Blood Work [2002]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Lars Adrian  |   Hinzugefügt am 24. November 2002
Genre: Krimi / Drama

Originaltitel: Blood Work
Laufzeit: 108 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Clint Eastwood
Musik: Lennie Niehaus
Darsteller: Clint Eastwood, Jeff Daniels, Wanda De Jesus, Tina Lifford, Angelica Huston, Paul Rodriguez, Dylan Walsh


Kurzinhalt:
FBI-Profiler Terry McCaleb (Clint Eastwood) ist seit langem einem gerissenen Serienmörder auf der Spur, der ihm sogar persönliche Nachrichten zukommen lässt. Als es McCaleb gelingt, den Täter nach dem letzten Mord zu stellen, kommt es zu einer Verfolgungsjagd, in deren Verlauf der in die Jahre gekommene Ermittler eine Herzattacke erleidet. Der Killer kann unerkannt entkommen und McCaleb muss sich aus gesundheitlichen Gründen pensionieren lassen.
Zwei Jahre später: Nur dank einer Herztransplantation kann McCaleb überleben. Er lebt mittlerweile auf einem Boot und möchte seinen Ruhestand in Frieden genießen, als die attraktive Graciella Rivers (Wanda De Jesus) an ihn herantritt. Ihre Schwester Gloria (Maria Quiban), die einen kleinen Sohn hinterließ, ist ermordet worden. Graciella hat herausgefunden, dass das Herz ihrer Schwester, die Organspenderin war, nun in der Brust des ehemaligen FBI-Agenten schlägt. Weil die Polizei bislang in der Morduntersuchung noch keine Fortschritte erzielt hat, bittet sie McCaleb, sich den Fall anzuschauen.
McCaleb sieht sich der Ermordeten gegenüber verpflichtet und beginnt damit, zusammen mit seinem skurrilen Freund und Bootsnachbarn Buddy Noone (Jeff Daniels) selbst Nachforschungen in der Sache anzustellen. Dabei kommt es zu Reibereien mit den ermittelnden Detectives Arrango (Paul Rodriguez) und Waller (Dylan Walsh), die verständlicherweise nicht sehr erfreut darüber sind, dass sich der frühere Star-Profiler in ihre Ermittlungen einmischt. Auch die Ärztin Dr. Bonnie Fox (Anjelica Huston) würde lieber sehen, wie sich McCaleb zu Hause erholt, als dass er sich 60 Tage nach der Transplantation einem solchen Stress aussetzt.
Währenddessen gelangt McCaleb immer mehr zu der Überzeugung, dass ein "alter Bekannter" in den Mord an Gloria verwickelt ist.


Kritik:
Für die deutschen Kinobesucher kommt der Schock gleich zu Beginn des Filmes und er ist ziemlich heftig: Clint Eastwood scheint zu sprechen – er bewegt die Lippen – und man hört nichts, zumindest hat man dieses Gefühl! Nach kurzer Zeit wird die Sache aufgeklärt: Clint Eastwood hat eine andere deutsche Synchronstimme als die, mit der er seit Jahrzeiten gesprochen hat.
Das Synchronstudio trifft hierbei ausnahmsweise keine Schuld. Synchronsprecher Klaus Kindler, der Eastwood lange Zeit seine Stimme geliehen hatte, verstarb leider im Mai 2001 und mit ihm ging ein großes Talent für immer verloren. Das ist umso tragischer, weil gerade diese markante Stimme in Deutschland mit Eastwood untrennbar verbunden war und passender nicht hätte sein können.
Auch wenn man sich nach einer Weile an die neue Synchronstimme gewöhnt hat, und die Synchronisation ansich gelungen ist – sogar Jeff Daniels hat seine aus Speed [1994] bekannte deutsche Stimme –, sei deshalb jedem Clint Eastwood-Fan die englische Original-Fassung des Filmes ans Herz gelegt.
Zumal es noch ein weiteres gravierendes Problem mit der deutschen Synchronisation gibt, auf das ich später näher eingehen werde.

