung zwischen Kitty und Kater beweist das Drehbuch viel Herz und auch durchaus Mut, dass Figuren Fehler eingestehen dürfen. Vor allem aber präsentiert es den Kater nicht als überlebensgroßen Helden, als Legende, der nichts geschehen kann. Er ist vielmehr verwundbar, mit dem Tod im Nacken, und wirkt gerade dadurch wie ein Gegenentwurf zu den heutigen Superheldenfilmen, bei denen nie Spannung aufkommt, weil den Helden ohnehin nichts geschehen kann.

Unbestritten, neue Wege geht Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch nicht wirklich, aber der Film hat viel Spaß auf seiner Reise und dank der temporeichen Präsentation, eignet sich das für die ganze Familie – solange nicht unbedingt die Jüngsten mitschauen.


Fazit:
Die Filmemacher Joel Crawford und Januel Mercado verabschieden ihr Publikum mit einer letzten Einstellung, die Fans des Shrek-Franchise wird aufhorchen lassen. Gleichzeitig ist die später Fortsetzung von Der gestiefelte Kater [2011] jedoch eine sehr eigenständige Geschichte, die nicht unbedingt Kenntnisse des Vorgängers erfordert, auch wenn gelungene Anspielungen enthalten sind. Als modernes Märchen, das mehrere bekannte verbindet, ist das glücklicherweise nicht derb, aber gleichermaßen nichts für Zartbesaitete und für ein ganz junges Publikum vermutlich zu brutal. Technisch interessant, wenngleich gewöhnungsbedürftig umgesetzt, kann man darüber streiten, ob die Wechsel der Trickanimation innerhalb der Actionmomente eine gute Entscheidung sind. Sie wirken in jedem Fall frisch, aber seltsam, bis sogar verwirrend. Auf der anderen Seite gelingt es Der gestiefelte Kater: Der letzte Wunsch, dass man mit dem Titelhelden bei seinem Abenteuer mitfiebert, weil er eben nicht unsterblich ist. So temporeich und fantasievoll, wie das präsentiert ist, so viel Herz zeigt die Geschichte auch, selbst wenn kaum etwas wirklich überrascht. Aber so ist es eben bei Märchen: Ihre Weisheiten bleiben Weisheiten, auch wenn man sie schon oft gehört hat.
Ein unterhaltsames Abenteuer, für Groß und Klein (nur nicht ganz Klein).