Barry Seal: Only in America [2017]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 3. April 2018
Genre: Drama / Komödie / Biografie

Originaltitel: American Made
Laufzeit: 115 min.
Produktionsland: USA / Japan
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Doug Liman
Musik: Christophe Beck
Darsteller: Tom Cruise, Domhnall Gleeson, Sarah Wright, Jesse Plemons, Caleb Landry Jones, Lola Kirke, Jayma Mays, Alejandro Edda, Benito Martinez, E. Roger Mitchell, Jed Rees, Fredy Yate Escobar, Mauricio Mejía, Robert Farrior


Kurzinhalt:

In den Siebzigerjahren wird der Pilot Barry Seal (Tom Cruise) von CIA-Agent Schafer (Domhnall Gleeson) angeworben, um Aufklärungsflüge von militärischen Camps kommunistischer Regimes in Mittelamerika zu fliegen. Hierfür wird Barry eine eigene Firma eingerichtet. Bei einem Zwischenstopp sieht sich Seal unter anderem Jorge Ochoa (Alejandro Edda) und Pablo Escobar (Mauricio Mejía) gegenüber, die ihn als Drogenschmuggler engagieren. Als er bei seinen neuen Geschäftspartnern verhaftet wird, bietet ihm Schafer einen Deal an und bewahrt Seals Frau Lucy (Sarah Wright) und seine Kinder vor einer Verhaftung durch verschiedene Behörden, die auf Barry aufmerksam geworden sind. Doch dafür soll Seal nun Waffen zu Aufständischen in Zentralamerika schmuggeln. Gleichzeitig floriert auch der Drogenschmuggel, so dass sich Barry vor Geld kaum retten kann. Doch ewig wird seine Glückssträhne nicht halten und weder die CIA, noch das Drogenkartell tolerieren Verrat …


Kritik:
Was Filmemacher Doug Liman in Barry Seal: Only in America über seine Titel gebende Hauptfigur, den Piloten Barry Seal, erzählt, klingt so haarsträubend, dass es durchaus wahr sein könnte. Berichten zufolge nimmt sich die Hollywoodproduktion jedoch viele künstlerische Freiheiten, so dass am Ende wohl nur einige Eckpunkte tatsächlich so geschehen sind. Das schmälert hier zwar nicht den Unterhaltungswert, der auch dank der gelungenen Darbietung von Tom Cruise überaus hoch ist, aber es nimmt dem Gezeigten vieles von dem Gewicht, das an sich mitschwingen sollte.

Dass der TWA-Pilot Seal von Ende der 1970er- bis Mitte der Achtzigerjahre als Drogenschmuggler für das aus Zentralamerika operierende Medellín-Kartell und Pablo Escobar tätig war, ist dabei unbestritten. Ob er jedoch wie hier dargestellt gleichzeitig und immer wieder für die CIA gearbeitet hat – was er selbst vor Gericht bestritt –, darf zumindest bezweifelt werden. Regisseur Liman ist weniger an einer Biografie interessiert als an den abstrusen Zusammenhängen, die es hinsichtlich der verdeckten Unterstützung von Untergrundkämpfern in Mittelamerika durch die US-Regierung gegen kommunistische Regimes in den Achtzigern gegeben hat.
So kommt es, dass Barry Seal hier von CIA-Agent Schafer angeworben wird, zuerst Aufklärungsflüge vorzunehmen und später sogar Waffen an die Aufständischen zu liefern und diese in die USA zur Ausbildung einzufliegen. Dabei lässt sich Seal gleichzeitig von den Drogenbaronen einspannen und schmuggelt tonnenweise Kokain nach Amerika.

