Der Frauenmörder [1988]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 07. Februar 2015
Genre: ThrillerOriginaltitel: Criminal Law
Laufzeit: 117 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1988
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Martin Campbell
Musik: Jerry Goldsmith
Darsteller: Gary Oldman, Kevin Bacon, Tess Harper, Karen Young, Joe Don Baker, Elizabeth Shepherd, Sean McCann, Ron Lea, Michael Sinelnikoff, Karen Woolridge
Kurzinhalt:
Früher war Ben Chase (Gary Oldman) selbst als Staatsanwalt Ankläger, inzwischen arbeitet er als Verteidiger – immer mit einer sicheren Distanz. Noch bevor er den Freispruch für den wegen Vergewaltigung und Mordes angeklagten Martin Thiel (Kevin Bacon) erwirkt hat, appelliert die Polizistin Stillwell (Tess Harper) an sein Gewissen. Doch Thiel kommt dank Chase frei. Kurz darauf bestellt dieser seinen Verteidiger nachts in einen Park, wo Chase selbst eine Frauenleiche findet.
Kann sich Chase sicher sein, dass sein Mandat unschuldig war? Oder sicher sein, dass er schuldig ist? Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel, in das Ellen Faulkner (Karen Young), der Chase begegnet, als er um Hilfe ruft, ebenso verwickelt wird, wie Thiels Mutter Sybil (Elizabeth Shepherd) ...
Kritik:
Im Kern von Der Frauenmörder schlummert ein besserer Thriller als die Beteiligten zutage zu fördern vermögen. Das heißt nicht, dass das US-Regiedebüt von Martin Campbell ein schlechter Film wäre, vielmehr, dass er so ungeschliffen ist wie die damaligen Karrieren seiner drei bekanntesten Beteiligten. Dazu zählen Gary Oldman und Kevin Bacon, die gemeinsam in besseren Produktionen vor der Kamera standen. Und doch besitzt der beinahe 30 Jahre alte Thriller eine interessante Ausgangslage, die beim zweiten Hinsehen besser zur Geltung kommt als beim ersten Mal.
Das Drehbuch von Mark Kasdan, für den dies außer Silverado [1985] die einzige Beteiligung als Autor einer Filmproduktion bleibt, beginnt damit, wie die Polizistin Stillwell an einen Tatort gerufen wird. Offenbar wurde eine Frau ermordet. Die Einsatzkräfte sind ebenso betroffen wie die übrigen Personen vor Ort. Der Kontrast könnte nicht größer sein, wenn die Szenerie wechselt und ein junger Gary Oldman vor der Kamera steht. Als Anwalt Ben Chase hält er ein Plädoyer darüber, dass ein grausames Verbrechen verübt worden sei. Die Kamera fixiert ihn, so dass ihr seine distanzierte Mimik und seine überlegene Haltung nicht entgehen. Es scheint beinahe, als würde er seine Ansprache nur proben, ehe Campbell die Spannung bricht und die Perspektive wechselt.
Diese Eröffnungssequenz ist die durchdachteste des Films und verdeutlicht mit dem Wechsel des Blickwinkels in den Rücken des Verteidigers Chase, der Kamerafahrt durch den Gerichtssaal und dem Trick mit dem Wasserglas seine eigentliche Taktik auf greifbare Art und Weise: Im Zentrum stehen nicht der Täter oder die Tat. Der Zuschauer erfährt nicht, was genau geschehen ist und auch Kevin Bacon als Angeklagter ist erst spät zu sehen. Ben Chase inszeniert seine Verteidigung und ist immer in Kontrolle. Vielleicht scheint er deshalb stets über allem zu stehen. Der Frauenmörder zeigt, wie sich dies ändert und der Verteidiger, den die Schuld oder Unschuld seiner Mandanten nicht interessiert, in eine ungewohnte Rolle gedrängt wird. Martin Thiel, den Chase vor dem Gefängnis bewahrt hat, war schuldig – und er wird wieder morden.
Mit dem dahinter liegenden Dilemma, wie ein moralisch integrer Anwalt es vor seinem Gewissen rechtfertigen kann, einen schuldigen Mandanten zu verteidigen, beschäftigt sich Martin Campbell leider nur kurz. Stattdessen entwickelt er seinen Thriller in eine bekannte Richtung, in der sich Chase auf ein Katz-und-Maus-Spiel mit Thiel einlässt und nebenher in die an sich unbeteiligte Ellen verliebt.
