Caddo Lake [2024]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 21. November 2024
Genre: Drama / ThrillerOriginaltitel: Caddo Lake
Laufzeit: 99 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Logan George, Celine Held
Musik: David Baloche
Besetzung: Dylan O’Brien, Eliza Scanlen, Caroline Falk, Lauren Ambrose, Eric Lange, Sam Hennings, Diana Hopper
Kurzinhalt:
Paris (Dylan O’Brien) hat den Autounfall, bei dem seine Mutter, die am Steuer saß, gestorben ist, nie verwunden. Seither versucht Paris, den Unfall und was dazu führte, zu verstehen. Seine eigene Beziehung zu Cee (Diana Hopper) ist darüber zerbrochen. Paris ist überzeugt, dass seine Mutter, die unter Anfällen litt, falsch behandelt wurde. Da entdeckt er bei seiner Arbeit auf dem Caddo Lake etwas, das er sich nicht erklären kann. Dort am See wohnt auch die Familie von Studentin Ellie (Eliza Scanlen), zu der sie sich jedoch nicht zugehörig fühlt. Mit ihrer Mutter (Lauren Ambrose) liegt sie ständig im Streit und ihren Stiefvater (Eric Lange) akzeptiert sie nicht. Dabei sieht ihre acht Jahre alte Stiefschwester Anna (Caroline Falk) zu ihr auf. Nach einem weiteren Streit zwischen Ellie und ihrer Mutter stürmt Ellie aus dem Haus und erfährt am nächsten Tag, dass Anna verschwunden ist. Einzig das kleine Motorboot wurde gefunden, mit dem sie auf den See rausgefahren war …
Kritik:
Fans von ebenso undurchsichtigen wie spannenden Mystery-Thrillern finden in Logan Georges und Celine Helds Caddo Lake eine ungemein sehenswerte Überraschung. Die Geschichte um den vom plötzlichen Tod seiner Mutter traumatisierten Paris und das spurlose Verschwinden eines achtjährigen Mädchens am Titel gebenden See, ist erstklassig erzählt und hervorragend gespielt. Vor allem ist es ein Film, in dem die Figuren allesamt clever, aber trotzdem dem Publikum nicht voraus sind.
Es beginnt mit einem kurzen Rückblick, bei dem Paris nach einem Autounfall unter Wasser zu sich kommt. Es gelingt ihm nicht, seine Mutter, die am Steuer sitzt, zu retten. Das Ereignis lässt ihn nicht los, er recherchiert neben seiner Arbeit an dem nach einem halben Jahrhundert maroden Staudamm am Caddo Lake zu möglichen Ursachen und ist der Überzeugung, dass seine Mutter, die Zeit ihres Lebens an Anfällen und Krämpfen litt, falsch behandelt wurde. Doch dann entdeckt er mitten auf dem zunehmend ausgetrockneten See etwas, das er sich nicht erklären kann, und zeigt selbst Anzeichen solcher Anfälle. In einem anderen Erzählstrang hat die Studentin Ellie mit ihrer familiären Situation zu kämpfen. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt und sie fühlt sich nicht als Teil der Familie um ihren Stiefvater, auch wenn ihre acht Jahre alte Stiefschwester Anna ihr nacheifert. Doch dann verschwindet Anna spurlos auf dem See und Ellie macht sich ebenfalls auf die Suche. Was sie auf dem See findet, stellt ihre ganze Welt auf den Kopf.
Das klingt ominös und tatsächlich sollte man mehr über die Geschichte nicht verraten, um die Überraschungen nicht zu verderben, von denen es zahlreiche gibt. Die Frage, die man sich lange stellt lautet, wann die beiden Erzählungen zusammengeführt werden. Wenn das Publikum schließlich versteht, was es damit auf sich hat, trifft dies so unvermittelt, dass man sich erst recht nicht ausmalen mag, wohin sich Caddo Lake entwickelt. Dass die beiden zentralen Figuren diese Zusammenhänge jeweils für sich entdecken, ohne sich mit jemandem austauschen zu können, könnte es schwer machen, dies dem Publikum nahezubringen. Aber sieht man Eliza Scanlen, wie Ellie ungläubig beobachtet, was sich vor ihren Augen abspielt, ehe es ihr wie Schuppen von den Augen fällt, dann packt dies gerade deshalb, weil beim Zusehen selbst gerade erst der Groschen gefallen ist. Sie trägt das atmosphärische Thrillerdrama ebenso wie Dylan O’Brien, dessen Figur überraschend komplex gerät, wobei auch er mehr durch seinen Blick als die Dialoge vermittelt, was in ihm vorgeht.