Insofern klingt der Filmtitel mehr als zynisch, denn wo sonst, wenn nicht in Amerika ist es möglich, dass ein bekannter Drogenkurier gleichzeitig von der Regierung für seine Arbeit bezahlt wird und sogar die Arbeitsmaterialien – hier die Flugzeuge – gestellt bekommt? Barry Seal: Only in America geht in seiner Darstellung allerdings insofern bedenkliche Wege, da der Film seinen Protagonisten immer wieder als Opfer seiner äußeren Einflüsse porträtiert. So wird das Drogenschmuggeln Barry quasi auferlegt und die CIA schaut hier jahrelang wissentlich weg, obwohl man weiß, dass jemand, auf dessen Dienste die Agency regelmäßig zurückgreift, offen für die gegnerische Seite arbeitet. Das ergibt hier zwar überaus und geradezu erschreckend amüsante Momente, aber es stellt auch einen Verbrecher in einem günstigen Licht dar. Das Drehbuch ist überdies nicht bemüht, diesen Umstand zumindest aufzugreifen und eine mögliche Erklärung zu finden. So wenig Barry tatsächlich die treibende Kraft hinter seiner eigenen Unternehmung scheint, so „unschuldig“ bleibt er in gewissem Sinne auch. Selbst dann, wenn er hier einen Mord vertuscht, der in seiner Ehe mit Lucy großes Konfliktpotential birgt. Aber auch hiermit beschäftigen sich die Macher nicht weiter. Zwei Minuten nach der Tat ist es, als wäre nie etwas passiert.

Regisseur Doug Liman fängt das Geschehen nicht nur in einem für diese Zeit üblichen Look mit übersättigten Farben und dem Flair einer Videoaufnahme ein, er tut es mit einer ständig bewegten Kamera, als handle es sich bei Barry Seal: Only in America um eine Dokumentation. Zusammen mit dem Hinweis zu Beginn, dass der Film auf Tatsachen basiere, suggeriert dies eine Authentizität, die sich jedoch nie einstellt. Das verhindern bereits die regelmäßig eingestreuten Clips von Barry, der seine Aussage auf Video aufnimmt und damit die Handlung gewissermaßen erzählt. Die Art und Weise wie er es tut, ist merklich witziger als er es in seiner Situation in Wirklichkeit wohl präsentieren würde. Und statt den Film dadurch zu strukturieren, die Erzählung mit der Zeit von Barrys Aufnahme aufholen zu lassen, ist all dies mehr ein Kniff der Story, der aber letztlich nirgendwohin führt.
Dank der Darbietungen ist das stets unterhaltsam und flott präsentiert, sodass die knapp zwei Stunden wie im Flug vergehen. Ebenso schnell kommt jedoch die Frage auf, wie viel von dem Gezeigten tatsächlich und auf diese Art geschehen ist. Antworten darauf gibt es hier leider nicht.


Fazit:
Was US-Regierung(en) und CIA alles akzeptiert, welch krummen Geschäfte man toleriert oder sogar selbst vorgenommen hatte, um auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges kommunistische Regimes zu bekämpfen, ist kaum vorstellbar. Umso spannender ist, wie diese Zusammenhänge inzwischen in Filmen und Serien aufgearbeitet werden, waren sie früher nur Zeitungsberichten vorbehalten. Während Dramen wie Kill the Messenger [2014] dies als Hintergrund für das persönliche Schicksal der Protagonisten nehmen, interessiert gerade dieses bei Barry Seal: Only in America nur am Rand. Im Vordergrund steht vielmehr die Absurdität dessen, was der Pilot, der zum Schmuggler und schließlich zum Informanten der Drogenbehörde wurde, erlebt hat. An einer Biografie hat Regisseur Doug Liman dabei kein Interesse, was erklärt, weshalb man nichts über Seals Motivation erfährt. Dafür erzählt er viele Momente, die einen als Zuseher angesichts der haarsträubenden Ereignisse nur den Kopf schütteln lassen. Doch ohne den Anspruch, authentisch zu sein oder sich zumindest großteils auf Tatsachen zu beschränken, verfehlt das spätestens im Nachhinein seine Wirkung. Als reiner, überwiegend fiktiver Unterhaltungsfilm ist das gelungen und zugegeben amüsant, nur ohne nennenswerten Tiefgang. Sowohl beim Titel gebenden Charakter als auch dem Inhalt an sich.