Contagion [2011]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Oktober 2011
Genre: Thriller / Drama

Originaltitel: Contagion
Laufzeit: 106 min.
Produktionsland: USA / Vereinigte Arabische Emirate
Produktionsjahr: 2011
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Steven Soderbergh
Musik: Cliff Martinez
Darsteller: Matt Damon, Gwyneth Paltrow, Anna Jacoby-Heron, Laurence Fishburne, Kate Winslet, Marion Cotillard, Jennifer Ehle, Jude Law, Armin Rohde, Elliott Gould, Bryan Cranston, Chin Han, Tien You Chui, Daria Strokous


Kurzinhalt:
Wie paralysiert ist Mitch Emhoff (Matt Damon), als ihm der behandelnde Arzt mitteilt, dass seine Frau Beth (Gwyneth Paltrow) gerade verstorben ist. Sie war kürzlich von einer Geschäftsreise aus Hong Kong zurückgekehrt, wie es schien mit einer leichten Erkältung. Kurz danach werden weitere Fälle gemeldet und das Virus ist nicht nur hochansteckend, sondern auch sehr gefährlich. Während der Leiter des US-Seuchenkontrollzentrums Dr. Ellis Cheever (Laurence Fishburne) darum bemüht ist, die Situation unter Kontrolle zu bringen und seine Kollegin Dr. Mears (Kate Winslet) in die betroffenen Gebiete schickt, um Befragungen durchzuführen und später Quarantänestationen einzurichten, forscht Dr. Hextall (Jennifer Ehle) zusammen mit Kollegen an einem Heilmittel.
Doch dieses scheint nicht leicht zu finden, auch wenn sich die Angestellte der Weltgesundheitsorganisation Dr. Orantes (Marion Cotillard) in Hong Kong bemüht, herauszubekommen, woher das Virus kam. Als die Zahl der Todesopfer in die Zehntausende geht, bricht das Chaos unter der Zivilbevölkerung aus. Mitch versucht, sich mit seiner Tochter Jory (Anna Jacoby-Heron) abzuschotten, doch als hätten die Behörden nicht schon genug zu tun, die Menschen im Zaum zu halten, hetzt der Internetblogger Alan Krumwiede (Jude Law) nicht nur gegen sie, sondern propagiert ein Naturheilmittel, von dessen Wirkung die Ärzte nicht überzeugt sind. Dann kommt die Nachricht aus den Labors, dass das Virus mutiert sei ...


Kritik:
Dass wir in unserer heutigen Welt mit unvorstellbar kurzen Reisewegen und einer Dichtbesiedlung in Ballungsräumen einen Nährboden für Krankheitserreger und ihre rapide Ausbreitung bieten, ist kein Geheimnis und wurde auch schon mehrmals in verschiedenen Medien thematisiert. Steven Soderbergh liefert mit seinem unkonventionell erzählten Thrillerdrama Contagion (was übersetzt Ansteckung oder Seuche bedeutet) soweit keine neuen Einblicke. Wodurch sich sein Film dennoch auszeichnet ist eine internationale Authentizität, die insbesondere auf Grund der realistischen Darstellung des Verfalls der sozialen Werte fesselt.

Eine der ersten bekannten Infektionsfälle ist die Geschäftsfrau und Mutter Beth Emhoff, die sich bereits auf dem Flug von Hong Kong zurück in die USA nicht wohlfühlt. Dort angekommen zeigt sie grippeähnliche Symptome, die sich aber nicht bessern. Mitch, ihr Mann und Stiefvater ihres Sohnes, wird nicht krank, muss jedoch mitansehen, wie seine Familie vor seinen Augen stirbt, ohne dass er etwas dagegen tun kann. Weitere Fälle werden entdeckt, einerseits in Hong Kong, aber auch ausgehend von einer jungen Ukrainerin, und Menschen, mit denen Beth bei einem Zwischenstopp in Chicago Kontakt hatte. Auf Grund der rasanten Ausbreitung nimmt die Epidemie globale Ausmaße an, die auch die Gesundheitsbehörden der verschiedenen Staaten alarmiert. Wir sehen Dr. Cheever, Leiter des amerikanischen Seuchenkontrollzentrums CDC, der zusammen mit seiner Mitarbeiterin Dr. Mears mehr um Schadensbegrenzung bemüht ist, als dass er etwas gegen den Erreger ausrichten kann. Unterdessen formiert sich unter dem Deckmantel der Pressefreiheit im Internet der Blogger Krumwiede, der nicht nur von einer Verschwörung der Regierung mit den Pharmaunternehmen redet, sondern von der Wirksamkeit eines homöopathischen Mittels philosophiert, dessen Erfolg er bei sich selbst nachgewiesen haben will. Weshalb er trotz seiner "Heilung" nur im Schutzanzug durch die Stadt schlendert, obwohl er ja nun immun sein sollte, bleibt er als Erklärung schuldig.

