Avengers: Endgame [2019]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. April 2019
Genre: Science Fiction / Action / Thriller / Drama

Originaltitel: Avengers: Endgame
Laufzeit: 181 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Anthony Russo, Joe Russo
Musik: Alan Silvestri
Darsteller: Robert Downey Jr., Chris Evans, Chris Hemsworth, Mark Ruffalo, Paul Rudd, Scarlett Johansson, Jeremy Renner, Brie Larson, Karen Gillan, Don Cheadle, Josh Brolin, Gwyneth Paltrow, Chadwick Boseman, Bradley Cooper, Tessa Thompson, Tom Holland, Elizabeth Olsen, Evangeline Lilly


Kurzinhalt:

Nachdem Thanos (Josh Brolin) sein Ziel erreicht hat, müssen die verbliebenen Avenger nicht nur damit klar kommen, dass die Welt wie auch die gesamte Galaxis nie mehr dieselbe sein wird, sondern mit dem Wissen, dass es ihnen nicht gelungen ist, all das zu verhindern. Eine bloße Rache an Thanos würde daran nichts ändern. Als unvermittelt der totgeglaubte Scott Lang (Paul Rudd) vor den Toren des Hauptquartiers der Avengers steht, können es Black Widow (Scarlett Johansson) und Captain America (Chris Evans) kaum glauben. Er zeigt ihnen einen Weg auf, wie sich Thanos’ Fingerschnippen ungeschehen machen ließe – wenn es gelingt, nicht nur Bruce Banner (Mark Ruffalo), sondern vor allem Iron Man (Robert Downey Jr.) und Thor (Chris Hemsworth) davon zu überzeugen und ihr waghalsiger Plan auch Erfolg hat. Der Einsatz könnte höher nicht sein, so dass sie tun müssen, was immer nötig ist und welche Opfer auch immer damit verbunden sind …


Kritik:
Vor ziemlich genau einem Jahr mussten Fans der Superhelden-Reihe um die Avengers in Infinity War mitansehen, wie der lange vorbereitete Schurke der Reihe, Thanos, mit einem Fingerschnippen seinen so endgültig klingenden Plan, die Galaxis ins Gleichgewicht zu bringen, in die Tat umsetzte. Mit Avengers: Endgame starten die verbliebenen Helden um Iron Man und Captain America ihren letzten Versuch, den Schaden wiedergutzumachen. Kaum ein Film wird dieses Jahr vermutlich ein so zahlreiches Publikum in die Kinos locken. Wer eines der größten Comic-Spektakel aller Zeiten erwartet, wird auch nicht enttäuscht werden.

Die Werbezeile des Films, „Was immer nötig ist“, deutet bereits an, dass die Helden durchaus Opfer werden bringen müssen, die sich nicht werden umkehren lassen. Entsprechend gibt es bei Avengers: Endgame nicht nur Momente, in denen die Fans mit den ikonischen Figuren jubeln und sie anfeuern. Es gibt auch zahlreiche Szenen, in denen es mucksmäuschenstill wird, wenn das Publikum ergriffen den Atem anhält. Die Filmemacher Anthony und Joe Russo setzen unmittelbar während der finalen Momente von Infinity War an und zeigen die Auswirkungen von Thanos’ Handeln aus dem Blickwinkel einer Figur, die im vergangenen Filmabenteuer gar nicht zu sehen war. Der sehr atmosphärische Teaser setzt noch vor dem ersten Filmlogo an. Dank des Eintreffens der wohl mächtigsten Figur des Marvel Cinematic Universe, die erst kürzlich ihren eigenen Film erhalten hat, holen die Helden sogar sehr früh zum Gegenschlag gegen Thanos aus, der jedoch ganz anders abläuft, als erwartet.

Über das, was dann geschieht, sollte man inhaltlich möglichst wenig erzählen, um dem geneigten Publikum die Überraschungen nicht zu verderben. Es soll reichen zu sagen, dass die Geschichte die weitreichenden Folgen des Verschwindens der Hälfte aller Wesen intensiver beleuchtet. Sieht man Tony Stark alias Iron Man zum ersten Mal in einer gewohnten Umgebung, erscheint der von Robert Downey Jr. so unvergleichlich gespielte Playboy und Erfinder schwach und wirkt um mindestens zehn Jahre gealtert. Dass er und Steve Rogers / Captain America auch im Zentrum dieses Films stehen, ist kein Kritikpunkt. Beide Figuren haben die Avengers-Reihe bis hierher getragen und die modernen Comichelden auf der Leinwand so populär gemacht. Auch hier verkörpern sie teilweise erneut die entgegengesetzten Enden des Spektrums, so dass sich Stark mit dieser geänderten Welt bedeutend besser arrangieren kann, als es Captain America möglich ist. Oder anderen, die viel mehr verloren haben, als er selbst. Ihre Momente gehören zu den stärksten von Endgame, während Thor erneut für die amüsanteren Szenen sorgt. Damit der waghalsige Plan gegen Thanos gelingen kann, müssen jedoch alle Avengers zusammenarbeiten, was dem tatsächlichen Finale, das hier die Hälfte der dreistündigen Laufzeit einnimmt, ein enormes Gewicht verleiht.

