Chaos im Netz [2018]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 15. Dezember 2018
Genre: Animation / KomödieOriginaltitel: Ralph Breaks the Internet
Laufzeit: 112 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt
Regie: Phil Johnston, Rich Moore
Musik: Henry Jackman
Stimmen: John C. Reilly, Sarah Silverman (Anna Fischer), Gal Gadot, Taraji P. Henson, Jack McBrayer, Jane Lynch, Alan Tudyk, Alfred Molina, Ed O'Neill
Kurzinhalt:
Sechs Jahre, nachdem sich zwischen Randale-Ralph (John C. Reilly) und der Sugar Rush-Rennfahrerin Vanellope (Sarah Silverman / Anna Fischer) eine ungewöhnliche Freundschaft entwickelt hat, ist Ralph an sich zufrieden, wie alles ist. Doch Vanellope sehnt sich nach Veränderung und will etwas Neues erleben. Bei dem Versuch, seiner Freundin zu helfen, macht Ralph jedoch Vanellopes Arcade-Spiel kaputt. Damit der Spielhallenbesitzer Mr. Litwak (Ed O'Neill) sie nicht aus dem Programm nimmt, machen sich Vanellope und Ralph auf ins Internet, um nach dem benötigten Ersatzteil zu suchen. Dabei stoßen sie auf ein gefährliches Rennspiel, in dem Shank (Gal Gadot) die unangefochtene Siegerin ist. Während Ralph mit allen nur möglichen Mitteln versucht, genügend Geld zusammen zu bekommen, um das Ersatzteil bezahlen zu können, reift in Vanellope der Wunsch, im Internet zu bleiben. Um seine Freundin nicht zu verlieren, lässt sich Ralph auf den dubiosen Double Dan (Alfred Molina) ein – und richtet damit einen nur noch größeren Schaden an …
Kritik:
Sechs Jahre nach dem Überraschungshit Ralph reichts [2012] präsentiert die Animationsschmiede von Walt Disney mit Chaos im Netz ein weiteres Abenteuer um die liebenswerten Videospielfiguren Randale-Ralph und die Rennfahrerin Vanellope. Aber auch wenn die die Fortsetzung in manchen Momenten durchblitzen lässt, was den ersten Teil so charmant und bemerkenswert gemacht hat, bietet Ralph reichts 2: Webcrasher - Chaos im Netz leider mehr für die Sinne als fürs Herz.
Dabei geben sich die Macher durchaus Mühe, die Figuren im letzten Moment noch voranzubringen. Anfangs hingegen scheint es gar, als hätte sich nichts geändert: Ralph, Vanellope und ihre Freunde gehen ihrem Alltag in den Spielautomaten nach, sobald die Spielhalle ihre Pforten öffnet und treffen sich abends zum gemeinsamen Beisammensein. Als Vanellope sich beschwert, dass ihr Spiel Sugar Rush zu vorhersehbar geworden ist, will Ralph ihr eine Freude machen. Aber dabei geht Vanellopes Spiel kaputt. Um das benötigte Ersatzteil zu beschaffen, machen sich die beiden auf ins Internet, wo nicht nur neue Abenteuer auf sie warten, sondern Vanellope ein verlockendes Angebot erhält.
Im Grunde könnte damit auch für genügend Abwechslung gesorgt sein, würde die Story nicht zu viel versuchen, sondern irgendeine Idee auch zu Ende bringen. Der Titel lässt vermuten, dass Ralph das Internet „kaputtmacht“ und er und Vanellope den Schaden wieder beheben müssen. Doch ist das eine Entwicklung innerhalb der Geschichte, die erst in den letzten 20 Minuten einsetzt und so schnell aufgelöst wird, wie sie gar entsteht.
Bis dahin betreten Ralph und Vanellope das Internet, das hier groß und bunt präsentiert wird und wo sich digitale Abbilder der realen Nutzer auf Marktplätzen treffen, während allerorts verführerische Pop‑ups versuchen, die Nutzer auf andere Webseiten umzulenken. Die visuelle Darbietung gelingt Chaos im Netz überaus gut, auch wenn die wenigsten jungen Zuschauer vermutlich eine Erklärung dafür brauchen, was das Internet ist und was man darin tun kann.