Wir erleben die Entwicklung dieser erschreckenden Katastrophenvision wie in vielen Filmen aus verschiedenen Blickwinkeln. Wir sehen die verzweifelten Versuche der Ärzte, ein Heilmittel zu finden, sehen die Bemühungen der Behörden, den steigenden Todeszahlen Herr zu werden, während die gewohnten Strukturen im Einzelhandel, bei den Verkehrsmitteln oder der Grundversorgung immer mehr zusammenbrechen. Wenn selbst die überlastete Notrufnummer der Polizei eine Schnellwahloption bietet, um einen Leichentransport zu veranlassen, bekommt man ein sehr mulmiges Gefühl. Und wir erleben durch die Augen von Mitch, der eine natürliche Immunität besitzt, wie er all das mitansehen muss, immer in der Angst, Jory, seine Tochter aus erster Ehe, die zu ihm gekommen ist, könnte sich anstecken. Oder gar, dass sie von Plünderern überfallen werden, wie es überall geschieht. Contagion beginnt mit Tag zwei der Verbreitung und schildert in rasanten Wechseln an vielen Orten der Welt, wie sich die Krankheit ausbreitet, und wie verschiedene Ärzteteams weltweit darum bemüht sind, ein Gegenmittel zu finden. Sind die gewohnten Strukturen jedoch erst einmal soweit zerstört, wie schnell ließe sich der Impfstoff herstellen, beziehungsweise wer würde ihn zuerst bekommen, wenn er nicht in genügend großer Menge vorhanden ist? Soderbergh liefert hierauf erschreckende, aber nicht abwegige Antworten und wenn man seiner düsteren Vision eines zur Last legen kann, dann dass angesichts der am Ende verhältnismäßig geringen Todeszahlen der Zusammenbruch der Zivilisation in den Großstädten beinahe zu schnell kommt.

Wohin würden wir fliehen? Würde der Leiter des CDC seine Frau bewusst aus der Gefahrenzone bringen, in dem Wissen, welche Panik seine Handlungen unter der Bevölkerung auslösen würde? Contagion zeigt beinahe beiläufig die mannigfaltigen Ansteckungsmöglichkeiten eines solchen Erregers, die Unvorsichtigkeit, mit der wir unseren Alltag bestreiten. Es wirkt wie ein zusammengefasstes Mahnmal dessen, was uns vor nicht allzu langer Zeit von zahllosen Experten angesichts der Schweinegrippe bereits vorgebetet wurde. Doch die Auswirkungen zu sehen, wenn wir tatsächlich einem so widerstandsfähigen Virus ausgesetzt wären, ist beängstigend. Zumal nach wie vor vorenthalten wird, wie sich eine Massenpanik auf eine millionenschwere Metropole tatsächlich auswirken würde, wenn dort von einem Tag auf den anderen 20% der Bevölkerung im Sterben läge.


Fazit:
Schonungslos aber nicht verzweifelt erzählt Regisseur Steven Soderbergh von einem hochansteckenden Virus, der sich im Nu ausbreitet und dabei nicht nur Existenzen zerstört, sondern unser Gesellschaftsgefüge ins Wanken bringt. Das ist realistisch dargebracht und angesichts der vielen Handlungsfäden nicht nur anspruchsvoll, sondern auch wenig ermutigend. Contagion legt mehr die schlimmen Seiten der Menschen blank, zeigt ihre Korrumpiertheit und ihr ichbezogenes Denken, anstatt sie über sich hinauswachsen zu lassen. Dies wird nicht verschwiegen, kommt aber weniger zutage.
Auch wenn es ein schwieriger Spagat scheint, eine solche Epidemie sowohl aus Sicht der verantwortlichen Ärzte und Behörden zu zeigen, wie auch einen intimen Einblick in das Leben von Mitch Emhoff als normalen Bürger zu gewähren – wobei keines von beidem ganz abgedeckt scheint – das Thrillerdrama wahrt eine Balance, die mit den letzten Minuten einen unerwarteten Bogen spannt und dabei eine traurige Aussage trifft, die sich in einem Satz im Abspann wiederfinden lässt: es ist keine Frage des ob, sondern nur des wann. Doch auch das wussten wir schon vorher.