Gleichzeitig weiß das Drehbuch aus zahlreichen Nebenhandlungen, die begonnen werden, nichts zu machen. Da ist der erfolgreiche Staranwalt Fischer, der Chase anwerben möchte. Doch auch wenn Bens Blick Interesse signalisiert, mehr wird daraus nicht. Ebenso Bens Kollegin, die ihren eigenen Fall bearbeiten möchte. Es ist, als hätte Autor Kasdan hier mehr vorgehabt. Selbst wenn man vermuten würde, Chase könnte selbst als Verdächtiger ins Visier der Ermittler geraten, geht Der Frauenmörder einen anderen Weg.
Dass die Figuren trotzdem interessieren, ist den Darstellern zu verdanken. Gary Oldman, den man immer älter schätzt als Kevin Bacon, obwohl beide im gleichen Jahr geboren wurden, gelingt eine gute Darbietung, insbesondere, wenn Chase die Kontrolle entgleitet. Als unnahbarer, mysteriöser Bösewicht, der allen einen Schritt voraus ist, ist Kevin Bacon dagegen immer eine gute Besetzung, selbst wenn er hier wenig zu tun bekommt. Ähnlich bei Tess Harper und Karen Young.
Etwas enttäuschend ist allenfalls die musikalische Untermalung von Jerry Goldsmith, dessen Score anmutet wie eine Mischung aus Poltergeist [1982] und Gremlins - Kleine Monster [1984]. So gelungen das Thema "The Garden Pavillion", so sehr erinnert die Musik an die Anfänge der 1980er, statt an ihr Ende.
Auf eine digitale Heimvideoveröffentlichung von Der Frauenmörder mussten Interessenten lange warten. Ein unverhofftes und erfreuliches Bonus-Feature des DVD- und Blu-ray-Release von "OFDb-Filmworks" wird dabei nirgends beworben und ist auch auf der Hülle nicht aufgelistet: Zum ersten Mal seit der Kinoverwertung im Jahr 1989 ist Martin Campbells Film ungekürzt zu sehen. Mehr als sechs Minuten, die vermutlich aus Kostengründen für die VHS-Veröffentlichung entfernt worden waren, sind wieder in den Film integriert und mit deutschen Untertiteln im englischen Original beibehalten worden. Ein größeres Geschenk können Fans kaum erhoffen.
Die Blu-ray-Disc überzeugt mit einem meist scharfen Bild, dem man nur manchmal das Alter der Quelle ansieht. Die Farben sind gelungen natürlich und auch die Helligkeit enttäuscht nicht. Sieht man sich an, wie lieblos bisweilen Katalogtitel der großen Labels veröffentlicht werden, erfreut der hier betriebene Aufwand. Der Ton liegt hingegen nur in Stereo, aber im verlustfreien DTS-HD Master Audio vor. Als Bonus-Material befindet sich immerhin der Trailer zum Film auf der Silberscheibe und Enthusiasten werden sich über das mitgelieferte Wendecover ohne aufdringliches FSK-Logo freuen.
Fazit:
Sowohl das Puzzle, was den Frauenmörder Martin antreibt und das Ben Chase hier lösen muss, als auch die Zwickmühle, in der sich der Anwalt angesichts seiner Verschwiegenheitsverpflichtung befindet, obwohl er weiß, dass sein Mandat schuldig ist, bieten interessante Ansätze. Keiner von beiden ist wirklich einfallsreich zu Ende erzählt, auch wenn einige Überraschungen auf dem Weg dorthin warten.
Aus heutiger Sicht kommt das eigentliche Interesse an Der Frauenmörder viel eher daher, dass sowohl Gary Oldman, als auch Kevin Bacon bedeutende Filmstars geworden sind und man sie hier in einer frühen Rolle zu Gesicht bekommt. Ähnlich bei Regisseur Martin Campbell, der die James Bond-Filmreihe gleich zwei Mal neu wiederbelebt hat. Der Thriller lässt dabei viel von dem Erkennen, was die Karrieren der drei später auszeichnen sollte. Sei es das Talent, Figuren mit einer unbändigen Überzeugung oder einem ungreifbaren Charisma zu verkörpern, oder ein Gespür für Optik und Dynamik. Als frühes Werk ist das für Fans durchaus sehenswert und zum ersten Mal in mehr als 25 Jahren gelungen präsentiert.
Blu-ray-Wertung: