Babygirl [2024]
Wertung:
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Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 15. Januar 2025
Genre: Unterhaltung / Drama
Originaltitel: Babygirl
Laufzeit: 114 min.
Produktionsland: Niederlande / USA
Produktionsjahr: 2024
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: Halina Reijn
Musik: Cristobal Tapia de Veer
Besetzung: Nicole Kidman, Harris Dickinson, Antonio Banderas, Sophie Wilde, Esther McGregor, Vaughan Reilly, Gaite Jansen, Izabel Mar, Victor Slezak, Anoop Desai, Bartley Booz, Maxwell Whittington-Cooper, Leslie Silva, Dolly Wells
Kurzinhalt:
Romy Mathis (Nicole Kidman) leitet ihre selbst aufgebaute Firma nicht nur erfolgreich, sondern verleiht ihrem Führungsstil einen weiblichen Touch, der nicht nur den Investoren gefällt. Die Frau im besten Alter ist mit dem Theaterregisseur Jacob (Antonio Banderas) verheiratet und gemeinsam haben sie zwei Töchter. Es ist eine glückliche Familie, der es offenbar an nichts fehlt. Doch insgeheim hat Romy ein Verlangen, das sie ihrem Ehemann zwar verrät, doch wirklich verstehen kann er es nicht. Als Romy in ihrer Firma auf den jungen Praktikanten Samuel (Harris Dickinson) trifft, ist sie von ihm fasziniert. Er strahlt eine Selbstsicherheit aus, mit der er sich ihrer Autorität schlicht widersetzt. Dass er sie als Mentor für sein Praktikum aussucht, zwingt Romy dazu, sich mit ihren verwirrenden Gefühlen auseinander zu setzen. Sie beginnen eine Affäre, in der sich die erfolgreiche Geschäftsfrau dem jungen Mann unterwirft, wobei sich die Dynamik der Beziehung erst noch entwickelt. Doch je mehr Romy der Affäre verfällt, umso mehr gefährdet sie nicht nur alles, was sie aufgebaut hat, sondern auch ihre Familie …
Kritik:
Die Geschichte von Halina Reijns Babygirl endet im Grunde mit derselbe Szene, mit der sie beginnt. Doch befinden sich die Figuren darin in einer gänzlich anderen Lage. Anstatt eines Dramas, das die Charaktere offenlegt und sie dabei womöglich sogar einreißt, um sie neu aufzubauen, erzählt die Filmemacherin mit durchaus knisternder Atmosphäre, stark wie mutig gespielt von Nicole Kidman, von einer Frau, die sich ihren eigenen Fantasien und Bedürfnissen stellt. Das ist in sämtlichen Aspekten gelungen, aber kaum packend.
Eines vorweg: für ihre Darbietung als Romy Mathis verdient Nicole Kidman die höchstmögliche Anerkennung. Nicht, weil sie keine ihrer vielen Rollen mit mehr Engagement und Leidenschaft zum Leben erweckt hätte, sondern weil Regisseurin Reijn auch die Darstellerin selbst in intimsten Momenten in den Fokus rückt. Sich so einem großen Publikum zu zeigen, erfordert kaum vorstellbaren Mut. Um dabei gleichzeitig noch derart viele Facetten ihrer Filmfigur zur Geltung zu bringen, bedarf es außerdem einer Handwerkskunst, die man kaum genügend herausstellen kann. Sie verkörpert Romy Mathis, CEO und erfolgreiche Geschäftsfrau einer Firma, die mit Lagerautomation voranschreitet. Romy ist mit dem Theaterregisseur Jacob verheiratet und hat zwei Töchter, die ältere im Teenageralter. Nicht nur auf den ersten Blick scheint es eine liebevolle Ehe. Jacob und Romy kümmern sich um einander, nehmen Rücksicht auf die Karriere des jeweils anderen und haben eine gute Beziehung zu ihren Kindern. Sie haben auch ein aktives Sexleben, wobei sich Romy nach dem Akt unter Zuhilfenahme von Pornografie selbst befriedigt. Doch dann trifft sie auf einen Praktikanten in ihrer Firma und ist von dem jungen Mann fasziniert. Er ist nicht wirklich charmant oder zuvorkommend. Aber er lässt sich weder von ihrer Position einschüchtern, noch davon, dass sie deutlich älter ist, als er.
Auch wenn Praktikant Samuel früh erfasst, dass sich Romy zumindest in einer Hinsicht insgeheim jemanden wünscht, der ihr sagt, was sie tun soll, als die beiden eine Affäre beginnen, ist ihnen selbst nicht klar, was dies für eine Art Beziehung ist oder wie sie ablaufen soll. Sowohl Romy als auch Samuel wirken unbeholfen, als müssten sie sich – ganz wie in jeder Liebesbeziehung – an einander herantasten. Dabei sagt Samuel es Romy früh unverblümt ins Gesicht, dass er sie in der Hand hat. Wenn er ihre Affäre publik macht, werden ihre Karriere und ihr Privatleben ruiniert. Doch auch er lebt sich in dieser Beziehung aus, in der er Romy genau das gibt, was sie insgeheim will. Es sei ein Verlangen, das sie ihr Leben lang mit sich herumtrage und nun, als eine Geschäftsfrau, die den beruflichen wie familiären Alltag kontrolliert und fest führt, will sie in Liebesdingen geführt werden. Zu entdecken, wie Romy dabei aufblüht, die von Beginn an elegante und attraktive Frau förmlich zu strahlen beginnt, macht einen großen Reiz von Babygirl aus. Gleichzeitig sind die Begegnungen zwischen Romy und Samuel erotisierend umgesetzt, konzentrieren sich dabei aber stets auf sie und wie sie all dies wahrnimmt.
