Das grosse Krabbeln [1998]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 29. März 2010
Genre: Animation / KomödieOriginaltitel: A Bug's Life
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1998
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: John Lasseter, Andrew Stanton (Ko-Regisseur)
Musik: Randy Newman
Stimmen: Dave Foley (Kai Wiesinger), Kevin Spacey (Rufus Beck), Julia Louis-Dreyfus (Madeleine Stolze), Hayden Panettiere (Carolyn Schwarzmaier), Phyllis Diller (Elisabeth Volkmann), Richard Kind (Jan Odle), David Hyde Pierce (Fritz von Hardenberg), Joe Ranft (Ottfried Fischer), Denis Leary (Ivar Combrinck), Jonathan Harris (Horst Raspe), Madeline Kahn (Katharina Lopinski), Bonnie Hunt (Susanne von Medvey), Michael McShane (Hartmut Neugebauer), John Ratzenberger (Michael Rüth), Brad Garrett (Oliver Stritzel)
Kurzinhalt:
Jede Ameise kennt das Naturgesetz: die Ameisen sammeln das Futter und die Grashüpfer, die einmal im Sommer vorbeischwirren, fressen das Futter. Dafür werden die Ameisen vor ihren Feinden beschützt. Unglücklicherweise versenkt die erfinderische Ameise Flik (Dave Foley / Kai Wiesinger) die gesamten Vorräte. Doch der Anführer der Grashüpfer, Hopper (Kevin Spacey / Rufus Beck), gibt ihnen noch eine Chance. Sie müssen noch mehr Futter sammeln, und wenn das letzte Blatt vom Baum gefallen ist, werden sie zurückkommen. Nur auf der kleinen Insel der Ameisen ist nicht mehr genug Futter übrig, und schon gar nicht, um den eigenen Wintervorrat auch noch anzulegen.
Mit dem Segen der Königin (Phyllis Diller / Elisabeth Volkmann) und auch von Prinzessin Atta (Julia Louis-Dreyfus / Madeleine Stolze) macht sich Flik auf, eine Truppe Krieger jenseits der Insel zu finden, welche die Ameisen im Kampf gegen die Grashüpfer unterstützen soll. Er findet eine Gruppe aberwitziger Figuren, die aus einem Zirkus geflogen sind, und die nicht verstehen, welche Aufgabe vor ihnen liegt. Doch der Sommer ist bald vorbei, die Grashüpfer kommen bald zurück, und die Hoffnung der ganzen Kolonie lastet auf Flik und seiner Mannschaft. Nur was, wenn der Betrug auffliegt? Oder es wirklich zum Kampf kommt? ...
Kritik:
Das grosse Krabbeln ist der zweite Film der Animationsschmiede Pixar und vielleicht derjenige, der bis heute die geringste Aufmerksamkeit bekommen hat. Toy Story [1995] hat zwei Fortsetzungen nach sich gezogen, die jüngsten Filme werden aller Voraussicht nach weitererzählt, und selbst für Die Monster AG [2001] lässt sich wohl eine weitere Geschichte finden. A Bug's Life, wie der Film im Original heißt, markiert dabei nicht nur den ersten Animationsspielfilm, der im leinwandfüllenden Bildverhältnis von 2,35:1 gedreht wurde, sondern es zeigt sich hier, was Pixar in späteren Produktionen fortführen würde. Nämlich dass sie einer offenkundigen Abenteuergeschichte eine tiefergehende Bedeutung zugrunde legen. Dass beide Ebenen unabhängig voneinander funktionieren, ermöglicht es dabei einem jungen Publikum, den Film als temporeiche Komödie zu genießen, während Erwachsene, auch 13 Jahre nach Veröffentlichung des Films, allzeit gültige Parallelen zum Weltgeschehen entdecken. Denn wenn die Ameisen, die den halben Sommer über dafür schuften, den Grashüpfern Nahrung zu sammeln, und so kaum mehr Zeit haben, für sich selbst zu sorgen, sich gegen ihre Unterdrücker auflehnen, was ist es dann anderes als eine Revolution? Hopper, Anführer der Grashüpfer sagt es sogar selbst: die Ameisen sind ihnen zahlenmäßig weitaus überlegen, sie dürfen es nur nie merken, denn sonst wäre ihre alljährliche Bereicherung durch die Krabbler sehr schnell vorbei.