Caddo Lake fühlt sich hinsichtlich des Mystery-Aspekts in gewisser Hinsicht wie eine Geschichte aus Outer Limits: Die unbekannte Dimension [1995-2002] oder Akte X - Die unheimlichen Fälle des FBI [1993-2002] an. Doch nutzen die Filmschaffenden die Laufzeit, um ihre Figuren zu vertiefen, die beide mit ihrer Welt hadern. Ihnen ist etwas widerfahren, was außerhalb ihres Einflussbereichs liegt und womöglich ist es das Gefühl der fehlenden Kontrolle, das sie nicht loslässt. Insbesondere bei Ellie, die sich nicht als Teil einer Familie fühlt, bei der sie mit ihrer einzigen Blutsverwandtschaft – ihrer Mutter – kaum ein Gespräch führen kann, ohne dass es Streit gibt, scheint die Lage relativ eindeutig. Ihre Mutter Celeste trinkt und offenbar wurde in der Vergangenheit bereits das Jugendamt wegen möglichen Kindesmissbrauchs hinzugezogen. Doch ist dies nicht die Ursache für Ellies problematische Familienbeziehung, sondern lediglich ein Symptom. Paris hingegen sucht eine Erklärung nach einem traumatischen Erlebnis, um alledem einen Sinn zu geben. Beschäftigt sich die Erzählung in der ersten Filmhälfte damit, die unheimliche und unheilvolle Stimmung zu erzeugen, lassen die Verantwortlichen im letzten Drittel die vielen Puzzelteile an die richtige Stelle fallen. Das Ergebnis ist zu einem großen Teil ein Drama, das in den entscheidenden Momenten überraschend nahegeht.
Die einnehmende Atmosphäre ist auch der Umgebung zu verdanken, in der die Geschichte spielt. Der Titel gebende Caddo Lake, der an Texas und Louisiana grenzt, vermittelt mit der Mischung aus See und Bayou etwas leicht Unheimliches, noch bevor seltsame Geräusche zu hören sind oder sich Ellie auf dem vertrockneten Seebett Wölfen gegenübersieht. Die Dürre bringt mitunter seltsame Dinge zum Vorschein. Dass die Geschichte auf den ersten Blick kompliziert erzählt scheint, liegt auch daran, dass die jeweiligen Entwicklungen nicht ständig erklärt und wiederholt aufbereitet werden. Insofern richtet sich Caddo Lake an ein Publikum, das bereit ist, mitzudenken. Dass die Filmschaffenden sich nicht nur an solche Zuschauerinnen und Zuschauer richten, sondern auch Vertrauen in ihre Erzählung haben, dass diese für sich bestehen kann, ist nicht nur schön zu sehen. Es ist ungemein erfrischend.
Fazit:
Beinahe ab dem ersten Moment ist die Atmosphäre zum schneiden dick. Logan George und Celine Held gelingt es durch das authentische Südstaatenflair und die erstklassige Kulisse, eine greifbare Situation zu erzeugen, selbst wenn die Figuren einem Mysterium gegenüberstehen. Dass etwas mit dem See nicht stimmt, ist früh offensichtlich, doch was genau, erkennt das Publikum zusammen mit den Figuren, die nicht zufällig entscheidende Erklärungen finden, sondern selbst die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Ihnen zuzusehen, wie sie versuchen, aus ihrer Situation einen Sinn zu machen, nimmt einen mit. Selbst wenn manche Wendungen nicht überraschen und die Trickeffekte am Ende allzu offensichtlich sind, ist Caddo Lake nicht nur ein immens stark gespielter, sondern vor allem hervorragend präsentierter und durchdachter Mystery-Thriller, dessen Drama-Aspekt gleichermaßen überzeugt. Ein Tipp, nicht nur für Genrefans, die hier bestens aufgehoben sind. Selbst wenn der Film nicht das Ende bereithält, das man sich wünscht.