Blood Work beruht auf dem gleichnamigen Bestseller-Roman von Michael Connelly, der in Deutschland unter dem Titel Das zweite Herz erschienen ist.
Clint Eastwood
ist hier erneut nicht nur als Hauptdarsteller tätig, sondern zeichnet auch hinter der Kamera als Regisseur verantwortlich. Blood Work ist damit Eastwoods bislang 23. Kino-Regiearbeit, zu denen unter anderem das melancholische Liebesdrama Die Brücken am Fluss [1995] und der brilliante oscar-prämierte Spätwestern Erbarmungslos [1992] zählen. Seine 24., das Mystery-Drama Mystic River, soll 2003 in die Kinos kommen. Dabei fällt auf, dass das Multitalent in den letzten Jahren fast ausschließlich in Filmen mitgespielt hat, die er auch inszenierte, zum Beispiel Ein wahres Verbrechen [1999] und Space Cowboys [2000].

Was die meisten bisherigen Filme, bei denen Clint Eastwood Regie geführt hat, kennzeichnet, ist bei Blood Work ebenfalls gültig: Ein langsamer, bedächtiger Erzählstil ganz ohne Hektik und Effekthascherei, gute Schauspielerleistungen und sparsam eingesetzte Action.
Der Zuschauer sollte deshalb keinen schweißtreibenden und nervenzerfetzenden Thriller, wie die zuletzt gezeigten Roter Drache [2002] oder Insomnia [2002], erwarten, sondern sich eher auf ein gepflegtes Krimi-Drama der alten Schule einstellen. Denn trotz der bekannten Thriller-Thematik – FBI-Agent sucht Serienmörder – ist der Film nicht übermäßig spannend.

Das hat mehrere Ursachen, die nicht unbedingt bei der Inszenierung zu suchen sind, sondern sich in erster Linie aus der Geschichte selbst und dem Drehbuch von Brian Helgeland ergeben. Helgeland schrieb unter anderem die Skripts für L.A. Confidential [1997], für das er sogar einen Oscar erhielt, und den Mel Gibson-Film Payback [1999]. Er hat also bewiesen, dass er spannende Krimi-Unterhaltung erschaffen kann.
In Blood Work gibt es jedoch einige Dinge, die das positive Gesamtbild etwas beeinträchtigen.
So sind einige Schlussfolgerungen und Ansichten des FBI-Profilers nicht immer schlüssig und für den Zuschauer nicht ohne weiteres nachvollziehbar. McCaleb scheint bisweilen zwei Schritte voraus zu denken, als es sich aus den bisher gefundenen Indizien ableiten ließe. Und gerade im letzten Drittel nimmt der Film einige Wendungen, die nicht unbedingt logisch oder naheliegend erscheinen.
Dazu kommt eine meines Erachtens überflüssige Liebesgeschichte zwischen McCaleb und Graciella Rivers, die schon aufgrund Clint Eastwoods Alter von mittlerweile über 70 Jahren – wobei ich seinen Charme und seine Ausstrahlung nicht im geringsten anzweifle – ein wenig unglaubwürdig erscheint und zusätzlich Tempo aus der Krimi-Story nimmt.
Etwas störend fallen auch die sich ständig wiederholenden Sticheleien zwischen McCaleb und den beiden Detectives Arrango und Waller aus. Die ersten paar Dialoge sind noch recht witzig. Zum Schluss hin wirkt der Humor aber doch ziemlich gezwungen und die meisten Szenen, wie auch eine kurze Traumsequenz, sind schlicht überflüssig.

Es ist durchaus möglich, dass diese Elemente schon im Roman vorhanden waren, den ich nicht kenne. Es wäre dann aber nicht notwendig gewesen, all dies in den Film genau so zu übernehmen.

Das größte Manko, das aber wohl nicht dem Film selbst angelastet werden kann, hat allerdings – wie schon angekündigt – die deutsche Synchronisation zu verantworten:
Ungefähr 30 Minuten vor Schluss spielt McCaleb ein Tonband ab, auf dem die Stimme des wahrscheinlichen Täters zu hören ist. Der Täter verstellt dabei zwar seine Stimme und spricht mit Akzent, trotzdem habe ich sofort die prägnante Stimme eines Charakters erkannt, der bereits zuvor im Film zu sehen war. Da ich nun wusste, wer der Mörder war, konnte ich mir alle restlichen Zusammenhänge innerhalb weniger Sekunden komplett selbst erschließen. Damit war mir nun schon eine halbe Stunde vor Schluss fast die vollständige Auflösung bekannt und der Film hatte von diesem Moment an praktisch keine Überraschungen mehr und kaum Spannung zu bieten, so dass ich dem Top-FBI-Profiler meilenweit in den Ermittlungen voraus war.
Ich vermute, dass im englischen Original der Täter durch die Tonband-Stimme noch nicht so früh aufgedeckt wird. In der deutschen Synchronfassung dagegen dürfte für Zuschauer mit gutem Stimmengedächtnis das Interesse zu früh verloren gehen.