Die Geschichte beginnt damit, dass die erfinderische Ameise Flik die für die Grashüpfer gesammelten Vorräte unbeabsichtigt versenkt, und Hopper samt seiner Armee alles andere als begeistert ist. Er stellt der Ameisenkönigin ein Ultimatum: bis das letzte Blatt gefallen ist, müssen sie mehr Vorräte sammeln als bislang – auch wenn ihnen dann keine für die eigene Überwinterung bleiben. Flik bietet der Königin und der Prinzessin Atta an, die Insel zu verlassen und auf die Suche nach tapferen Kriegern zu gehen. Diese findet er auch in einer gefeuerten Zirkustruppe bestehend aus ein paar Insekten. Die wissen zwar nicht, worauf sie sich bei Flik einlassen, aber eine solche Anstellung ist besser als keine – und bis sie merken, dass sie als Helden von der Ameisenkolonie verehrt werden und sich gegen eine Horde wütender Grashüpfer wehren sollen, hat die Situation schon bedrohliche Ausmaße angenommen.
Flik ist dabei zwar leicht tollpatschig, doch nie bösartig. Er ist nicht wie die Helden vieler überdrehter Komödien ein solch penetranter Unheilsbringer, dass man sich wünschen würde, er würde sich selbst und allen um ihn herum einen Gefallen tun und sich ins ausgetrocknete Teichbett stürzen. Er ist in dem was er tut charmant und klug, erfinderisch und wie man an seinem Umgang mit der kleinen Prinzessin Dot sieht, auch liebevoll. Prinzessin Atta fällt auch nicht in das Schema der verzogenen Königstochter, sondern scheint in ihren Entscheidungen nur so unsicher, mit der ihr anvertrauten Aufgabe wie versteinert, dass verständlich ist, was sie und Flik in einander sehen. Man könnte beinahe sagen, Regisseur John Lasseter erzählt seinen familienfreundlichen Film sehr konventionell, wäre da nicht der Anführer der Grashüpfer Hopper, der mit seinem Auftreten kein Zweifel daran lässt, dass er das Gesagte auch durchführen wird. Seine Ansprache, weswegen man den Ameisen, selbst wenn man auf die Nahrung nicht angewiesen ist, keinen Ungehorsam durchgehen lassen darf, ist stellvertretend für alle Diktatoren und Tyrannen zu sehen.
Das grosse Krabbeln entstand, bevor 3D die Kinosäle überschwemmte. Auch heute noch erstrahlt der Film in knalligen Farben, die insbesondere bei den blauen und violetten Ameisen nicht naturgetreu sein sollen, überzeugt mit einem gestochen scharfen Bild und Unschärfeeffekten, Kamerafahrten und Schattenspielen, die man rückblickend gar nie so wahrgenommen hat, die aber zu einer überzeugenden Präsentation beitragen. Zugegeben, Feuer und Wasser sehen in heutigen Animationsfilmen noch überzeugender aus, doch irgendwo muss man den Zeitunterschied zu Pixars zweitem Abenteuerfilm auch sehen.
Heute wie damals unterhält der Film durch eine universelle Geschichte, lustige Seitenhiebe und ein temporeiches Finale, in welchem mit dem Bösewicht überraschend hart ins Gericht gegangen wird. Dass sich die Verantwortlichen für Recherchen in die Natur begeben haben, sieht man der Geschichte an, auch wenn zu verschmerzen ist, dass die Ameisen nur über vier, statt sechs Gliedmaßen verfügen.
Fazit:
Haben die Filmemacher ihre Perspektiven zu Beginn erst einmal eingestellt, wirkt die Graslandschaft lebendig. Sie erzählen ein Abenteuer aus der Sicht von knuffig dreinblickenden Ameisen, die sich gegen ihre Unterdrücker auflehnen, welche ihnen zwar Schutz versprochen haben, doch mehr Leid denn Gutes tun. Der Erfinder Flik ist Unglücksrabe und Retter in einem, die Heldentruppe wider Willen so vielseitig wie die Grashüpfer auf Grund ihrer Statur übermächtig. Und doch wiegt eine zahlenmäßige Überlegenheit stärker als die Waffen der Gegner. Ein Gesetz, das heute immer wieder aufs Neue bestätigt wird.
Pixar erzählt Das grosse Krabbeln als aufwändig gemachte, drollig anzuschauende und temporeiche Familienunterhaltung, deren ernstere Untertöne den kleinen Zuschauern ohnehin verborgen bleiben. Diese freuen sich dafür umso mehr über den lockeren (Slapstick)Humor, der ebenso zeitlos ist wie der Film selbst.