Filmemacherin Halina Reijn, die auch das Drehbuch liefert, etabliert Romy zu Beginn nicht als eine unglückliche Frau oder eine, die in einer unglücklichen Beziehung feststeckt. Sie erzählt ihrem Mann sogar von ihren Fantasien, während sie ihren Kopf unter der Bettdecke versteckt. Es ist jedoch ein Verlangen, das Jacob nicht bedienen kann, da er sich so im jahrzehntelangen Umgang mit seiner Frau wie ein Bösewicht fühlt. Auch sucht Romy zu Beginn nicht Samuels Nähe, vielmehr ist er es, der auf sie zugeht, als würde er spüren, was sie sich insgeheim nicht eingestehen will. Auch hier umgeht Babygirl übliche Klischees und porträtiert die Affäre als etwas, auf das sich beide bewusst einlassen. Doch was dem Mittelteil fehlt, ist eine deutliche Richtung. Insbesondere, wenn Romy bewusst (erneut) Samuels Nähe sucht, fragt man sich, was sie sich davon erwartet. Wo glaubt sie, soll dies hinführen? Über ihre Figur verrät der Film nicht mehr, als man zu Beginn und am Ende erfährt. Dazwischen werden zahlreiche knisternde Szenen gezeigt, die die Entwicklung der Affäre oder der Figuren aber nicht voranbringen.
Es überrascht nicht, dass die Stimmung der Affäre kippt, als Samuel in Romys Privatleben vordringt und sich die Grenzen ihrer zum Leben erweckten Fantasie und ihres Familienlebens zu verschieben beginnen. Was Babygirl jedoch vollkommen ausblendet ist, wie sich ihre Beziehung zu Samuel auf ihre Ehe auswirkt. Verändert sich der Umgang zwischen Romy und Jacob? Unterbleiben die eingangs gezeigten Intimitäten, oder ergänzt der Praktikant ein Bedürfnis, das sie grundsätzlich verspürt? Nicht nur, dass das Drehbuch hierauf keine Antworten findet, die Fragen werden schlicht nicht gestellt. Unter der Decke der Erotik liegt ein Drama, das hier erst im letzten Drittel angeschnitten, aber nie vollends ausgelotet wird. Dass sich die Regisseurin bewusst dagegen entscheidet, ist legitim, es wirkt aber insbesondere in Anbetracht der versammelten Besetzung und dass alles hierfür so greifbar vorbereitet wird, wie eine verpasste Chance.
Fazit:
Im Mittelpunkt der dritten Spielfilmregie der niederländischen Filmemacherin Halina Reijn steht die Darbietung von Nicole Kidman, deren Romy im Alltag beherrscht und kontrolliert auftritt, aber gleichermaßen enthemmte und verletzliche Momente besitzt. Die Intensität ist greifbar, ebenso wie die Anziehung zwischen ihr und dem jungen Praktikanten. Auch ist der Film fantastisch in Szene gesetzt und wagt sich mitunter geradezu unangenehm dicht an die Figuren, als wäre das Publikum unmittelbar an ihrer Seite oder dann wieder voyeuristisch nur im selben Raum. Antonio Banderas ist nur in wenigen Momenten wirklich gefordert, die er jedoch großartig zum Leben erweckt. So Vieles hieran ist gelungen und dass der Film ein Schlaglicht auf Romys Fantasien wirft, ohne sie zu verurteilen, sondern sie als einen Teil ihres Intimlebens vorstellt, den sie annehmen lernen muss, wenn es erfüllend sein soll, ist eine wichtige Botschaft. Auch für Romys Mann. Doch nimmt die Entscheidung der Verantwortlichen, Babygirl weder als Drama noch als Thriller, sondern die Geschichte schlicht mit nicht wenigen amüsanten Augenblicken knisternd wie erotisch zu erzählen und erst am Ende die Auswirkung der Affäre zu thematisieren, dem Film vor allem eine emotionale Wucht. Dem zuzusehen ist durchaus unterhaltsam, insbesondere dank der Umsetzung und der Besetzung. Ohne dass inhaltlich etwas vorangeht, wirkt der Mittelteil, der aus zahlreichen Begegnungen von Samuel und Romy besteht, zudem gut 15 bis 20 Minuten zu lang. So bleibt das Gefühl, als wäre hier doch mehr möglich gewesen.