Die Darsteller sind bis in die Nebenrollen gut besetzt und können vollauf überzeugen.
Allen voran natürlich Clint Eastwood, der allein durch seine Leinwandpräsenz die meisten Mitakteure auszustechen vermag. Mit sparsam eingesetzter Mimik und Gestik bringt er dem Zuschauer den schweigsamen, aber doch sehr intelligenten McCaleb nahe, der feststellen muss, dass er aufgrund seines schwachen Herzens oft der Hilflosigkeit ausgeliefert ist, wo er doch so gerne aktiv werden würde.
Abgesehen von Jeff Daniels, der als Alt-Hippie Buddy mehr als einmal die Lacher des Publikums auf seiner Seite hat, verblassen die anderen Darsteller, wie Angelica Huston als Ärztin oder Tina Lifford als alte Bekannte, die McCaleb hin und wieder gegenüber der örtlichen Polizei in Schutz nimmt, schon aufgrund der Tatsache, dass sie deutlich weniger Zeit auf der Leinwand verbringen dürfen.
Lediglich Wanda De Jesus kann ihre Rolle etwas weiter vertiefen und sie bildet so einen angenehmen Gegenpart zu Eastwood, obwohl ich die Liebesbeziehung zwischen Gloria und McCaleb – wie schon erwähnt – als unnötig empfand.
Ab und zu hatte ich bei manchen Gesprächen aber das Gefühl, als ob die Schauspieler die eine oder andere Pause zu viel einlegen würden. Dadurch ging bisweilen ein wenig die Natürlichkeit und Spontaneität der Dialoge verloren.

Obwohl der Film nicht zu Eastwoods besten Regiearbeiten zählt, gibt es handwerklich an Blood Work nichts auszusetzen. Kamera, Schnitt, Schauspielführung und Inszenierung sind solide, wenn auch nicht überragend.
Das Gleiche gilt für die Musik von Eastwoods Hauskomponist Lennie Niehaus, die zwar keine besonderen Akzente setzt, jedoch nicht negativ auffällt.

Die stärksten Momente hat der Film im ersten Drittel, sobald McCaleb mit den Ermittlungen an dem Mordfall beginnt und die ersten Hinweise, wie z.B. Video-Aufzeichnungen, entdeckt. Zu beobachten, wie der FBI-Profi die Zusammenhänge erkennt, Schlüsse zieht und aufgrund der Erkenntnisse weitere Nachforschungen betreibt, macht dem Zuschauer sehr viel Spaß und erzeugt wirklich Spannung. Dabei wird nicht alles explizit erwähnt und vorgekaut, sondern die Macher gehen angenehmerweise davon aus, dass man mitdenkt und selbst die entsprechenden Beziehungen herstellt.
Ebenfalls sehr schön und interessant ist es, Clint Eastwood einmal in einer anderen Rolle zu sehen als dem sonst typischen Raubein. Gerade seine aufgrund des Herzleidens vorhandene Verletzlichkeit verleiht Blood Work einen ganz eigenen Reiz, was den Zuschauer über die eine oder andere Schwäche der Story gerne hinwegsehen lässt.


Fazit:

Trotz einiger Schwächen ist Blood Work ein durchaus gelungener Krimi, der zwar ein wenig die Spannung vermissen lässt, aber insbesondere durch die souveräne Leistung von Darsteller Clint Eastwood überzeugt.
Wer den Altmeister mal in einer für ihn eher untypischen – weil verletzlichen – Rolle sehen möchte und sich mehr auf eine Charakter-Studie als einen Thriller einlassen kann, für den ist der Film auf jeden Fall sehenswert; dann aber – wenn möglich – nur in der englischen Original-Fassung.