Man sollte jedoch nicht erwarten, dass Endgame hinsichtlich der Stimmung oder der Erzählweise eine direkte Fortsetzung zu Infinity War ist, obwohl der Film inhaltlich unmittelbar daran anschließt. Für den Abschluss dieses Abschnitts der inzwischen 22 Filme umspannenden Superhelden-Reihe finden die Filmemacher Russo eine ganz eigene Tonlage, die in der ersten Hälfte spürbar langsamer erzählt wird und nicht erst im Epilog die emotionalsten Momente hervorbringt. Gleichzeitig bewegt sich die Story in der zweiten Hälfte mühelos durch Ereignisse der vorangegangenen Filme des Franchise, so dass vor allem Fans die vielen subtilen Details werden zu schätzen wissen. Aber statt lediglich auf bekannten Situationen aufzubauen und ein rein nostalgisches Flair heraufzubeschwören, erweitern diese Abschnitte die bereits bekannten Filme. Wer sich im MCU allerdings nicht auskennt, dürfte vielen Situationen mit ratlosem Blick begegnen.

Das ist als Auflösung eines der größten Cliffhanger der vergangenen zehn Kinojahre vor allem für Fans packend inszeniert, aber es dauert trotz allem ca. 25 Minuten zu lang, ehe ein Finale einsetzt, das mit weniger Überraschungen aufwartet, als man sich gewünscht hätte. Darin gibt es allerdings das bislang mit Abstand coolste Statement zum Thema Frauen-Power in Superhelden-Filmen zu sehen. Gleichzeitig sind die Abschiede von einigen bekannten und geliebten Avengers-Figuren nicht nur würdevoll in Szene gesetzt. Ihre Opfer haben tatsächlich Bedeutung und sind nicht umsonst. Als großes Finale, nicht nur der Ereignisse von Infinity War, sondern der gesamten Marvel-Comic-Verfilmungen seit Iron Man [2008], ist Avengers: Endgame überaus gelungen und lässt nie vergessen, was auf dem Spiel steht, oder dass ein Sieg wenn, dann nur mit größten Opfern zu erreichen ist. Wer entsprechend in die Charaktere investiert ist, für den hält der Abschied hier auch eine emotionale Achterbahnfahrt bereit. Mehr können sich Fans an sich nicht wünschen.


Fazit:
Stellt sich ein verletzter Captain America am Ende seiner Kräfte auf einem riesigen Schlachtfeld allein einer ganzen Armee gegenüber, ist das eines der eindrucksvollsten Bilder sämtlicher Avengers-Filme überhaupt. Die Situationen und was auf dem Spiel steht, war nie größer oder eindrucksvoller als hier. Die Filmemacher Anthony und Joe Russo inszenieren ihren Abschluss der bisherigen Superhelden-Reihe mit einer sicheren Hand, die das Inferno spürbar werden lässt, aber nie überfordert. Das heißt nicht, dass Endgame ein „leichter“ Film wäre. Die drei Stunden sind stellenweise länger, als sie sein müssten, und obwohl es ruhigere Abschnitte gibt, offenbaren sich hier die besten Charaktermomente. Am Ende bringt Avengers: Endgame wie kein anderer Film der Reihe bislang auf den Punkt, was es mitunter heißt, ein Held bzw. eine Familie zu sein – und was es kosten kann. Diese Aspekte verleihen dem bombastisch aufgebauten und handwerklich fantastisch umgesetzten Comic-Spektakel nachvollziehbare und menschliche Facetten. Tony Stark sagt hier, „das Ende ist ein Teil des Weges“. Der Weg dieser Helden war lang und beschwerlich. Dafür könnte das Ende, sowohl was die Abschiede von bekannten Figuren als auch das Schlusskapitel dieses Rächer-Teams selbst anbelangt, passender kaum sein.

Auf Kenner der Reihe wartet hier genau das perfekt orchestrierte Finale, das sie sich erhofft haben. Wer jedoch mit dem bisherigen Werdegang der Avengers nicht vertraut ist, wird sich nicht zurechtfinden. Obwohl bezweifelt werden darf, dass irgendjemand mit den wissenschaftlichen Erklärungen, die dorthin führen, irgendetwas anzufangen vermag. Insofern ist dieses Endspiel vielleicht weniger etwas für den Geist, aber zweifellos genug für die Sinne.