Sobald die ungewöhnlichen Freunde in der unendlich weiten Online-Welt angekommen sind, um das Ersatzteil für Sugar Rush zu besorgen, wird das Publikum mit einem Kaleidoskop an Produktplatzierungen konfrontiert. Alle großen Internetkonzerne sind vertreten und zu den meisten finden die Macher eine humorvolle Darbietung dessen, wofür sie stehen. Dabei bringt Chaos im Netz zwar einige der Absurditäten des digitalen Alltags auf den Punkt, aber mit zynischer Kritik – und sei es, dass Nutzer für das Rennspiel Slaughter Race zur Kasse gebeten würden, auch wenn ihnen faktisch keine Chance eingeräumt wird, zu gewinnen – hält sich der Animationsfilm beinahe erstaunlich zurück.
Stattdessen müssen Ralph und Vanellope mehrere Stationen abklappern, ehe sie ihrem Ziel nahekommen. Aber nicht einmal, wenn Ralph mit peinlichen Kurzvideos Geld verdient, hat man das Gefühl, der Film möchte irgendeine Aussage treffen. Zugegeben, in einem Nebensatz wird erwähnt, dass die 15 Minuten Ruhm von einst im digitalen Zeitalter eher 15 Sekunden Ruhm gewichen sind, aber hier gäbe es so viel Potential, eine Botschaft für ein älteres Publikum einzuweben, dass man sich fragen muss, weshalb das nicht geschehen ist.
Während sich Ralph ins Dark Web begibt, trifft Vanellope bei der Internetseite OhMyDisney.com auf das genaue Gegenteil: Sieht sich die Rennfahrerin sämtlichen Disney-Prinzessinnen gegenüber, beginnt ein Gag-Feuerwerk, das zum größten Teil nur diejenigen verstehen werden, die mit den Figuren groß geworden sind. Es ist eine Sequenz, die nicht nur Gold wert ist, sondern den eigentlichen Stars merklich die Show stiehlt. Sie sind zusammen mit der im Original von Gal Gadot gesprochenen Rennfahrerin Shank das Highlight von Chaos im Netz. Auch, weil die Macher mit ihnen viel Selbstironie beweisen, die bis zur Szene während und nach dem Abspann reicht. Aber so toll der Rest aussieht und so unterhaltsam und laut er auch dargebracht ist, fernab der vielen Referenzen an Videospielklassiker, bekannte Charaktere dieses Genres und die digitale Welt an sich, ist die eigentliche Geschichte viel einfacher, als das, wozu sie hier aufgebläht wird. Das wird zumindest zum Teil dadurch aufgefangen, dass die wenig überraschende Aussage am Ende ans Herz geht und gerade für ein jüngeres Publikum schön anzusehen ist. Aber etwas enttäuschend ist es dennoch.
Fazit:
Meint Vanellope eingangs, dass ihr der Alltag zu langweilig ist, und ist sie, als sie gewissermaßen arbeitslos wird, am Boden zerstört und stellt fest, dass sie ihren eintönigen Alltag dennoch geliebt hat, dann könnte man meinen, die Macher wollten damit ein inhaltliches Thema aufgreifen. Den Eindruck hat man bei manch anderen Story-Entscheidungen ebenfalls, die aber alle nirgendwohin führen und sich schneller in Luft auflösen als man „Randale-Ralph“ sagen kann. Obwohl Ralph und Vanellope viele Webseiten im Internet besuchen und viel erleben, bleibt das Gefühl, dass der Film im mindestens 15 Minuten zu langen Mittelteil viel Zeit mit der Suche nach Gags verbringt, ohne zu wissen, wohin er eigentlich gehen soll. Handelte Ralph reichts noch davon, den besten Freund und die beste Freundin zu finden, geht es in Chaos im Netz darum, dass man auch loslassen können muss. Dazu gibt es vor allem am Ende einige schöne und berührende Szenen und auch die Aussagen sind kindgerecht dargebracht. Aber so toll gemacht und schön bunt all das ist, es bietet inhaltlich bedeutend und spürbar weniger Substanz als noch beim ersten Film. Das ist gerade angesichts der immer noch knuddeligen und liebenswerten Figuren schade, dürfte dem eigentlichen Zielpublikum allerdings nicht auffallen. Gerade die Kinder im Publikum werden sich von der temporeichen Präsentation – und dem charmanten Auftritt der Disney-Prinzessinnen – zweifellos mitreißen lassen. Und darauf kommt es letztlich an.